Die tödliche Attacke auf einen Mann bei einer Kirmes hat im August 2023 für Schlagzeilen gesorgt. Mutmaßlicher Täter ist ein US-Soldat. Was die Eltern des Opfers vom gestarteten Prozess erwarten.

Die tödliche Attacke auf einen Mann bei einer Kirmes hat im August 2023 für Schlagzeilen gesorgt. Mutmaßlicher Täter ist ein US-Soldat. Was die Eltern des Opfers vom gestarteten Prozess erwarten.

Gut ein Jahr nach einer tödlichen Messerattacke auf einer Kirmes in Wittlich muss sich ein US-Soldat auf der Air Base Spangdahlem in der Eifel vor einem Militärgericht verantworten. Er soll im Streit einen 28-Jährigen mit einem Messer getötet haben. Der Grund für die Auseinandersetzung im August 2023 auf der traditionellen Säubrennerkirmes ist unbekannt. 

Die Strafverfolgung wurde gemäß einem Zusatzabkommen zum Nato-Truppenstatut von den deutschen Behörden an die US-Militärjustiz abgegeben. Der angeklagte 26-Jährige soll mit anderen Soldaten das Volksfest besucht haben.

Vieles ist anders in dem US-Militärprozess

Zum Prozessauftakt ging es um verfahrenstechnische Dinge wie der Dokumentation von Beweisen, der Anhörung von Anträgen und dann der Auswahl von Geschworenen. Denn der Angeklagte, der in Uniform erschien, erklärte, er wolle von einer Jury verurteilt werden.

Erst an einem der nächsten Tage stehen Eröffnungsplädoyers an, in denen die Parteien auf schuldig oder nicht schuldig plädieren. Im Anschluss startet die Beweisaufnahme, Zeugen werden gehört. Der Prozess ist bis zum 11. Oktober terminiert.

Dem Soldaten droht bei einem Schuldspruch lebenslange Haft. Zudem werde er dann unehrenhaft aus dem Militär entlassen, hieß es. Der Mann war auf dem Militärflugplatz am Boden für die Wartung von Flugzeugen sowie für den Transport von Personen und Fracht zuständig. 

Eltern des Opfers wollen „Gerechtigkeit“

Für die Eltern des getöteten 28-Jährigen ist es ein schwerer Gang. Sie sind zum Prozessauftakt gekommen – und wollen nach Angaben ihres Anwaltes, Rudolf Hübner, voraussichtlich das Verfahren komplett begleiten. „Sie haben den Wunsch, zu erfahren, was genau passiert ist und warum es passiert ist“, sagte er. Der Prozess sei für sie „insgesamt eine hochemotionale Situation“.

Aber sie wollen verstehen: „Wie konnte es überhaupt dazu kommen, dass mein Kind getötet wird, ohne dass man überhaupt den Ansatz eines vernünftigen Anlasses erkennen kann?“. Sie hoffen auf „Gerechtigkeit“, ohne dass sie damit eine konkrete Strafe verbinden würden, sagte der Hamburger Jurist vor dem Prozessbeginn der Deutschen Presse-Agentur.

Der Grund für den Streit, der zu dem tödlichen Messerangriff geführt haben soll, ist unbekannt. Insgesamt soll sich das Ganze sehr schnell abgespielt haben. Der 28-Jährige, der in einer von ihm gegründeten Sicherheitsfirma arbeitete, war zur Tatzeit privat unterwegs und vermutlich auf dem Heimweg: Der Angriff geschah in der Nähe seiner Haustür.

Zwei Punkte seien für die Eltern des getöteten Mannes in dem Militärgerichtsprozess besonders schwer. Zum einen hätten sie kein Recht auf eine Nebenklage – heißt: Sie können Zeugen keine Fragen stellen. „Sie sind eigentlich nur Zuschauer“, sagte der Hamburger Jurist. Die zweite Hürde sei, dass die Opferfamilie kein Englisch spreche und die Amerikaner keinen Übersetzer zur Verfügung stellten.

