Reinhold Würth, 89 und einer der bekanntesten Unternehmer des Landes, hat seinen Mitarbeitern davon abgeraten, AfD zu wählen. Im Interview spricht er über die Reaktionen – und Plakate für Willy Brandt.

Reinhold Würth, 89 und einer der bekanntesten Unternehmer des Landes, hat seinen Mitarbeitern davon abgeraten, AfD zu wählen. Im Interview spricht er über die Reaktionen – und Plakate für Willy Brandt.

Disclaimer Capital

Herr Würth, im März haben Sie einen Brief an Ihre Mitarbeiter geschrieben und ihnen empfohlen, ihre Stimme bei der Europawahl nicht der AfD zu geben. Wie ist Ihr Blick jetzt auf die politische Situation? Ist unsere Demokratie in Gefahr?
Reinhold Würth: Nach der Wahl in Frankreich bin ich eigentlich optimistisch, dass die Demokratie stärker ist, als man sich das vorgestellt hat. Das hat mir unglaublich gefallen, und es hatte ja eigentlich niemand erwartet in Frankreich, dass Frau Le Pen mit ihrer Partei nur Nummer drei wird. Nun ist die Pro-Europa-Fraktion immerhin zwei Drittel stark in Frankreich. Das ist beruhigend und ein großer Gewinn für Europa insgesamt.

Wie bewerten Sie die Situation in Deutschland?
Die AfD verspricht ja alles Mögliche. Wir haben in Sonneberg in Thüringen seit einem Jahr einen AfD-Landrat. Ich lese, dass er sehr selten anwesend ist, sich hauptsächlich um AfD-Veranstaltungen kümmert und nicht viel bewirkt hat in seinem Landkreis. Damit ist schon ein kleines bisschen Schmelz ab. Selbst wenn die AfD in einem Bundesland in die Regierung käme, würden die Leute merken, dass die AfD von dem, was sie verspricht, wenig halten kann. Dann würde sich die Euphorie bei den Bürgern relativieren.

Welche Reaktionen haben Sie auf Ihren Brief bekommen?
Ich selbst habe ausschließlich positive Kommentare bekommen. Es sind ein paar negative Leserbriefe erschienen, und durch das Internet scheinen auch ein paar negative Kommentare zu schwirren. Aber so wie gewählt wurde bei der Europawahl, so müssen Sie auch die Meinungsbildung auf meinen Brief sehen: Die große Mehrheit sieht ihn positiv. Und ich habe ja ausdrücklich niemanden gezwungen, irgendetwas zu tun. Ich habe lediglich eine Empfehlung gegeben. Wer trotzdem AfD gewählt hat, hat keinerlei Nachteile zu befürchten im Unternehmen. Solange die AfD nicht verboten ist, kann hier jeder AfD-Mitglied sein. Wenn jemand allerdings Parteireklame und Mitgliederwerbung macht im Betrieb, wäre das ein Entlassungsgrund, weil wir auf unserem Campus keine politischen Äußerungen zulassen.

Gab es denn solche Fälle?
Mir ist jedenfalls nichts zu Ohren gekommen.

AfD Wirtschaft 07.59

Was hat Sie eigentlich veranlasst, diesen Brief zu schreiben?
Ich fühle mich der Demokratie stark verbunden und natürlich dem europäischen Gedanken. Wir haben so viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Migrationshintergrund. Wenn die alle nicht mehr zur Arbeit kämen, würde das schlicht den Zusammenbruch des Unternehmens bedeuten. Und ich bin ein glühender Verfechter des Grundgesetzes. Ich habe die Gnade gehabt, die Entwicklung der Republik voll miterleben zu dürfen. Ich war 14 Jahre alt, als die Verfassung verabschiedet wurde. Es ist ja eigentlich wunderbar gelaufen, und ich habe viele Dinge erlebt.

Was zum Beispiel?
Das ist heute ein bisschen zum Schmunzeln. Als Willy Brandt das erste Mal in die Regierung kam, hieß es im Wahlkampf vorher: Wenn Brandt an die Macht kommt, wird alles verstaatlicht. Dann wird alles kommunistisch, dann wird alles links. Dann geht die ganze Republik kaputt. Ich habe damals als junger Kaufmann ganzseitige Anzeigen erscheinen lassen mit einem Text, der in etwa lautete: Wenn es nicht für eine CDU/FDP-Regierung reicht, muss auch eine SPD/FDP-Regierung möglich sein. Ich habe damit dokumentiert, dass die Demokratie funktioniert und nicht alles von der CDU dominiert werden muss. Das hat die CDU damals nicht gerade mit „Hurra!“ begrüßt. Ich bin seither Wechselwähler und orientiere mich an den Programmen und an dem, was politisch vernünftig und sinnvoll ist. Aus diesem Grund, weil ich mich dem demokratischen Parteienstaat verbunden fühle, habe ich diesen Brief an die Mitarbeiter geschrieben.

Und wie schauen Sie auf die außenpolitische Situation? Jetzt haben wir nicht nur den Ukrainekrieg, sondern auch noch einen Krieg im Nahen Osten.
Der Ukrainekrieg ist natürlich im internationalen Vergleich zehnmal gefährlicher als der in Israel. Er macht mir große Sorgen. Putin kann es sich eigentlich nicht leisten zu verlieren. Und die Ukrainer können auch nicht verlieren. Das ist die Quadratur des Kreises, und ich weiß nicht, wie man da herauskommen soll. Deswegen wird die Gefahr groß sein, dass immer wieder eins obendrauf kommt. Nicht umsonst hat Stephen Hawking gesagt, die Menschheit hat nur eine Chance zu überleben, wenn sie auf einem anderen Stern siedeln kann.