Thomas Gottschalk trifft mal wieder ein Shitstorm. "Wieso wird der überhaupt noch interviewt?", fragen viele. Dabei brauchen wir gerade bei Gottschalk die Konfrontation.

Thomas Gottschalk trifft mal wieder ein Shitstorm. „Wieso wird der überhaupt noch interviewt?“, fragen viele. Dabei brauchen wir gerade bei Gottschalk die Konfrontation.

Ach, was war das würdelos, als Thomas Gottschalk in der letzten „Wetten, dass..?“-Sendung verbittert zeternd auf einer Baggerschaufel aus dem Saal gefahren wurde. Im Fernsehen könne er ja nicht mehr so sprechen wie zu Hause, schimpfte der Moderator. Zuvor hatte er Shirin David attestiert, dass er ihr die Feministin nicht ansehe und es geschafft, ein Kind im Rollstuhl unsensibel zu behandeln. Das war im November 2023. Viel Zeit ist seither vergangen – die Gottschalk jedoch nicht zur Reflexion nutzte. Das machen die aktuellen Schlagzeilen deutlich. 

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Kurze Zusammenfassung: Beim „Spiegel“ beschwerte sich Gottschalk unter anderem darüber, dass er sich aus Angst vor #MeToo-Vorwürfen nicht mehr mit einer Frau alleine in einen Aufzug traue und behauptete, weibliche Gäste im TV „rein dienstlich“ angefasst zu haben. In der WDR-Sendung „Kölner Treff“ lamentierte er, dass er heute erstmal nachdenken müsse, bevor er etwas sage: „Das ist schlimm.“ Vor allem am sehr konfrontativen „Spiegel“-Interview war gut ablesbar, wie sehr Gottschalk in alten Strukturen verharrt.

Thomas Gottschalk ist nicht irgendein früherer TV-Star

Die Aussagen schlugen hohe Wellen und das ist gut so – auch wenn im Netz an vielen Stellen die Relevanz des Ganzen infrage gestellt und moniert wurde, dass Gottschalk überhaupt eine Bühne geboten bekommt. So kommentierte etwa der Medienkritiker Stefan Niggemeier auf „X“: „Die Interviewer haben meist recht, aber warum soll man ihm die ganze Zeit Vorwürfe machen? Das ist doch nur ein früherer TV-Star.“ Doch so einfach ist es nicht.

Wetten Dass Letzte Show Fotostrecke

Gottschalk ist nicht irgendein früherer TV-Star, sondern hat mit „Wetten, dass..?“ ein Format geprägt, das zu Hochzeiten über 20 Millionen Menschen vor den Bildschirmen erreichte. Jahrzehntelang hatte er damit eine öffentliche Plattform, die es in der Größenordnung in Deutschland sonst schlicht nicht gab. Kaum ein Kind, das in den 90ern nicht regelmäßig die Samstagabende mit ihm verbracht hat – und zugesehen hat, wie er unwidersprochen etwa Jenny Elvers und Ariane Sommer als „Luder“ vorstellte, Iris Berben herablassend das Knie tätschelte oder für eine Saalwette zum Blackfacing aufrief. Gottschalk hatte Einfluss auf eine ganze Generation. Und wenn diese Generation nun zurückblickt und sich fragt, was damals eigentlich los war, dann sind Konfrontationen nicht nur legitim, sondern schlicht notwendig, um Aufarbeitung zu leisten. 

Die Macht von Popkultur wird oft unterschätzt

Dass Gottschalk das Ganze so gar nicht verstehen mag, mutet als unverwüstliche Zurschaustellung des absurden Zeitgeists von damals beinahe hilfreich an. So denkt eben einer, der damals die Macht hatte. Gottschalk ist deshalb auch ein anderer Fall als etwa Jan Josef Liefers, der mit ähnlichem Tenor momentan durch die Medien geistert. Hier braucht es wirklich keine unnötige Plattform für altmodische Phrasen. Doch man kann gar nicht oft genug darauf hinweisen, wie frauenfeindlich, klassistisch („Bierdosen sind Hartz-IV-Stelzen“), rassistisch oder schlicht übergriffig Gottschalks Verhalten oftmals war. Gerade weil es damals so selbstverständlich und damit prägend war. Die Macht von Popkultur wird oft unterschätzt, doch ein Unterhaltungsformat wie „Wetten, dass..?“ spiegelt und zementiert zugleich den Zeitgeist. Ohne ein Erinnern daran kann es keine Veränderung geben. 

Dass ein stillschweigendes Hinnehmen und Vergessen nicht reicht, ist auch am Schreckens-Comeback von Stefan Raab mit Witzen aus den Nullerjahren ersichtlich oder daran, dass Gottschalk durchaus auch Zuspruch bekommt. Wir brauchen das öffentliche Hinterfragen und die Konfrontation, weil viel zu oft noch so getan wird, als sei das alles kein Problem. Beim „Kölner Treff“ war es die Schauspielerin Natalia Wörner, die klare Worte an Gottschalk und das Publikum richtete. „Es geht ja einfach nur darum, ob man bereit ist, sich mal selber kritisch zu hinterfragen“, fasste sie den Kern zusammen.

Thomas Gottschalk tut das nicht. Er hat sicherlich recht, wenn er sagt, dass sein Verhalten früher zur Show und seiner Moderatorenrolle dazugehörte. Das war die vorherrschende, traurige Vorstellung von Unterhaltung damals. Dass er jedoch nicht versteht, was daran falsch war, ist unverzeihlich. Thomas Gottschalk hat nichts dazugelernt. Aber das Publikum hoffentlich.