Ein von der Kanzlei besorgtes technisches Gerät, das vollelektrisch übersetzen könne, sei nicht zugelassen worden. „Wir sind sehr enttäuscht und fühlen uns diskriminiert“, sagten die Eltern laut Anwalt. 

Strenger Prozess

Das Kriegsgerichtsverfahren ist der strengste für einen Militärangehörigen vorgesehene Prozess, wie die Air Base mitteilte. Auch im Gerichtsaal herrschte ein anderes Klima als in deutschen Gerichten: US-Soldaten standen an den Fenstern, kein Flüstern war erlaubt, neben dem Pult der Militärrichterin war eine große US-Fahne platziert und auf Fragen der Militärrichterin wurde nur stehend geantwortet.

„Solche Prozesse sind nicht alltäglich“, sagte Ron-Jo Koenen vom Lehrstuhl für deutsches und europäisches Strafrecht an der Universität Trier. 

Vorwurf „Nicht vorsätzlicher Mord“

Der Soldat ist nach amerikanischen Recht unter anderem angeklagt wegen nicht geplanten oder nicht vorsätzlichen Mordes („unpremeditated murder“). Der Vorwurf mute nach dem deutschen Rechtsverständnis auf den ersten Blick seltsam an, weil im deutschen Strafrechtssystem Mord immer vorsätzlich begangen werde, sagte Koenen. Das US-Regelungsregime bei den Tötungsdelikten sei grundlegend anders strukturiert.

Ein Grund für die Abstufung im aktuellen US-Militärgerichtsverfahren könne darin liegen, dass der Angeklagte im Zustand der Intoxikation nach Alkoholgenuss – aber nicht im Zustand der Schuldunfähigkeit – gehandelt habe. Darüber könne jedoch aktuell nur gemutmaßt werden, so der wissenschaftliche Mitarbeiter. Genaueres werde der Prozess zeigen.

Bei „nicht vorsätzlichem Mord“ ist die Verhängung der Todesstrafe nicht vorgesehen. Wenn die Todesstrafe im Raum gestanden hätte, hätte das Verfahren nicht in Deutschland stattfinden dürfen, sondern hätte in die USA verlegt werden müssen. Koenen ging davon aus, dass der Angeklagte im Fall einer Verurteilung „höchstwahrscheinlich in ein Gefängnis nach Amerika ausgeflogen“ werde. 

Bürgermeister hofft auf gerechtes Urteil

Der Wittlicher Bürgermeister Joachim Rodenkirch (CDU) sagte, es habe zwischenzeitlich „gewisse Unsicherheiten“ gegeben, nachdem das Verfahren an die US-Militärjustiz gegangen sei. Jetzt sei er froh, dass es „diese Offenheit und Transparenz“ gebe, sagte er vor dem Gerichtsgebäude. „Ich erhoffe mir ein gerechtes Urteil für eine solch schreckliche Tat“, sagte er. 

Die Verteidigung kritisierte zum Auftakt, dass es so lange bis zum Prozessbeginn gedauert habe. Zudem forderte sie zu berücksichtigen, dass das Opfer Kampfsportlehrer gewesen sei. Es gebe Hinweise, dass sich Opfer und der mutmaßliche Täter gekannt hätten: 24 Stunden vor der Tat habe es einen Kontakt gegeben. Die Staatsanwaltschaft fand den Aspekt „irrelevant“.

Wenige Prozesse vor US-Militärgerichten

Prozesse vor US-Militärgerichten in Deutschland sind selten. Laut Generalstaatsanwaltschaft der US-Luftwaffe gab es in Spangdahlem im vergangenen Jahr vier, in Ramstein fünf Verfahren. Zumindest seit 2016 gab es an beiden Standorten kein Verfahren wegen Mordes.

In Spangdahlem ist eine F-16-Kampfjetstaffel mit mehr als 20 Flugzeugen beheimatet. Die Staffel, die weltweit Einsätze der US Air Force und der Nato unterstützt, ist das Kernstück des Flugplatzes. Zum 52. Jagdgeschwader gehören nach Angaben der Air Base mitsamt Angehörigen rund 10.000 Amerikaner.