Politisches Beben in Österreich: Die Koalition aus konservativer ÖVP und Grünen ist abgewählt. Der große Gewinner des Tages heißt FPÖ.

Politisches Beben in Österreich: Die Koalition aus konservativer ÖVP und Grünen ist abgewählt. Der große Gewinner des Tages heißt FPÖ.

Es ist der bisher größte Triumph der FPÖ. Die Rechtspopulisten haben laut Hochrechnungen erstmals eine Parlamentswahl in Österreich gewonnen. Die EU- und islamkritische Partei kann kräftig zulegen und kommt auf 29,1 Prozent der Stimmen nach 16,2 Prozent 2019, ergab die erste Hochrechnung für die Nachrichtenagentur APA und den ORF. 

Die konservative ÖVP von Bundeskanzler Karl Nehammer liegt bei 26,2 Prozent. Ein Minus von 11,2 Prozentpunkte als 2019.Die sozialdemokratische SPÖ erringt 20,4 Prozent.Die Grünen, die derzeit mit der ÖVP regieren, verlieren gut fünf Prozentpunkte und liegen bei 8,6 Prozent. Die liberale Neos-Partei verbessert sich demnach leicht auf 8,8 Prozent.

FPÖ schon mehrfach Regierungspartei in Österreich

Die FPÖ war schon mehrmals an der Regierung in Wien beteiligt, allerdings bisher nur als Juniorpartner. Sollte sich der Wahlsieg für die Rechtspopulisten bestätigen – die Hochrechnung hat eine Schwankungsbreite von zwei Prozent – rückt für sie erstmals das Kanzleramt in greifbare Nähe. Um regieren zu können, brauchen die „Blauen“ jedoch einen Koalitionspartner. In Frage kommt dafür nur die ÖVP, alle anderen Parteien haben ein Bündnis mit der FPÖ ausgeschlossen.

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Unklar ist auch, ob Bundespräsident Alexander Van der Bellen FPÖ-Parteichef Herbert Kickl überhaupt mit der Regierungsbildung beauftragen würde. Gemäß österreichischer Verfassung hat das Staatsoberhaupt hier freie Hand. Van der Bellen äußerte jedoch bereits Vorbehalte gegen eine „anti-europäische“ sowie Russland-freundliche Partei. Traditionell erhielt bisher immer die stimmenstärkste Partei den Auftrag.

Der Erfolg der FPÖ hat sich abgezeichnet. Die Partei führte lange Zeit die Umfragen deutlich an. Erst in den Tagen vor der Wahl hat sich der Vorsprung zur zweitplatzierten ÖVP verringert. Bei der EU-Wahl im Juni ging sie erstmals bei einer bundesweiten Wahl als Sieger hervor. Populär sind die Freiheitlichen bei ihren Wählern vor allem wegen ihrer scharfen Kritik an der Asylpolitik in Österreich und in Europa.

Rechte Parteien in Europa im Aufwind

Mit ihrem Erfolg reiht sich die FPÖ zu anderen Rechtsaußen-Parteien in Europa ein, die derzeit generell im Aufwind sind. In den Niederlanden wurde im Herbst 2023 die rechtspopulistische Partei für die Freiheit (PVV) von Geert Wilders stärkste Kraft. In Italien regiert seit 2022 Giorgia Meloni von der rechten Partei Fratelli d’Italia. In Deutschland kann die AfD in einigen Bundesländern stark zulegen und ist laut Umfragen zweitstärkste Kraft hinter der Union.

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In Österreich gibt es – anders als in Deutschland gegen die AfD – keine sogenannte Brandmauer. Die FPÖ, die in den 50er Jahren von ehemaligen Mitgliedern der nationalsozialistischen NSDAP gegründet wurde, zählt bereits seit Jahrzehnten zur politischen Landschaft in Österreich. Die Partei sitzt in mehreren Landesregierungen und regierte auf Bundesebene mehrfach mit – zuletzt mit der ÖVP bis Mitte 2019. 

Tabubrecher Kickl

Der frühere Innenminister Kickl hatte die FPÖ-Führung nach dem „Ibizagate“-Korruptionsskandal seiner Partei 2021 übernommen. Mit Verschwörungserzählungen über die Corona-Schutzmaßnahmen, feindlichen Parolen gegen Migranten und scharfer Kritik an der Unterstützung der Ukraine angesichts des russischen Angriffskriegs brachte er der FPÖ Zulauf

Kickl machte zudem mit gezielten Tabubrüchen von sich reden. So nennt er eine „Remigration“ als eines seiner politischen Ziele, bei der Österreicher mit nicht-europäischen Wurzeln, deren Integration als unzureichend eingestuft wird, ausgewiesen werden sollen. Außerdem wiederholt der FPÖ-Chef ungeniert, dass er „Volkskanzler“ werden wolle. Diesen Titel hatte während der NS-Herrschaft auch Adolf Hitler für sich gewählt.

Der Artikel wird regelmäßig aktualisiert, d.Red.