
Wer Sport macht, kennt ihn: Muskelkater. Er taucht vor allem dann auf, wenn wir ans Limit gegangen sind. Aber ist er wirklich ein Indiz dafür, dass wir gut trainiert haben?
Wer regelmäßig Sport macht, bekommt einen längeren Atem, wird kräftiger. Der Körper wird fitter, verändert seine Form. Der Weg dorthin ist aber mitunter mühsam und nicht selten mit einem Ächzen und Stöhnen der Muskulatur verbunden. Für viele gehören Sport und Muskelkater zusammen. Der Glaube „No pain, no gain – Kein Schmerz, kein Gewinn“ ist weit verbreitet. Aber hat wirklich nur der gut trainiert, den am nächsten Tag Muskelschmerzen plagen?
Der stern hat bei Prof. Dr. med. Rüdiger Reer, nachgefragt. Er ist Generalsekretär des Deutschen Sportärztebundes und Leiter des Arbeitsbereichs Sport– und Bewegungsmedizin der Universität Hamburg. Mit Muskeln kennt er sich aus. Er sagt: „Muskelkater ist ein Zeichen von Überbelastung und/oder falscher Belastung.“ Es handele sich dabei mitnichten um einen positiven Trainingseffekt – im Gegenteil. Wer nach dem Training Muskelkater hat, habe zu viel gemacht, sagt Prof. Dr. Reer.
Muskelkater: Winzige Risse in den Muskelfasern
Vor allem durch sehr intensive oder ungewohnte Belastungen könne es zu winzig kleinen Rissen, sogenannten Mikrorupturen, in den Muskelfasern kommen. An diesen Mikrorissen entstünden kleine Entzündungen, Flüssigkeit dringe ein. Es entwickelten sich Ödeme, die wiederum auf Nervenfasern drückten, was die Schmerzen verursache. „Muskelkater ist nichts Gesundes“, so der Sportmediziner. „Er zeigt, dass die Trainingsintensität eher zu hoch war. Dann ist ein Training auch nicht mehr effektiv.“
Für einen guten Trainingseffekt müssen Belastung und Entlastung fein aufeinander abgestimmt sein. Ein Körper, der sich verausgabt, braucht im Anschluss eine gewisse Erholungszeit. Wird dieser Zeitraum perfekt abgepasst, spricht man von Superkompensation – da dies einen schnellen Trainingsfortschritt begünstigt.
„Schmerz hat eine Funktion. Er weist darauf hin, dass jetzt erst einmal genug ist – Trainingspause“, so Prof. Dr. Reer. Er rät mit Nachdruck davon ab, die betroffenen Körperpartien trotz Muskelkater weiter zu trainieren: „Das wäre genau falsch. Dann kann aus einer kleinen Ruptur eine große werden, was nicht nur zu einer langen Trainingspause führen, sondern auch starke Schädigungen verursachen kann.“
Ganz so streng sieht das Kai Zou, Wissenschaftler und Muskelexperte von der University of Massachusetts in Boston, nicht. Demnach sei Muskelkater auch ein Indiz dafür, dass der Körper gefordert und ein Wachstumsreiz gegeben worden sei. Der positive Effekt: Die Muskelzellen sind im Anschluss größer und leistungsfähiger. Im Gespräch mit meiner Kollegin Alexandra Kraft sagte Zou außerdem: „Nur wenn die Schmerzen übermäßig lange anhalten, dann ist das ein Hinweis, dass man es mit dem Training übertrieben hat.“