In "Die Höhle der Löwen" werden seit zehn Jahren Angebote verhandelt und schräge Geschäftsideen beerdigt. Zum Jubiläum lassen die "Löwen" einen Blick in das Innere ihrer "Höhle" zu.

In „Die Höhle der Löwen“ werden seit zehn Jahren Angebote verhandelt und schräge Geschäftsideen beerdigt. Zum Jubiläum lassen die „Löwen“ einen Blick in das Innere ihrer „Höhle“ zu.

Ralf Dümmel erinnert an diesem Tag farblich nicht an einen Löwen, sondern an einen Pfeilgiftfrosch. Die Garderobe des Hamburger „Handelsmoguls“ ist von einem kräftigen Giftgrün durchzogen. Hemd, Einstecktuch, Schuhsohlen, Socken – alles giftgrün. Und auch mental wirkt der 57-Jährige, als sei geduldiges, raubkatzenartiges Abwarten nicht so seine Stärke. Dümmel würde lieber sofort los hüpfen. Vorher hilft ihm allerdings noch jemand schnell in einen blank geputzten Herrenschuh. 

Dümmel sitzt in seiner Garderobe und bereitet sich auf die Sendung „Die Höhle der Löwen“ vor, zu der er seit 2016 gehört. Das bedeutet für ihn immer noch eine gewisse Aufregung. „Mein Team wollte mir schon einmal Pulsuhren umbinden und ein Sauerstoffzelt hier oben hinstellen“, berichtet Dümmel. 

Für ihn stehen große Fragen im Raum. Wen bekommt er gleich vorgesetzt? Und vor allem: Mit was geht er am Ende nach Hause? Fans der Sendung haben bereits einen Begriff kreiert, wenn Dümmel zuschlägt – dann „dümmelt“ es wieder. Wenn er aber „einen Deal“ verliere, sagt der Investor zerknirscht, dann sei er: „todunglücklich“.

Ralf Dümmel gehört zu den Dienstältesten 

Der 57-Jährige lebt das Konzept von „Die Höhle der Löwen“, so kann man es sagen. In der Vox-Show treten Menschen mit einer Geschäftsidee oder eine Erfindung vor Investoren – die „Löwen“. Einer der dienstältesten ist Dümmel. Die „Löwen“ wiederum heben dann die Augenbrauen, zücken ihre Notizbücher und verkünden schließlich, ob sie einsteigen wollen oder nicht. STERN PAID 19_24 Dagmar Wöhrl  11.00

Mancher Gründer zieht bitter enttäuscht von dannen. Andere sind so begehrt, dass die Investoren Konkurrenzkämpfe um den besten „Deal“ ausfechten. Die Sendung ist eine Art BWL-Seminar mit Seifenoper-Elementen. Und recht einzigartig.

In diesen Tagen feiert das Format, das ursprünglich in Japan entwickelt wurde, Geburtstag – vor zehn Jahren (am 19. August 2014) lief hierzulande die erste Ausgabe. In der Jubiläumsstaffel, die von Montag (2. September, 20.15 Uhr, Vox) an zu sehen ist, wird daher ordentlich aufgefahren – unter anderem soll der ehemalige Sportkommentator Werner Hansch, die „Stimme des Reviers“, vor die Investoren treten. 

Die beiden „Ur-Löwen“ Jochen Schweizer und Frank Thelen kehren einmalig in die Show zurück. Wieder mit dabei ist nach einer Pause auch Judith Williams, Beauty-Expertin und „Löwin“ der ersten Stunde.

42.000 Tassen Kaffee in 10 Jahren „Die Höhle der Löwen“

Man könnte viele Geschichten zum Jubiläum erzählen: Von geplatzten Deals und abstrusen Geschäftsideen, von Löwen-Kämpfen, von den Deutschen und ihrem Verhältnis zu Geld, von guten Ideen und sonderbaren Produkten. Man kann aber auch an einem Drehtag durch die Kulissen der Show streifen und sich bei den Löwen umhören. Sie öffnen ihre Garderoben.

Ein paar Schritte von Dümmels Aufenthaltsraum entfernt trifft man so Janna Ensthaler. Sie hat Notizen in der Hand. „Hier versuche ich gerade mühsam, Sachen auszurechnen“, sagt sie. Notizen sind wichtig bei „Die Höhle der Löwen“. Namen, Zahlen, das darf man nicht durcheinanderbringen. Der Sender wird nicht müde zu betonen, dass die „Löwen“ ihr eigenes Geld einsetzen und „echtes Business“ betreiben. Ensthaler gilt als Expertin für „nachhaltige Technologien“ und „digitale Innovation“. Generell für: Zukunft. 

In diesem Moment beschäftigt sie gedanklich aber noch das Hier und Jetzt. Pro Aufzeichnungstag sehen die „Löwen“ fünf unterschiedliche Gründer. Vorher fühle man sich wie vor einem „Riesenberg“, den man besteige, sagt Ensthaler. „Morgens müssen wir wirklich genauso fresh sein wie abends, ne?“. Angeblich wurden in den zehn Jahren der Show rund 42.000 Tassen Kaffee getrunken.

DHDL geplatzte Deals 11.34

Ein paar Schritte weiter ist Nils Glagau vor einem Kleiderständer anzutreffen. Im Stillen denkt man, dass ein Fachgespräch zwischen dem 48-Jährigen und Ralf Dümmel zum Thema Farbtheorie vielleicht auch ein gutes Sendungskonzept wäre. Beide mögen es erkennbar kräftig. „Ich bin gerne bunt manchmal“, sagt Glagau, der noch ausgesprochen entspannt wirkt. „Ein bisschen Farbe“. Im Hintergrund läuft Musik. 

Interessanterweise verbindet ihn und Dümmel auch vor der Kamera eine gewisse Konkurrenz. „Auf einem ganz fairen Level – glaube ich – habe ich die meisten Fights mit dem Ralf“, sagt Glagau. „Das Geilste“ sei allerdings, wenn bei einem Gründer alle fünf „Löwen“ interessiert seien. Das seien besondere Momente, meint Glagau. Dann sagt er: „Der Tillman sieht jetzt auch gut aus. Könnt ihr auch rüber.“

Der Tillman, das ist Tillman Schulz, 34 Jahre alt und der bislang jüngste Investor, der mitgemacht hat. Kürzlich tanzte er bei der RTL-Show „Let’s Dance“ mit, das lief aber nicht so gut. Man merkt ihm an, dass er sich auf dem „Löwen“-Parkett etwas wohler fühlt. Er freut sich auf die Sendung. Über die Gründer spricht er geradezu liebevoll: „Wir Löwinnen und Löwen sagen dazu immer: Die kommen mit ihrem Baby in die ‚Höhle der Löwen‘ und wollen es jetzt übergeben, dass man es zusammen erzieht und großzieht.“

Die fünfte Staffel war die erfolgreichste

In der Garderobe von Tijen Onaran fallen dagegen ein paar Sätze, die kantiger klingen. Die Investorin beschäftigt sich mit Fragen zu Diversität, Sichtbarkeit und Digitalisierung. Sie mag Diskurse. Sie hat gerade einen „Pitch“ hinter sich, die Präsentation einer Gründerin. „Die Dynamik war auf jeden Fall super“, berichtet sie. 

Dann wird sie aber grundsätzlich: „Wir spenden unser Geld nicht, sondern wir investieren. Und ich bin auch keine Charity-Lady, die zu viel Kohle hat, um sie irgendwo rauszugeben.“ Sie überlege sehr genau, wo sie investiere. Interview Janna Ensthaler 6.40

Und sie sei für Klarheit. „Ich finde man muss jetzt nicht Romantik versprühen, wo es keine Romantik gibt“, sagt Onaran. Ein „ehrliches Nein“ sei besser als ein „unehrliches Ja“.

„Ich würde gerne noch mehr Dinge sehen, die mir so ein Gefühl dafür geben, wo wir uns in zwei bis fünf Jahren befinden“, sagt Onaran über die Gründer. Der Zeit voraus zu sein, sei das, was Innovation ausmache.

Ob man die Show mag oder nicht – sie war 2014 sicherlich eine Innovation. Als erfolgreichste Staffel gilt die fünfte von 2018, bei der nach Angaben des Senders durchschnittlich 2,96 Millionen Zuschauer dabei waren – und das bei Vox, das lange als sogenannter Wohlfühlsender mit eher weichen Themen wie Kochen und Reisen galt.

Amiaz Habtu ist für die Wärme zuständig

Moderator Amiaz Habtu, der in einer Garderobe mit vielen Schuhen sitzt („Ich sammel‘ einfach gerne Schuhe – und ich habe gerne zu jedem Outfit, das ich anhabe, das passende Paar.“), erinnert sich noch, wie sich viele andere Sender damals nicht an so ein Format getraut hätten. „Die haben gesagt: In Deutschland kann das nicht funktionieren, denn in Deutschland spricht keiner über Geld. Und schon einmal gar nicht, wie viel er selber oder sie auf dem Konto hat.“ Der 47-Jährige ist von der ersten Sendeminute an dabei.

Insolvent, Millionär: Was aus den alten DHDl gründern wurde_10.30

Habtu hat BWL studiert und versteht dementsprechend etwas von der Materie. Zugleich ist er aber als Seelentröster gefragt. Er nimmt geknickte Gründer in Empfang, die mit ihrer vermeintlich genialen Idee nach Hause geschickt wurden. Habtu ist für die Wärme in dem Format zuständig.

Bleibt noch zu klären, wie es Ralf Dümmel eigentlich schafft, dass selbst seine Schuhsohlen farblich perfekt zu seinen Einstecktüchern passen. Die Antwort kann erstaunen. „Wenn ich ein Hemd kriege, kriege ich auch immer das passende Einstecktuch aus dem gleichen Stoff und in der gleichen Farbe wie das Hemd“, berichtet er. 

Diese Einstecktücher gebe er dann einem Autofolierer, bei dem er mal ein Auto habe folieren lassen. Dümmel fragte ihn damals, welche Farben er hat. Der Mann sagte: alle. Nun foliert er Dümmel farblich passend die Schuhsohlen. „Das ist nicht überlebenswichtig, aber mir gefällt es“, sagt Dümmel. 

Bei diesem Deal hat er eingeschlagen.