"Ku'damm 56" zeichnet ein opulentes Bild vom restaurativen Klima im Deutschland der Adenauer-Jahre – und der befreienden Kraft des Rock 'n' Roll. 3Sat wiederholt den Dreiteiler.

„Ku’damm 56“ zeichnet ein opulentes Bild vom restaurativen Klima im Deutschland der Adenauer-Jahre – und der befreienden Kraft des Rock ’n‘ Roll. 3Sat wiederholt den Dreiteiler.

Eine alte Drehbuchweisheit lautet: Prügel deinen Helden – und leg dann noch eine Schippe drauf. In dem erstmals 2016 ausgestrahlten Dreiteiler „Ku’damm 56“ wurde dieses Prinzip bis an die Extreme ausgereizt: Zu Beginn hat die junge Monika Schöllack (Sonja Gerhardt) den Tiefpunkt ihres Lebens erreicht. Sie ist wegen „ungebührlichen Benehmens“ von der Hauswirtschaftsschule geflogen. Um der Schande zu entgehen, will sie sich vor die U-Bahn stürzen – und wird im letzten Moment davon abgehalten. Von nun an geht’s bergab: Ihre Mutter erklärt sie für nutzlos, ein schnöseliger Industriellen-Sohn vergewaltigt sie, wofür ihr die Mutter die Schuld gibt.

Im Deutschland des Jahres 1956 hat eine Frau vor allem eine gute Hausfrau zu sein. Genau das ist auch der Plan, den die gefühlskalte Caterina Schöllack (Claudia Michelsen) für ihre Tochter Monika geschmiedet hat: erst Hauswirtschaftsschule, dann heiraten. Das mit der Hauswirtschaftsschule hat schon mal nicht geklappt, und auch sonst scheint sie nur schwer vermittelbar. Sonja Gerhardt legt ihre Monika Schöllack als eine Art 50er-Jahre-Version von Lisa Plenske an: Mit klobiger Brille, tantenhafter Kleidung und verschüchterter Miene schafft sie es, die Sexiness ihrer Figur lange zu verbergen. Die tritt erst zum Vorschein, als Monika ihre eigentliche Leidenschaft entdeckt: den Rock ’n‘ Roll, dessen emanzipatives Potenzial sie intuitiv begreift, das restaurative Klima der Adenauer-Ära abzuschütteln.

„Ku’damm 56“ lädt auf eine Zeitreise ein

Darunter leiden auch Monikas Schwestern: Helga (Maria Ehrich) gibt sich redliche Mühe, ihrem Mann Wolfgang von Boost (August Wittgenstein) eine gute Haus- und Ehefrau zu sein, doch die Liebe bleibt unerfüllt. Denn ihr Ehemann fühlt sich zu Männern hingezogen. Krankenschwester Eva Schöllack (Emilia Schüle) hofft hingegen darauf, dass ihr der gesetzte Chefarzt Dr. Jürgen Fassbender (Heino Ferch) einen Antrag macht. Doch dann kommt der Mann einer Patientin dazwischen.

In dem ZDF-Dreiteiler „Ku’damm 56“ suchen die Schwestern Monika (Sonja Gerhardt), Helga (Maria Ehrich) und Eva Schöllack (Emilia Schüle, v.l.) ihr Glück im Deutschland der Adenauer-Jahre
© Jörg CarstensenAnhand der drei Schöllack-Töchter und ihrer Mutter spannt „Ku’damm 56“ ein breites Panorama, um die Zuschauer zurück in die 50er Jahre zu versetzen. Autorin Annette Hess, die schon die großartige ARD-Serie „Weissensee“ geschaffen hat, packt in diesen Dreiteiler so viele Themen, dass er daran beinahe zu zerbersten droht. Es geht um Nationalsozialismus und Verdrängung. Die deutsch-deutsche Teilung. Um die Enteignung jüdischer Firmen und Geschäfte. Das Schicksal von Kriegsheimkehrern. Die Rolle der Frau in den Jahren der Restauration. Die Schwäche der Männer, die daran scheitern, die Rollenerwartungen zu erfüllen. Und die befreiende Kraft des Rock ’n‘ Roll. 

Viele Liebes-Dreiecke statt einer Dreiecksgeschichte

Um die Gefahr des Akademischen zu vermeiden, werden all diese Themen in Beziehungsgeschichten verpackt. Das bei zahllosen Teamworx-Eventmovies wie „Dresden“ oder „Die Luftbrücke“ angewandte Modell – eine Frau zwischen zwei Männern  – wird hier allerdings verfeinert und in multiple Liebes-Dreiecke aufgelöst, in die fast alle weiblichen Figuren verstrickt sind.

d83 17.13Tatsächlich ist es auf diese Weise gelungen, der Masse an historischen Topoi und Stimmungen Herr zu werden und eine unterhaltsame Geschichte zu erzählen, die manche Löcher in der Handlung und Unglaubwürdigkeiten der Charaktere überdeckt. Bisweilen sind die Bilder allerdings zu sehr auf Hochglanz poliert, erstarren in ihrer Retro-Vintage-Ästhetik. Es ist von allem ein bisschen zu viel. Die Farben zu bonbonbunt, die Cadillacs zu glänzend, die Frisuren zu perfekt betoniert. 

Trotz allem ist „Ku’damm 56“ ein sehenswertes Stück Fernsehen, das den Horizont weitet und auch geschichtliche Epochen jenseits der dunklen Hitler-Jahre in Angriff nimmt. 

„Ku’damm 56“ wurde erstmals 2016 ausgestrahlt. 3Sat sendet die drei Teile am Freitag, 4. Oktober, ab 20.15 Uhr direkt hintereinander