So groß ist das Medieninteresse am Amtsgericht Pforzheim selten: Erstmals wird dort wegen einer vom Verfassungsschutz beobachteten Baptistenkirche verhandelt. Der Anwalt sieht grundsätzliche Fragen.

So groß ist das Medieninteresse am Amtsgericht Pforzheim selten: Erstmals wird dort wegen einer vom Verfassungsschutz beobachteten Baptistenkirche verhandelt. Der Anwalt sieht grundsätzliche Fragen.

Der erste Prozess um die vom Verfassungsschutz beobachtete selbst ernannte „Baptistenkirche Zuverlässiges Wort Pforzheim“ (BKZW) könnte zur Geduldsprobe werden. Der Anwalt eines wegen Volksverhetzung verfolgten mutmaßlichen Predigers warf zum Auftakt am Amtsgericht grundsätzliche Fragen auf. 

Im Kern geht es dabei darum, dass die Staatsanwaltschaft einige im Internet verbreitete Aussagen als homosexuellen-feindlich einstuft. Hingegen sind diese aus Sicht des Verteidigers von der im Grundgesetz verankerten Freiheit zu Religionsausübung gedeckt.

Das Gericht setzte einen weiteren Verhandlungstermin am 5. Dezember an, bei dem unter anderem ein Video der umstrittenen Predigt angeschaut werden soll. Der Anwalt hält aber darüber hinaus einen Sachverständigen für nötig, der bei der Auslegung der Aussagen und die Frage der Religionsfreiheit helfen soll. 

Insofern könnten weitere Termine nötig werden. Auf ein Angebot des Staatsanwalts, über die Strafe zu verhandeln, entgegnete er: „Es ist eine Frage des Prinzips, die wir hier behandeln, und nicht eine Frage des Geldes.“

Öffentlicher Frieden in Gefahr?

Hintergrund des Verfahrens ist ein Strafbefehl, den der 32-jährige Angeklagte nicht akzeptiert. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 80 Euro beantragt. Damit wäre der Mann, der nicht zur Verhandlung kam, vorbestraft. 

Der Staatsanwalt sagte vor Gericht, die Rede des Angeklagten sei im Juni 2023 live ins Internet übertragen worden und eine Aufzeichnung anschließend abrufbar gewesen. Darin stelle der Mann das Existenzrecht Homosexueller als gleichwertige Mitmenschen in Abrede. Eine Aussage sei als Aufruf zu verstehen, Homosexuelle zu töten. Die Zahl der Zuschauer im Netz sei nicht zu begrenzen. Daher sei dies geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören.

Aus Sicht des Verteidigers sind einige der beanstandeten Zitate aus dem Zusammenhang gerissen. Daher sei die Bewertung eines Experten wichtig. Vor Mitgliedern der Gemeinschaft gehöre es zur Persönlichkeitsentfaltung, seine Gedanken teilen zu können. Der Strafbefehl gehe nicht darauf ein, wer das Video hochgeladen habe, und sei daher unwirksam.

Abwertung von Homosexuellen und Demokratiefeindlichkeit

Das Landesamt für Verfassungsschutz führt die BKZW seit 2023 als Beobachtungsobjekt im Phänomenbereich „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“. Ihr ideologischer Fokus liegt laut Verfassungsschutzbericht auf der massiven Abwertung von Homosexuellen, die unverhohlen in öffentlich frei zugänglichen Reden gepredigt wird.

Außerdem lehne die BKZW demokratische Willensbildung und Entscheidungsfindung grundsätzlich ab. Sie stelle Entscheidungen demokratisch legitimierter Personen infrage und delegitimiere staatliches Handeln. In einigen Predigten seien auch antisemitische und verschwörungsideologische Elemente enthalten.

Nicht der einzige Fall

Die BKZW nutzt nach Kenntnissen des Verfassungsschutzes im Land ausschließlich die Räumlichkeiten in Pforzheim. „Dieser Standort dient der aktiven Anhängerschaft als Anlaufstelle – unabhängig vom Wohnort“, erklärte ein Sprecher. 

Die Behörde rechnet der Gruppierung derzeit eine niedrige zweistellige Personenzahl zu, von denen Einzelne auch als Prediger aktiv seien. „Über ihre Onlineauftritte erreicht die „Baptistenkirche“ allerdings eine weitaus größere Zahl an Personen und verbreitet ihre extremistischen Inhalte somit auch über den genannten Kreis der Mitglieder hinaus.“

Die Staatsanwaltschaft ermittelt einem Sprecher zufolge nach wie vor noch gegen einen weiteren Beschuldigten wegen Volksverhetzung in mehreren Fällen sowie der Billigung von Straftaten. In diesem Zusammenhang hätten Einsatzkräfte im Januar die Kirchenräumlichkeiten in Pforzheim und eine Privatwohnung in Leipzig durchsucht.