Kaum ein Land verfügt über so viele Rohstoffe wie die Demokratische Republik Kongo. Doch die Ressourcen sind seit Jahren umkämpft. Ein Überblick über die jüngste Eskalation.
Worum geht es bei dem Konflikt im Kongo?
Der aktuelle Konflikt schwelt bereits seit Jahren und konzentriert sich vor allem auf den Osten des zentralafrikanischen Landes. Die Ursache reicht bis in die Kolonialzeit zurück: Damals verschleppten die Belgier Gemeinschaften der Tutsi als Arbeitskräfte in den Kongo. Die traditionellen Viehzüchter konkurrieren seitdem mit Bauern um Land. Heute leben ungefähr 200 ethnische Gruppen im Kongo. Politiker, Militärs und Geschäftsleute spielen sie gegeneinander aus, um die eigene Macht im Ostkongo auszubauen. In den vergangenen 20 Jahren ist der Konflikt immer wieder eskaliert. Mehr als 100 unterschiedliche Milizen kämpfen um Macht, Geld, Einfluss
Nun, im Januar 2025, hat sich der nie wirklich befriedete Konflikt erneut zugespitzt: Rebellengruppen und die Regierung des Nachbarlandes Ruanda werfen der kongolesischen Regierung vor, die Tutsi auslöschen zu wollen.
Wer kämpft gegen wen?
Hauptkonfliktparteien sind die Armee der Demokratischen Republik Kongo (nicht zu verwechseln mit der deutlich kleineren Republik Kongo im Westen) und die Miliz Mouvement du 23-Mars – besser bekannt als Rebellengruppe M23. Die Miliz will als politische Gruppierung anerkannt werden und baut in den von ihr kontrollierten Gebieten Regierungsstrukturen auf. Die Gruppe setzt sich mehrheitlich aus Tutsi-Mitgliedern zusammen und wird von der Regierung in Ruanda und deren Präsident Paul Kagame – ebenfalls Tutsi – unterstützt.
Frauenaktivistinnen Kongo20.40
All das hängt auch mit dem Genozid in Ruanda 1994 zusammen. Damals ermordete fanatische Hutus hunderttausende Tutsis, Überlebende flohen ins Nachbarland Kongo. Dort formierte sich unter der Führung des heutigen Präsidenten Kagame eine Rebellenarmee, die schließlich das Hutu-Regime in Ruanda stürzte. Daraufhin flohen wiederum die Hutus in den Osten des Kongo. Kagame rechtfertigt seine Unterstützung der Rebellen im Kongo damit, dass sich dort, in der Provinz Nord-Kivu, wieder die Völkermörder neu aufstellten, tatsächlich geht es aber auch um Geld und Rohstoffe, die illegal nach Ruanda transportiert werden. STERN PAID Ruanda Genozid IV 0830
Ruanda hat so inzwischen 4000 eigene Soldaten und moderne Waffen im Ostkongo stationiert. Auch Uganda unterstützt die Miliz. Die Demokratische Republik Kongo erhält militärische Unterstützung aus Südafrika, Malawi, Tansania und Burundi. Zusätzlich bezahlt die Armee Milizen im Ostkongo, damit sie gegen die M23 kämpfen. Es gibt auch eine große UN-Friedenstruppe, die Monuscu, die aber weitgehend machtlos ist.
Warum ist der Konflikt eskaliert?
Angola vermittelte in den Friedensverhandlungen zwischen den beiden Ländern. Doch diese scheiterten im Dezember 2024. Daraufhin eskalierten die Gefechte an der Grenze zu Ruanda. Am Montag marschierten Kämpfer der Miliz M23 in die Großstadt Goma ein. Es handelt sich um die größte Eskalation seit 2012.
Die Lage eskalierte nicht nur im Osten des Landes. In der kongolesischen Hauptstadt Kinshasa löste der Vormarsch der Rebellen wütende Proteste aus: Demonstranten attackierten am Dienstag mehrere Botschaften, darunter die Vertretungen von Ruanda, Frankreich, Belgien und den USA. Die Demonstranten werfen westlichen Regierungen vor, ihren Einfluss auf das benachbarte Ruanda nicht zu nutzen, um die Rebellenangriffe im Ostkongo einzudämmen.
Welche Rolle spielen die Rohstoffe?
