In Sachsen wirbt Die Partei mit einem Wahlkampfspot, in dem ein Mann AfD-Wähler erschießt. Das ist nicht nur geschmacklos, das ist brandgefährlich.

In Sachsen wirbt Die Partei mit einem Wahlkampfspot, in dem ein Mann AfD-Wähler erschießt. Das ist nicht nur geschmacklos, das ist brandgefährlich.

Wenn Sie diesen Kommentar lesen, bin ich in die Falle getappt. Bin über das Stöckchen gesprungen, dass der sächsische Ableger der Satirepartei Die Partei der Öffentlichkeit hingehalten hat.

Ich tue es trotzdem. Denn der Wahlkampfspot, den Die Partei produziert hat, ist brandgefährlich. Vielleicht sogar lebensgefährlich.

Jagd auf AfD-Wähler

Es geht um den Radiospot „Die Machtergreifung“. Darin hört ein sächsisches Ehepaar im Radio die fiktive Nachricht, dass der neue AfD-Ministerpräsident vereidigt wurde. Der Mann bittet seine Frau daraufhin, die Waffe aus dem Keller zu holen. Sie weigert sich zunächst, bringt sie dann aber doch. Er schießt aus dem Fenster mit zunehmender Willkür Passanten ab, von denen er annimmt, dass sie AfD-Wähler sind. Man hört die Schreie der Opfer und seine zynischen Kommentare, bevor die Geschichte von einer Sprecherin mit den Worten aufgelöst wird: „Bevor es zu spät ist, wählen Sie Die Partei.“

Es ist nicht das erste Mal, dass Die Partei mit solchen Tabus spielt. Schon seit Jahren wirbt sie in Wahlkämpfen mit Plakaten, auf denen „Nazis töten“ und „Hier könnte ein Nazi hängen“ steht. Auch diese sorgten für Aufregung und Klagen, die von diversen Gerichten mit dem Verweis auf die Kunst- und Meinungsfreiheit abgelehnt wurden.

Gericht: Sächseln ist Satire

Ähnlich urteilte jetzt das Verwaltungsgericht Leipzig. Der MDR hatte sich geweigert, den Spot auszustrahlen und vor Gericht geltend gemacht, dieser stelle eine Aufforderung zu Straftaten und eine Störung des öffentlichen Friedens dar.

Forsa-Grafiken-Landtagswahlen 12.52

Die Richter sahen das anders. Der Spot sei eindeutig als Satire zu identifizieren. Das sächsische Oberverwaltungsgericht bestätigte das Urteil unter anderem mit dem Hinweis, die Satire sei am „übertriebenen Dialekt der Sprecher“ zu erkennen.

Das Ehepaar spricht sächsisch.

Diese Satire wurde verboten

Wer Satire diskutiert, landet sehr schnell bei dem von den Nazis verfolgten Publizisten Kurt Tucholsky. Ihm zufolge darf es für die Satire in einem Rechtsstaat keine Grenzen geben: „Was darf die Satire? Alles.“

Nur stammt diese Aussage von 1919, wurde also in einem historisch völlig anderen Kontext geschrieben. Heute wird Satire verboten, wenn sie mittels Künstlicher Intelligenz ein Deep-Fake-Video von Olaf Scholz verbreitet, was von den Zuschauern für echt gehalten werden könnte (Landgericht Berlin). Sie wird verboten, wenn sie als Schmähgedicht eines TV-Satirikers mit „ehrverletzenden“ Äußerungen über einen ausländischen Staatschef daherkommt (Landgericht Hamburg im Fall Jan Böhmermann versus Erdoğan).

Warum wird sie nicht auch dann verboten, wenn sie Gewalt verherrlicht und nicht auszuschließen ist, dass sie Menschenleben in Gefahr bringen könnte?

Wie im Fall des Radiospots von Die Partei. Denn anders als etwa bei blasphemischen Parodien geht es hier nicht darum, etwas auszuhalten, was gegen religiöse Gefühle oder gesellschaftliche Konventionen verstößt. Der Spot verschiebt vielmehr eine andere heikle Grenze. Ein realer und ernster Vorgang (Landtagswahlen) wird benutzt, um zu physischer Gewalt gegen Menschen aufzurufen. Im Vertrauen darauf, dass die Rezipienten das schon so eingeordnen werden, wie es gemeint ist: satirisch. 

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Doch wie will Die Partei verhindern, dass sich nicht irgendeiner ihrer Anhänger durch den Spot ermutigt fühlt, seine Abneigung gegen AfD-Wähler gewalttätig zum Ausdruck zu bringen? Wo doch der Spot dies zu legitimieren scheint?

Natürlich ist das der Spaßpartei und ihren Repräsentanten egal. Gründer Martin Sonneborn hat unter dem Deckmantel der Provokation schon öfter seinen Hang zur Menschenverachtung zur Schau gestellt, etwa als er den CDU-Europa-Abgeordneten Dennis Radtke in bester Schulhofmobber-Manier in Anspielung auf dessen Nachnamen öffentlich „Ratte“ nannte oder als er 2019 die Liste seiner Europa-Kandidaten mit Leuten füllte, die Namensähnlichkeiten mit Nazi-Größen (Göbbels/Speer) hatte. 

Nicht egal sollte ihm und seinen Mitstreitern sein, dass sie mit ihrem Wahlkampfspot jenen das Bett machen, gegen die sie doch angeblich kämpfen: den AfD-Wählern. Die hetzten in den sozialen Netzwerken schon fleißig gegen den MDR, weil er den Spot ausstrahlte. 

Jeder dritte AfD-Wähler rechtfertigt Gewalt gegen Politiker

Eine neue Umfrage des „Tagesspiegel“ hat ergeben, dass mehr als jeder dritte AfD-Wähler Gewalt gegen Politiker rechtfertigt. Nicht wenige von ihnen dürften den Spot als Vorlage nutzen, um sich selbst als Opfer zu inszenieren und damit Szenarien potenzieller Gegenwehr zu legitmieren.  

Gute Satire entlarvt Strukturen. Und sie beißt nach oben. Sonneborn hat das mal gekonnt. Etwa, als er als Hitler-Attentäter verkleidet bei einer Buchvorlesung von Björn Höcke aufkreuzte. Oder als er den designierten EU-Digitalkommissar Günther Oettinger mit Fragen zu dessen politischen Vergangenheit „grillte“

Doch schon längst ist dies dem Eindruck gewichen, dass es ihm und seinen Mitstreitern nur noch darum geht, sich selbst zu feiern und Aufmerksamkeit zu erregen. 

In den Landtag wird es Die Partei nicht schaffen, bei der letzten Wahl in Sachsen landete sie bei 1,6 Prozent. Bleiben wird von ihr nichts als der Schaden, den sie mit verantwortungslosen Aktionen wie dieser anrichtet.