Seit 29 Jahren hat es keinen männlichen Grand-Slam-Champion aus Deutschland mehr gegeben. Alexander Zverev will das am Sonntag ändern und auch sein persönliches Final-Trauma ablegen.

Seit 29 Jahren hat es keinen männlichen Grand-Slam-Champion aus Deutschland mehr gegeben. Alexander Zverev will das am Sonntag ändern und auch sein persönliches Final-Trauma ablegen.

Am Tag vor seiner erhofften Krönung zum Grand-Slam-Champion schonte sich Alexander Zverev nicht. In der Melbourner Nachmittagshitze schlug sich der deutsche Tennisstar mit Trainingspartner Michail Ledowskich intensiv die Bälle zu. Zverevs Stöhnen nach jedem Schlag war bis auf die obersten Ränge der Margaret Court Arena laut zu hören. Finalgegner Jannik Sinner flüchtete dagegen vor der Sonne und trainierte in der Halle. 

Klar ist: Zverev ist heiß auf den Titel. „Jeder weiß, was ich jage“, sagte er bei den Australian Open immer wieder. Der Hamburger will am Sonntag (9.30 Uhr MEZ/Eurosport und RTL) sein Final-Trauma ablegen und Tennis-Geschichte schreiben. 29 Jahre nach Boris Beckers Triumph 1996 in Melbourne könnte wieder ein männlicher deutscher Tennisprofi einen Grand-Slam-Titel gewinnen. „Jetzt liegt die Sensation in der Luft“, sagte Becker der „Bild“.

Sinner mit makelloser Final-Bilanz

Sinner will das Duell der Nummer eins mit der Nummer zwei der Welt auch genießen. „Letztendlich ist es ein Tennisspiel“, sagte der Titelverteidiger aus Italien: „Es muss Spaß machen.“ Zverev wird aber nur Spaß haben, wenn er am Ende in der Rod Laver Arena endlich die Trophäe in die Höhe stemmen darf. 

Bei seinen bisherigen zwei Grand-Slam-Finals bei den US Open 2020 und den French Open im Vorjahr war er am Titel-Ziel jeweils nach Fünf-Satz-Krimis gescheitert. Sinner dagegen ging bei seinen beiden Major-Finals im Vorjahr in Melbourne und New York als Sieger vom Platz.

Wie fit ist Sinner?

Die Fitness könnte der große Pluspunkt für Zverev sein. Der Weltranglistenzweite zeigte im Turnierverlauf noch keinerlei Anzeichen von Müdigkeit oder größeren körperlichen Beschwerden. Außerdem konnte Zverev durch die Halbfinal-Aufgabe von Rekordchampion Novak Djokovic nach dem ersten Satz ein paar Kräfte sparen.

Den Fokus noch stärker auf die Fitness zu legen, war eine Lehre aus dem nach fünf Sätzen verlorenen French-Open-Finale gegen Carlos Alcaraz. „Da wurde ich müde, und das wollte ich dieses Jahr nicht noch einmal erleben“, sagte Zverev. Er holte Fitnesstrainer Jez Green zurück in sein Team, mit dieser Entscheidung ist er sehr zufrieden.

Sinner scheint körperlich nicht topfit zu sein. Die Hitze-Schlacht im Achtelfinale gegen den Dänen Holger Rune überstand der geschwächte und zwischendurch zitternde Sinner nur mit Mühe. Und beim Halbfinalsieg gegen US-Profi Ben Shelton plagten ihn leichte Krämpfe. Sinner ging nur indirekt auf die Probleme ein: „Es gibt Tage, an denen es einfacher ist, und Tage, an denen ich ein bisschen mehr zu kämpfen habe.“

Zverev mit Respekt vor Sinner

Bislang ist es ihm hervorragend gelungen, die Ballwechsel kurz zu halten und schnelle Punkte zu gewinnen. „Bei Jannik Sinner hat man den Eindruck, er ruht bei sich, auch wenn es mal kritisch wird“, sagte Eurosport-Experte Becker. 

„Es ist schwer zu sagen, wer der Favorit ist“, meinte Sinner. Die Buchmacher sehen das anders, sie stufen Zverev als leichten Außenseiter ein. Sinner hat seine vergangenen 20 Matches auf der Tour gewonnen. Ob er sich unschlagbar fühlt, wurde Sinner nach dem Finaleinzug gefragt. „Nein“, antwortete der Südtiroler. Hinter seinem Erfolg stecke viel Arbeit, eine gute Vorbereitung und auch eine gewisse Demut.

„Sinner ist der beste Spieler in den letzten zwölf Monaten, da gibt es keine Zweifel“, sagte Zverev. Die Statistik spricht für den Deutschen: Von den bisherigen sechs Duellen hat er vier für sich entscheiden. 

Spielt die Doping-Debatte eine Rolle?

Dass sein Finalgegner von einer Doping-Debatte begleitet wird, will Zverev öffentlich nicht bewerten. Dem Italiener droht durch die Verhandlung vor dem Internationalen Sportgerichtshof Cas im April wegen seines Freispruchs nach zwei positiven Doping-Test nach wie vor eine Sperre von bis zu zwei Jahren.

„Es ist etwas, was ich jetzt schon ziemlich lange mit mir herumtrage“, hatte Sinner zu Beginn des Turniers gesagt. Vielleicht ist auch das ein Vorteil für Zverev im Finale.