Der Kongo gilt als eines der rohstoffreichsten Länder Afrikas, und es ist kein Zufall, dass sich der Konflikt vor allem im Osten des Landes abspielt. Denn in der Provinz Nord-Kivu liegen einige der seltensten und wertvollsten Metalle der Welt.Amnesty Kinderarbeit
Der Kongo verfügt beispielsweise über fast 50 Prozent der weltweit verfügbaren und zugänglichen Kobalt-Vorkommen. Das Erz steckt in Laptops und Smartphones und ist für Batterien unverzichtbar. Daneben gehören auch Kupfer und Tantal zu den Exportschlagern. Diamanten, Gold, Nickel und Coltan liegen ebenfalls im kongolesischen Boden. Mit den Ressourcen finanzieren die Konfliktparteien auch den Krieg in der Region.
Die M23-Miliz und ihre Verbündeten kämpfen um weiteren Zugang zu den Bodenschätzen in den Provinzen Nord- und Süd-Kivu. Die Rebellen besetzen unter anderem die Minen-Stadt Rubaya, aus der das Land den Großteil des Coltans exportiert.
Teilweise werden die Rohstoffe auch illegal abgebaut und durch Ruanda und Uganda geschmuggelt, bevor sie offiziell im Welthandel angeboten werden.
Was bedeutet der Konflikt für die Menschen im Kongo?
Die Kämpfe um die Rohstoffe haben eine humanitäre Krise ausgelöst. Schätzungen zufolge hat die jüngste Eskalation zu Jahresbeginn ungefähr eine halbe Million Menschen im Ostkongo vertrieben.
Besonders dramatisch ist die Lage in der Großstadt Goma. Sie gilt als Anlaufstelle für Hilfsorganisationen und Binnenflüchtlinge. Schon vor dem Angriff durch die M23 war die humanitäre Lage dort prekär: Die Flüchtlingslager sind überfüllt. Der Zugang zu Lebensmitteln, Wasser oder medizinischer Versorgung gilt seit Langem als äußerst kritisch.
Neben den Anwohnern flüchten nun mehr als 300.000 Menschen aus Lagern für Vertriebene in der Nähe der Stadt, berichtet das UN-Nothilfebüro OCHA in Genf.Demonstranten greifen französische Botschaft im Kongo an 15.07
Bei den blutigen Straßenkämpfen kamen nach kongolesischen Behördenangaben bisher mehr als hundert Menschen ums Leben. Fast tausend weitere sollen verletzt worden sein. Außenministerin Kayikwamba Wagner berichtete von mehr als hundert Patienten, die innerhalb von 24 Stunden in Krankenhäuser des Roten Kreuzes eingeliefert worden seien. Mitarbeiter von Hilfsorganisationen und Ärzte berichten von unzähligen Leichen in den Straßen Gomas. Zudem kursieren Berichte von Vergewaltigungen und Plünderungen.
Seit dem Ausbruch von Tausenden Häftlingen aus einem Gefängnis am Montag hat sich die Sicherheitslage in der Stadt zusätzlich verschlechtert.
In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch habe sich die Lage in den Außenbezirken der Stadt etwas beruhigt, berichten Bewohner. Internet, Strom und Wasser seien aber weiterhin abgeschaltet.
Wie geht es weiter?
Politiker, Religionsführer und Hilfsorganisationen haben die Eskalation in der Demokratischen Republik Kongo verurteilt. US-Außenminister Marco Rubio drängte Ruandas Präsident Kagame in einem Telefonat, die Kämpfe sofort zu beenden. Kagame sprach im Onlinedienst X von einem „produktiven Gespräch“ und betonte die „Notwendigkeit, einen Waffenstillstand im Osten der Demokratischen Republik Kongo zu gewährleisten und die Ursachen des Konflikts ein für alle Mal zu bekämpfen“.
Der kongolesische Staatschef Felix Tshisekedi schweigt bisher. Seine Regierung bezeichnete die Offensive in der Stadt Goma als „Kriegserklärung Ruandas“ und betonte, dass „ein Blutvergießen“ verhindert werden müsse.
Kenia hat für Mittwoch einen Krisengipfel zwischen Ruanda und der Demokratischen Republik Kongo einberufen. Beide Länder hatten alle diplomatischen Beziehungen in den vergangenen Tagen abgebrochen und ihre jeweiligen Diplomaten zurückgerufen.