Die neue Verfilmung des Romanklassikers „Der Graf von Monte Christo“ ist in den Kinos angelaufen. Historisches Vorbild ist der General Thomas-Alexandre Dumas, der im Kerker landete
Eingesperrt in einem düsteren Verlies auf einer Insel, verraten von dem vermeintlich besten Freund, vergessen von der Welt: Edmond Dantès, der nach seiner Flucht aus dem Kerker als „Graf von Monte Christo“ einen erbarmungslosen Rachefeldzug startet, zählt bis heute zu den größten Helden der Abenteuerliteratur überhaupt.
Mehr als 30 Mal wurde Alexandre Dumas‘ Klassiker verfilmt, jetzt ist die neue, gefeierte Version des Regieduos Matthieu Delaporte und Alexandre de La Patellière in den Kinos angelaufen. Während es die im Roman beschriebene Kerkerinsel – das Château d‘If – wirklich gibt, blieb lange unklar, ob der Graf eine konkrete historische Vorlage hat.
Der spektakuläre Aufstieg des Thomas-Alexandre Dumas
Schließlich enthüllte der amerikanische Publizist Tom Reiss nach jahrelanger Recherche in seinem Pulitzerpreis-gekrönten Buch „Der schwarze General“ das Vorbild: Es ist niemand Geringeres als Dumas‘ eigener Vater Thomas-Alexandre, kurz Alex. Dessen Leben verlief so spektakulär wie das des Grafen von Monte Christo – allerdings ohne glückliches Ende.
Geboren 1762 als Kind eines französischen Adeligen und einer schwarzen Sklavin, wuchs Alex in der französischen Zuckerrohrkolonie Saint-Domingue auf, dem heutigen Haiti. Als sein Vater nach Frankreich zurückkehrte, um das Familienerbe anzutreten, nahm er Alex mit. Der Jüngling führte ein unbeschwertes Luxusleben in Paris, genoss eine erstklassige Erziehung, lernte reiten und fechten. 1,85 Meter groß, athletisch gebaut und mit seiner dunklen Hautfarbe und tiefschwarzem Haar von exotischem Aussehen, ließ er die Herzen der Damenwelt höherschlagen.
Literaturklassiker: Alexandre Dumas‘ „Graf von Monte Christo“ erschien zwischen 1844 und 1846 zunächst als Fortsetzungsroman – und war von Anfang an ein gewaltiger Erfolg (hier eine Ausgabe von 1885)
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Am Vorabend der Revolution, 1786, trat der junge Mann in die Armee ein – allerdings verpflichtete er sich trotz seiner adeligen Herkunft nicht als Offizier, sondern als einfacher Soldat. Schnell startete Alex Dumas eine Bilderbuchkarriere, stieg zum Kommandeur der französischen Alpenarmee auf, wurde für seine mutigen Einsätze als Kriegsheld gefeiert. Und das als dunkelhäutiger Offizier – in der Welt der Weißen. Tom Reiss ist überzeugt: „Der schwindelerregende Aufstieg und ebenso schwindelerregende Absturz des Generals Dumas brannte sich in das Gedächtnis seines Sohnes ein.“
Die Wende brachte der Ägypten-Feldzug 1798, auf dem Dumas Napoleon begleitete. Das Unternehmen endete im Desaster – und bei Napoleon fiel er in Ungnade. Zu unterschiedlich waren die beiden Männer. „Dumas sah sich als Kämpfer für die Befreiung der Welt, nicht für ihre Eroberung“, hält Reiss fest. Napoleon verdächtigte ihn gar der Verschwörung.
Film Graf von Monte Christo 12.36
Auf dem Rückweg übers Mittelmeer endete Dumas mit einem leckgeschlagenen Schiff in Tarent, Süditalien. Das Gebiet gehörte zum Königreich Neapel, einem Kriegsgegner Frankreichs. Ohne zu wissen, ob er je wieder freigelassen würde, landete Dumas in der örtlichen Festung. „General Dumas‘ Inhaftierung in der Festung von Tarent sollte später“, meint Tom Reiss, „natürlich seinem Sohn als Grundlage für die Erfahrungen des zu Unrecht ins Verlies geworfenen Helden Edmond Dantès in ‚Der Graf von Monte Christo‘ dienen.“
Alexandre Dumas (1802–1870) wurde bereits zu Lebzeiten zu einem literarischen Superstar, verfasste weit mehr als 100 Romane und Theaterstücke. Besonders populär: „Die drei Musketiere“
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Zwar kam Dumas nach zwei Jahren Haft frei, doch von dem einst stattlichen General war kaum etwas übrig. Er zog ein Bein nach, war ausgemergelt, auf einem Auge blind und auf einem Ohr taub. Auch das Frankreich, in das er zurückkehrte, hatte sich radikal verändert. Napoleon stand nun an der Spitze des Staates. Er gestattete den (zwischenzeitlich untersagten) Handel mit Sklaven wieder, ließ Offiziersposten nur noch mit Weißen besetzen.
Bis an sein Lebensende schrieb Dumas Briefe an den Herrscher, bat um eine Rückkehr in den Militärdienst. Antworten bekam er nicht. Er starb 1806, vier Jahre nach der Geburt seines Sohnes Alexandre, als gebrochener Mann – im Gegensatz zum Grafen von Monte Christo. Denn offenbar hat der spätere Schriftsteller Alexandre Dumas seinem Vater im Roman die Genugtuung verschafft, die er im wahren Leben nicht bekommen hatte.
Die neue „Graf von Monte Christo“-Verfilmung hat in Frankreich Millionen Menschen ins Kino gelockt. Die Hauptrolle des Edmond Dantès übernimmt darin der gefeierte Schauspieler Pierre Niney. Regie führten Matthieu Delaporte und Alexandre de La Patellière, die 2023 bereits das Drehbuch zur Neuverfilmung von „Die drei Musketiere“ geschrieben hatten.