Das Bistum Essen hat eine große Studie in Auftrag gegeben, um die Vorwürfe gegen den 1991 gestorbenen Bistumsgründer Hengsbach aufzuarbeiten. Dabei geht es auch um die katholische Kirche insgesamt.

Das Bistum Essen hat eine große Studie in Auftrag gegeben, um die Vorwürfe gegen den 1991 gestorbenen Bistumsgründer Hengsbach aufzuarbeiten. Dabei geht es auch um die katholische Kirche insgesamt.

Gegen den früheren Essener Kardinal Franz Hengsbach (1910-1991) sind seit Bekanntwerden der Missbrauchsvorwürfe gegen ihn im vergangenen Jahr sieben weitere Hinweise auf sexualisierte Gewalt bekanntgeworden. Das sagte der Essener Generalvikar Klaus Pfeffer in einer Pressekonferenz. Die Vorwürfe sollen jetzt in einer großen wissenschaftlichen Studie untersucht werden. 

Kosten liegen bei 785.000 Euro

Die daran beteiligten Wissenschaftler appellierten an Menschen, die von sexualisierter Gewalt oder missbräuchlichem Verhalten Hengsbachs betroffen waren, sich zu melden. Aber auch Menschen, die positive Erfahrungen mit ihm gemacht hätten, seien aufgerufen, diese beizusteuern. Die Erarbeitung der Studie soll drei Jahre dauern, in einem Jahr soll ein Zwischenergebnis vorgelegt werden. Die Kosten belaufen sich den Angaben zufolge auf etwa 785.000 Euro. Sie werden vom Bistum Essen und anderen katholischen Institutionen getragen.

Pfeffer sagte, Hengsbach sei bei seinem Tod zu einem „Ruhrgebietshelden“ stilisiert worden. „Deshalb halte ich eine solche Untersuchung für so enorm wichtig, um auch darauf aufmerksam zu machen, wohin es in der katholischen Kirchen führt, wenn wir ein so massiv überzogenes Amtsverständnis haben“, so Pfeffer. Dabei gehe es nicht nur um die Person Hengsbach, sondern auch um die systemischen Hintergründe von Machtmissbrauch in der katholischen Kirche. „Fürs Bistum Essen ist uns sehr bewusst, dass wir uns da wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert haben“, sagte Pfeffer. 

Die Kirchen wurden zum Gewissen der Bundesrepublik stilisiert

Der Hamburger Historiker Thomas Großbölting sagte, nach seinem Eindruck existierten in Deutschland nach wie vor zwei Erzählungen von der katholischen und evangelischen Kirche nebeneinander: „Da haben wir auf der einen Seite die vielen Aufdeckungen im Rahmen von Missbrauchsstudien und auf der anderen Seite die übliche kirchenhistorische Erzählung als Orientierungspunkt in den 40er Jahren nach dem Kriegsende, als große karitative diakonische Einrichtung, als das Gewissen der Bundesrepublik und so weiter und sofort. Und es wird eine Aufgabe sein, diese beiden Punkte, diese beiden Erzählweisen irgendwie miteinander zu verschränken.“ 

Die Biografie Hengsbachs sei dafür besonders geeignet, denn in ihr seien beide Aspekte enthalten. „Der Bruder Franz auf der einen Seite, der mit den Kumpels in den Schacht fährt, und der gleichzeitig aber auch genau durch diese Kontexte in die Lage versetzt wird, (…) sexualisierte Gewalt auszuüben.“

Im vergangenen Jahr hatte das Bistum Essen mitgeteilt, es bestehe der gravierende Verdacht, dass Hengsbach in seiner Zeit als Weihbischof in Paderborn in den 1950er Jahren eine 16-Jährige sexuell missbraucht habe. Außerdem beschuldigt eine Frau Hengsbach eines weiteren Übergriffs im Jahr 1967 in seiner Essener Zeit als Bischof. 

Hengsbach war der Gründer des Ruhrbistums Essen und genoss weit über die Kirche hinaus hohes Ansehen. Er habe zeitlebens auf einem Sockel gestanden, hatte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, im vergangenen Jahr gesagt. „Das sind Generationen von Menschen, die dort geprägt wurden und dann enttäuscht werden durch ein verbrecherisches Verhalten eines solchen Bischofs.“