In Sachsen-Anhalt steigen die geschätzten Zahlen der Neuinfektionen stark an. Der Landesverband der regionalen Aids-Hilfen hat eine Erklärung dafür.
Der Landesverband der regionalen Aids-Hilfen in Sachsen-Anhalt sieht im zuletzt starken Anstieg von HIV-Neudiagnosen keinen Grund zu großer Besorgnis. Stattdessen geht Sven Warminsky, Landesgeschäftsführer der Aids-Hilfe Sachsen-Anhalt, von einem „Nachholeffekt“ der Covid-Pandemie aus. Damals habe es wenig Testmöglichkeiten gegeben, erklärte er auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur anlässlich des Welt-Aids-Tages am 1. Dezember.
Laut Schätzungen des Robert Koch-Instituts (RKI) haben im vergangenen Jahr 99 Menschen den Befund erhalten. Im Jahr zuvor waren es demnach 56. Damit gehöre Sachsen-Anhalt zu den Bundesländern mit dem höchsten Anstieg.
Es sei nicht ungewöhnlich, dass die „bisher geringeren Schätzzahlen aus der Covid-Pandemie“ nach oben korrigiert werden mussten, sagte Warminsky. Während der Pandemie seien die Aids-Hilfen oft die einzigen Anbieter für Testungen des HI-Virus und anderer sexuell übertragbarer Krankheiten gewesen, weil die Gesundheitsämter in Sachsen-Anhalt weitgehend geschlossen blieben. Erst in den kommenden zwei Jahren sei abschätzbar, ob es sich um einen „Nachholeffekt“ handele oder sich die Zahlen tatsächlich erhöhen.
Auf kulturelle Zielgruppen abgestimmte Hilfe
Neudiagnosen gab es bei Menschen unterschiedlicher sexueller Orientierung wie auch bei Drogensüchtigen. Laut RKI, das die Herkunftsländer der Betroffenen erfasst, stammen mehr als die Hälfte der Menschen mit HIV-Neudiagnose nicht aus Deutschland. „Die Betreuungsbedarfe bei Menschen aus dem Ausland sind enorm“, sagte der Landesgeschäftsführer der Aids-Hilfe.
Dabei gehe es nicht nur um die Sicherstellung der medizinischen Versorgung, sondern auch um die Bewältigung psychosozialer Folgen. In den vergangenen Jahren seien es vorwiegend HIV-positive Menschen aus der Ukraine gewesen. Das sozialpädagogische Begleitungs- und Betreuungsprogramm der Aids-Hilfe wird laut Warminsky immer auf die kulturelle Zielgruppe abgestimmt. Komplizierter sei die Organisation der Selbsthilfe.
Das Humane Immunschwächevirus (HIV) ist die Ursache für die Immunschwächekrankheit Aids. Laut RKI führt das Virus über Jahre zu keinen auffälligen Beschwerden, weshalb die Diagnose in der Regel später als die Infektion passiert. Eine HIV-Infektion ist zwar bis heute nicht heilbar, die Viren lassen sich aber medikamentös in Schach halten. Werden die Medikamente streng eingenommen, so könnten Betroffene mit einer annähernd normalen Lebenserwartung rechnen, schreibt der Verband forschender Arzneimittelhersteller.