Offen sein für alle Kinder, Bildungsangebote für Kinder mit und ohne Behinderung schaffen - das bedeutet Inklusion in Kindertageseinrichtungen. Doch wie erfüllen die Einrichtungen diesen Anspruch?

Offen sein für alle Kinder, Bildungsangebote für Kinder mit und ohne Behinderung schaffen – das bedeutet Inklusion in Kindertageseinrichtungen. Doch wie erfüllen die Einrichtungen diesen Anspruch?

In ihre früheren Kitas sind Ayman und Adam nicht gerne gegangen. Ihre Söhne hätten morgens geweint, berichten die Mütter Muhin Abdi und Abeer Dalb. Die beiden Sechsjährigen mit Mehrfachbeeinträchtigungen seien überfordert gewesen und hätten sich in den großen Gruppen der Kitas nicht wohlgefühlt. „Jetzt freut sich mein Sohn jeden Morgen und möchte am liebsten gar nicht wieder nach Hause“, sagt Dalb. Ayman und Adam besuchen seit einem Jahr die Kita Nordshausen in Kassel und sind dort Teil einer inklusiven Kleingruppe.

Das Angebot „Inklusive Kleingruppe“ (Klik) ermögliche den beiden Teilhabe, aber auch Ruhe, wenn sie gebraucht werde, erklärt die Leiterin der städtischen Kita, Jutta Gregorz. „Sie haben eine Eins-zu-Eins-Betreuung und können mit ihren pädagogischen Fachkräften entsprechend ihrer individuellen Vorlieben und Wünsche an den Angeboten der Regelgruppe teilnehmen. Wenn es zu viel wird, können sie sich in die Kleingruppe zurückziehen. So werden schlechte Erfahrungen verhindert.“ 

Auf Bedürfnisse der Kinder ausgerichtet

Der Gruppe, in der neben Ayman und Adam aktuell noch drei weitere Kinder betreut werden, stehen Räume zur Verfügung, die den Bedürfnissen der Kinder entsprechend eingerichtet sind. Ergänzend dazu nutzen sie auch die Räume der anderen Gruppen. Maximal acht Kinder aus der Altersgruppe Dreijährige bis zur Einschulung können derzeit in die „Klik-Gruppe“ aufgenommen werden. Ein Auswahlgremium, bestehend aus Vertretern der Kita, des Amtes Kindertagesbetreuung, des Gesundheitsamtes und des Sozialamtes entscheiden über die Aufnahme. 

„Zielgruppen sind Kinder mit Störungen aus dem Autismus-Spektrum, mit desorganisiertem Bindungsmuster oder Bindungsstörung, mit Mehrfachbeeinträchtigungen und Verhaltensauffälligkeiten“, sagt Monika Stier, stellvertretende Amtsleiterin der Kindertagesbetreuung Kassel. „Eingerichtet haben wir diese Kleingruppe, um für Kinder mit besonderen Bedarfen einen geschützten Raum zu schaffen.“ 

Das Kind nicht ins System pressen

„Wir nehmen die reguläre Kita-Inklusion weiterhin sehr ernst, und sie funktioniert auch oft. Aber einige Kinder schaffen es nicht“, erläutert Stier. „Wir wollen allen Kindern die Möglichkeit zu Bildung und Teilhabe geben.“ Gäbe es das Angebot der inklusiven Kleingruppe in Kassel nicht, wären die Kinder sonst oftmals ohne Betreuung, weil keine Einrichtung bereit sei, sie aufzunehmen. „Unser oberstes Ziel ist, dem Kind zu folgen. Nicht die Kinder sollen sich an das System anpassen müssen, sondern das System sich an die Kinder.“ 

Es gebe Kinder, die mit 20 weiteren Kindern in einer Gruppe nicht zurechtkämen, sagt auch Kassels Bürgermeisterin und Jugenddezernentin Nicole Maisch (Grüne). „Unser Anspruch ist, dass wirklich alle Kinder in Kassel in eine Kita gehen können, gemeinsam leben, spielen und lernen können, unabhängig von individuellen Fähigkeiten und sozialer oder kultureller Zugehörigkeit.“ Dabei sollten Ausgrenzungserfahrungen minimiert werden. Zudem wolle man auch die Eltern entlasten. Sie hätten ihre Kinder früher nicht selten schon nach einer Stunde wieder aus der Kita holen müssen.

Kinder lernen Gebärdensprache

Auch in anderen hessischen Kitas gibt es spezielle Inklusionskonzepte. In der Kulturkita Grüne Soße in Frankfurt etwa, die in der Regel zwei bis drei Kinder mit Inklusionsbedarf betreut, lernen die Kinder spielerisch Gebärdensprache. „Wir vermitteln 400 bis 500 Wörter, die im Alltag wichtig sind“, sagt Teamleiterin Simona Trolio. Im wöchentlichen Wechsel stellten die Kinder diese vor. Das käme gut an: „Die Kinder haben großes Interesse an der Gebärdensprache.“

Dabei kommen auch die Daumenkinos „Talking Hands“ der Frankfurter Kommunikationsdesignerinnen Maria Möller und Laura Mohn zum Einsatz. Sie sollen Kindern mit und ohne Behinderung erleichtern, die Gebärden-unterstützte Kommunikation (GuK) zu lernen. Dabei werden nicht alle gesprochenen Wörter gebärdet, sondern nur die bedeutungstragenden. Dieser begleitende Einsatz von Gebärden soll die Verständigung erleichtern. Das Sprechen soll dabei nicht ersetzt, sondern lediglich unterstützt werden.

Mobiler Inklusionsdienst unterstützt Kitas

In Wiesbaden unterstützt Känguru Mobil Kindertagesstätten inklusiv. Der mobile Dienst verfügt über einen Pool von Fachkräften, die in Kitas eingesetzt werden. „Wir unterstützen Kindertagesstätten mit einem Team aus rund 45 pädagogischen und therapeutischen Fachkräften in der Betreuung und Förderung beeinträchtigter Kinder“, sagt der Leiter des mobilen Inklusionsdienstes, Johannes Schulz. Dabei handle es sich um ein multiprofessionelles Team mit Sozialassistentinnen, Erzieherinnen und Ergotherapeutinnen bis hin zu Sozial- und Sonderpädagoginnen. 

Voraussetzung für die kostenlose Inanspruchnahme der Leistungen ist die Beauftragung durch die Stadt Wiesbaden. Die Nachfrage sei hoch. „Die Zahl der Kinder mit besonderen Bedarfen ist in den vergangenen Jahren gestiegen. Viele Kinder sind von Ausschluss oder eingeschränktem Kitabesuch bedroht, weil Personal fehlt“, berichtet Schulz. Der Fachkräftemangel schlage dabei stark durch. „Wir haben sehr lange Wartezeiten.“