Das Polizeiregister ist lang, die Empörung groß – auch die Regierung wird verfolgen, wie der Prozess gegen drei Brüder aus einer Großfamilie verläuft. Für viele geht es nicht nur um eine Straftat.
Wenn die drei jungen Männer am frühen Nachmittag auf der Anklagebank im Stuttgarter Gerichtssaal Platz nehmen, dann wird es für viele um mehr gehen als um die Messerattacke, die die Brüder begangen haben sollen. Wie der sprichwörtliche Elefant wird auch die politische Diskussion um gewalttätige Flüchtlinge und die für viele gescheiterte deutsche Migrationspolitik mitten im Raum stehen.
Denn die Männer sollen zu einer großen syrischen Familie gehören, die nach Einschätzung der Stuttgarter Polizei für über 150 Straftaten verantwortlich sein könnte. Der Messerangriff im vergangenen Sommer ist nach Ansicht der Staatsanwaltschaft nur ein weiterer Eintrag im langen Register. Den Brüdern wirft sie deswegen versuchten Totschlag vor.
Ein vierter Bruder sitzt bereits wegen gefährlicher Körperverletzung – mit Messereinsatz – in Haft, gegen einen fünften wird laut Gericht vom 18. Februar an wegen Geiselnahme verhandelt.
Viele Einträge im Polizeiregister
Die Liste der Straftaten, die die Mitglieder der Familie in den vergangenen Jahren begangen haben sollen, umfasste nach Angaben des baden-württembergischen Innenministeriums bereits im vergangenen Herbst insgesamt mehr als 150 polizeilich festgehaltene Straftaten.
Im Polizeiregister finden sich Fälle versuchten Totschlags, von Körperverletzung und gefährlicher Körperverletzung sowie Diebstähle, aber auch Beleidigung, Bedrohung, Betrug und Leistungserschleichung, wie aus einer Antwort des Innenministeriums auf eine Anfrage der AfD-Fraktion im Landtag hervorgeht.
Zur Familie sollen neben dem ebenfalls bereits polizeibekannten Vater zwei noch lebende Ehefrauen sowie mindestens zehn weitere Geschwister und Halbgeschwister gehören. Alle Mitglieder der Familie sind laut Innenministerium syrische Staatsbürger, sie kamen zwischen 2015 und 2020 nach Deutschland und genießen Flüchtlings- oder subsidiären Schutz. Dieser setzt voraus, dass Menschen nicht in Ihr Herkunftsland zurückkehren können, obwohl sie weder als Flüchtlinge anerkannt noch asylberechtigt sind.
Messerattacke nach Streit
Die nun (14.00 Uhr) vor dem Landgericht stehenden drei angeklagten Brüder waren zum Zeitpunkt der Anklageerhebung laut Staatsanwaltschaft 17, 22 und 27 Jahre alt. Vor der Messerattacke im Juli des vergangenen Jahres sollen sie an der Stuttgarter Königstraße mit einer fünfköpfigen Gruppe in einen Streit geraten sein. Laut Gericht soll sich die ebenfalls anwesende Schwester durch Blicke der anderen Gruppe belästigt gefühlt haben.
Bei dem Angriff wurde ein damals 37-Jähriger so schwer verletzt, dass er zunächst in Lebensgefahr schwebte. Zwei weitere Männer im Alter von damals 24 und 47 Jahren erlitten leichte Verletzungen.
Die Landesregierung hat die Familie im Blick, wie Justiz-Staatssekretär Siegfried Lorek (CDU) betont. Zwar müsse jeder Fall einzeln betrachtet werden. „Aber bei dieser Familie gibt es nicht viele Angehörige, die keine Straftaten begangen haben“, sagt er. Natürlich sei es das Ziel, kriminelle Angehörige der Familie auszuweisen.
Zunächst müssten aber Urteile gesprochen und Haftstrafen zumindest zum Teil abgesessen werden, sagt Lorek. „Es wäre sonst ein Freifahrtschein, nach Deutschland zu fahren und Taten zu begehen, weil man weiß, das Schlimmste, was einem passieren kann, ist die sofortige Rückführung.“
Zudem es auch weiterhin nicht möglich, nach Syrien abzuschieben. „Faktisch gibt es derzeit keine Rückführungsmöglichkeiten nach Syrien, weil es der Bund nicht ermöglicht“, sagt der Staatssekretär.
Zum Prozessauftakt gegen die drei Brüder soll nur die Anklage verlesen werden. Insgesamt sind 14 Verhandlungstage angesetzt.