Angriffe auf das Krankenhauspersonal häufen sich. Eine Dortmunder Klinik will nun auf Bodycams setzen. Unumstritten ist der Schritt nicht.
Im vergangenen September eskaliert die Gewalt im Essener Elisabeth-Krankenhaus – wieder einmal. Angehörige gehen nach dem Tod eines Patienten in der Klinik auf die Ärztin los, die ihnen die Nachricht übermittelt hat. Sie schlagen und treten die Medizinerin, verwüsten das Behandlungszimmer. Am Ende sind sechs Mitarbeitende des Krankenhauses verletzt, eine 23-Jährige muss sogar stationär behandelt werden. Der brutale Angriff ist kein Einzelfall.
Bundesweit steigt die Zahl der Angriffe auf Krankenhauspersonal
Immer wieder klagen Kliniken bundesweit über die zunehmende Gewalt. Und auch Zahlen der Polizei, die dem stern vorliegen, zeigen, dass Übergriffe auf das Personal an der Tagesordnung sind, einige Beispiele: Allein in NRW verzeichneten Krankenhäuser, Kliniken, Sanatorien und Kureinrichtungen 2023 (Daten aus dem vergangenen Jahr liegen noch nicht vor) insgesamt 1705 sogenannte Rohheitsdelikte. Damit bezeichnet die Polizei Straftaten wie Körperverletzung, Nötigung, Raub und Diebstahl.
2022 waren es im Westen noch 1571 Fälle. Auch in Hamburg ist die Zahl dieser Straftaten im Vergleich zu 2022 angestiegen: von 208 auf 242. In Berlin registrierte das Landeskriminalamt im Jahr 2023 insgesamt 342 durch Angriffe verletzter Beschäftigte in den Krankenhäusern.
Kliniken greifen zu konsequenten Maßnahmen
Im Essener-Elisabeth-Krankenhaus hat die Leitung auf die zunehmende Gewalt reagiert. „In unserem Krankenhaus gibt es Videoüberwachungen an verschiedenen ausgesuchten und dafür gekennzeichneten Orten“, teilt eine Sprecherin auf stern-Anfrage mit.
Das Klinikum in Dortmund will jetzt noch einen Schritt weiter gehen. Es ist nach eigenen Angaben das größte kommunale Krankenhaus in NRW. Auch dort ist das Personal immer wieder Ziel von Angriffen. In ganz Dortmund zählte die Polizei 2023 insgesamt 94 solcher Taten in Krankenhäusern.
Solche Fälle verhindern – das ist das Ziel von Michael Kötzing. Er ist Geschäftsführer am Klinikum Dortmund und damit für fast 5000 Mitarbeitende verantwortlich. Einen Teil von ihnen will er jetzt mit Bodycams ausstatten. Noch befinde sich das Krankenhaus in der Vorbereitungsphase. Laut Plan sollen die Bodycams in den drei Notaufnahmen Nord, Mitte und in der Kinderklinik eingesetzt werden – neben Sicherheitsdienst und Kameraüberwachung. Die Verantwortlichen versprechen sich neben einer möglichen Gewaltprävention auch eine verbesserte Beweissicherung bei Übergriffen. „Eingeschaltet werden die Kameras ausschließlich in eskalierenden und nicht in vertraulichen Situationen oder während einer medizinischen Behandlung“, teilt ein Sprecher des Krankenhauses dem stern mit.
Einsatz von Bodycams muss rechtlich geprüft werden
Wann das Projekt startet, steht noch nicht fest. Es befinde sich noch in der juristischen Prüfung, so das Klinikum. Es seien noch viele Fragen offen. Das sieht auch die Datenschutzbeauftragte von NRW so: „Eine ständige Kameraüberwachung von Notaufnahmeräumen zum vorsorglichen Schutz von Krankenhauspersonal ist nicht zulässig“, mahnt die Behörde von Bettina Gayk an. „Da sich dort Erkrankte oder Verletzte aufhalten, werden auch sensible Gesundheitsdaten aufgezeichnet.“ Damit sei die Verarbeitung nach der Datenschutz-Grundversorgung nur in einem engen Rahmen erlaubt: Der Schutz der Beschäftigten in Krankenhäusern sei ein berechtigtes Anliegen.
Dementsprechend wäre eine anlassbezogene Aufzeichnung von Vorfällen denkbar. Und zwar dann, wenn Mitarbeitende bedroht oder angegriffen werden. Sollten die Kameras eingeschaltet werde, müsse die Aufnahme „laut“ angekündigt werden, und möglicherweise Unbeteiligte verpixelt werden.
Das Dortmunder Klinikum hofft, dass allein schon die theoretische Möglichkeit der Aufzeichnung mehr Sicherheit für Pflegekräfte und Ärzte bringt. „Wir wollen testen, ob die Bodycams die gleiche deeskalierende Wirkung haben, wie sie sich bei Polizei und Ordnungsdienst der Stadt zeigt.“
Quellen: Landeskriminalämter Hamburg, Berlin, NRW; Elisabeth Krankenhaus Essen; Dortmunder Klinikum; NRW-Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit