Was eine Expeditions-Seereise von einer normalen Kreuzfahrt unterscheidet, zeigt die "MS Fridtjof Nansen" auf ihrer Grönlandtour. Dabei bedient sie sich einer besonderen Hilfe.

Was eine Expeditions-Seereise von einer normalen Kreuzfahrt unterscheidet, zeigt die „MS Fridtjof Nansen“ auf ihrer Grönlandtour. Dabei bedient sie sich einer besonderen Hilfe.

Das Schiff manövriert auf der Stelle. Statt den Anker zu werfen, sorgt die automatische Steuerung der Antriebe dafür, dass die „MS Fridtjof Nansen“ ihre Position im Evighed Fjord über Stunden halten kann und trotz der Strömung nicht abdriftet.

„Das Dynamic Positioning System schont den Meeresboden“, erklärt Kapitän Bent Ivar Gangdal. Der Norweger hat das 140 Meter lange Expeditionsschiff an der Westküste Grönlands mit dem nötigen Sicherheitsabstand vor einem ins Meer kalbenden Gletscher „geparkt“, in einer der entlegensten Regionen der Erde.

Näher an die Eiswand geht es nur mithilfe der Zodiaks. In den robusten Schlauchbooten finden zehn Passagiere Platz. Also rein in die Gummistiefel und runter auf Deck 3 in den „Black Room“. In dem dunklen Raum mit einer riesigen LED-Wand sammeln sich die Kleingruppen vor ihren Landausflügen und werden gebrieft, ehe sie durch die seitlich aufgeklappte Luke in der Bordwand in die Landungsboote steigen.

Ein Mitglied des 20-köpfigen Expeditionsteams der Reederei, der Meeresbiologe Tim Lardinois, steht im Heck des Zodiaks, bedient den Außenbordmotor und antwortet stoisch auf alle Fragen der wissbegierigen Gäste: Wie tief ist hier das Wasser? Was sind das für Vögel, die auf dem Eisberg sitzen?

Je näher das winzige Boot der Eiswand kommt, die sich mehr als 100 Meter aufbäumt, desto mehr spürt jeder die von der blau-grau schillernden Barriere abstrahlende Kälte. Doch Lardinois bleibt in respektablem Abstand, sollte sich ein Brocken lösen und eine Flutwelle auslösen.

Nah an Natur und Wissenschaft

Nur wer mit einem Expeditionsschiff mit Beibooten in den grönländischen Gewässern unterwegs ist, kommt in diesem 100 Kilometer langen Fjord den Elementen der Natur so nahe, sitzt auf Augenhöhe mit Wellen und salziger Gischt und kann an einsamen Stellen auch dort an Land gehen, wo jegliche Infrastruktur fehlt.

Die 2020 in Dienst gestellte „MS Fridtjof Nansen“ ist ebenso wie das Schwesterschiff „MS Roald Amundsen“ speziell für Fahrten in die Arktis und Antarktis entworfen worden. „In die beiden Hybridschiffe sind die 130 Jahre Erfahrung unserer Leute eingeflossen“, sagt Daniel Skjeldam von Hurtigruten im Gespräch mit dem stern. In den vergangenen Jahren hat er als Chief Executive Officer neben der Reederei für die norwegische Postschiffroute die neue Expeditionssparte als eigenständiges Unternehmen HX etabliert.

Er schwärmt von den großen Fenstern in den öffentlichen Bereichen des Schiffes. So sind die drei Restaurants nicht wie üblich auf den unteren Decks, sondern viel weiter oben auf Deck 6 und 8 untergebracht. „Es gibt Schiffe, die haben ihre Plattformen für die Tenderboote ungeschützt im Heck platziert“, erklärt Skjeldam. „Wir dagegen haben die ausklappbare Plattform auf der Steuerbordseite und positionieren das Schiff als eine Barriere, die Zodiaks können so im Strömungs- und Windschatten operieren.“ Das führe viel seltener zu Absagen von Ausflügen.

Eindrucksvolle Fjorde und Gletscher gibt es auch anderswo, zum Beispiel im Süden Chiles, aber der Reiz einer Grönlandreise besteht in der Kombination von kargen Landschaften mit dem Besuch kleiner Siedlungen und Begegnungen mit Menschen sowie Anlandungen in namenlosen Buchten, wo Wanderungen und Tierbeobachtungen möglich sind.

Keine übliche Kreuzfahrt in Grönland

Im Gegensatz zu herkömmlichen Kreuzfahrtschiffen, die in Grönland wegen ihrer Größe fast nirgendwo anlegen können, handelt es sich an Bord eines Expeditionsschiffes auch um ein anderes Publikum. Die Mitreisenden legen keinen Wert auf Abendgarderobe, Cocktails oder Musical-Entertainment. Sie sind vielmehr an der Route und Aktivitäten interessiert, besuchen gerne die in mehrere Sprachen simultan übersetzten Vorträge der mitreisenden Wissenschaftler.

So ist HX Hurtigruten Expeditions kürzlich eine Forschungskooperation mit der Helmholtz-Innovationsplattform SOOP eingegangen, das für „Shaping an Ocean of Possibilities“ steht. Neben automatischen Messungen von Salz-, Mikroplastik-, und CO2-Gehalt des Wassers sammeln die Experten Daten, um zum Beispiel herauszufinden, wie sich das beschleunigte Abschmelzen der Gletscher – und der dadurch höhere Anteil von Süßwasser in den Fjorden – auf die Zusammensetzung des Planktons auswirkt. Bei der Entnahme der Wasserproben werden auch Passagiere miteinbezogen.

Wer von einem Landausflug wieder an Bord kommt, muss zunächst mit den Gummistiefeln durch eine Schuhwaschanlage mit rotierenden Bürsten und anschließend durch ein Desinfektionsbad laufen. Nicht ein Samenkorn in der Schuhsohle soll von einer Landungsstelle zu einer anderen gelangen. Damit übererfüllt die Reederei sogar die Leitlinien der Association of Arctic Expedition Cruise Operators (AECO), die das Besucherverhalten in den Polarregionen verantwortungsvoll regeln.

Für Lena aus der Schweiz, die von ihren Großeltern zur Grönlandreise eingeladen wurde, ist diese respektvolle Art der Naturbegegnung eine neue Erfahrung. „Nichts mitnehmen, keine Pflanzen pflücken, den Mindestabstand zu Brutvögeln einhalten und nichts zurücklassen“, das sei das Motto auf Landausflügen, sagt die 33-Jährige. „Eine Expeditionsreise hat einen ganz anderen Charakter. Auf einem normalen Kreuzfahrtschiff würde ich nie mitfahren.“