Der Bundesfinanzhof (BFH) in München hält die Zinsen nach einem ausgesetzten Vollzug von Steuerbescheiden für verfassungswidrig hoch. Mit einem am Donnerstag veröffentlichten Beschluss legte er daher dem Bundesverfassungsgericht einen entsprechenden Streitfall vor. 2021 hatten die Karlsruher Richter den früher gleichen Zinssatz von sechs Prozent auf Steuernachzahlungen für verfassungswidrig erklärt. (Az.: VIII R 9/23)
Wenn Steuerpflichtige mit einem Steuerbescheid nicht einverstanden sind und vor Gericht ziehen, müssen sie üblicherweise die streitigen Steuern trotzdem zunächst zahlen. Auf Antrag kann ein Finanzgericht den Vollzug des Steuerbescheids aber aussetzen. Unterliegt der Steuerpflichtige dann im Hauptverfahren, muss er neben dem ausgesetzten Betrag 0,5 Prozent „Aussetzungszinsen“ pro Monat bezahlen. Das entspricht einem Zinssatz von sechs Prozent pro Jahr.
Im konkreten Fall waren für das Jahr 2012 Steuern und Solidaritätszuschlag in Höhe von zusammen 23.950 Euro umstritten und das Finanzgericht Münster setzte die Vollziehung in dieser Höhe aus. Das Hauptverfahren zog sich sechseinhalb Jahre hin, bis der Kläger den Streit verlor. Neben dem streitigen Betrag sollte er nun noch Aussetzungszinsen für 78 Monate zahlen, konkret 8814 Euro.
Gegen diese Zinsen klagte der Steuerpflichtige erneut. Hintergrund ist ein Beschluss des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2021 zu den Zinsen auf Steuernachzahlungen. Diese lagen früher ebenfalls bei 0,5 Prozent je Monat, also sechs Prozent im Jahr. Das Bundesverfassungsgericht hatte dies als „evident realitätsfern“ verworfen. Die Nachzahlungszinsen wurden daraufhin rückwirkend ab dem Steuerjahr 2019 auf 0,15 Prozent pro Monat gesenkt, also auf 1,8 Prozent pro Jahr.
Der BFH ist nun der Ansicht, dass auch der Aussetzungszins insbesondere während der langjährigen Niedrigzinsphase unangemessen hoch war. Zudem bestehe nun seit 2019 eine Ungleichbehandlung gegenüber den Nachzahlungszinsen. „Auch diese Zinssatzspreizung ist verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt“, betonten die obersten Finanzrichter. Den Streit legten sie daher dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vor.