Im Warteraum eines Bahnhofs wird ein Mann angegriffen und durch Messerstiche verletzt. Auch eine Frau erleidet Schnittwunden. Auf der Anklagebank erinnert sich der mutmaßliche Täter an Details.

Im Warteraum eines Bahnhofs wird ein Mann angegriffen und durch Messerstiche verletzt. Auch eine Frau erleidet Schnittwunden. Auf der Anklagebank erinnert sich der mutmaßliche Täter an Details.

Nervös sitzt der junge Mann auf der Anklagebank, reibt sich seine Hände, zittert leicht und spricht unsicher. Nach einer Messerattacke auf Reisende im Warteraum des Stuttgarter Bahnhofs versucht der mutmaßliche Angreifer, eine Tat zu erklären, die vielen vorkommen muss wie ein Alptraum. Vor Gericht berichtet der 26-Jährige, Stimmen in seinem Kopf hätten ihm befohlen, zuzustechen. Aber: „Ich habe nicht versucht, jemanden zu ermorden“, sagt der 26-Jährige zum Prozessauftakt am Landgericht Stuttgart über jene Nacht, in der er zwei Menschen verletzt haben soll.

Unvermittelt soll der Deutsche laut Anklage im vergangenen Juli mitten in der Nacht im Warteraum zunächst auf einen schlafenden Mann (55) eingestochen und ihn lebensgefährlich verletzt haben. Starke Verletzungen erlitt auch eine 63 Jahre alte Frau, die dem angegriffenen Mann zu Hilfe kommen wollte. Der Polizei zufolge kannten sich die beiden Opfer, nicht aber den mutmaßlichen Täter. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten versuchten Mord und versuchten Totschlag vor. 

Angeklagter berichtet von Angst vor dem Teufel

Vor Gericht schilderte der Angeklagte, dass ihm eine Stimme kurz vor der Tat befohlen habe: „Stich zu, sonst passiert was!“. Er habe gedacht, es sei die Stimme des Teufels. Der 26-Jährige erklärte, er habe auf der Straße gelebt und Drogen konsumiert, sei von Angstzuständen, Schlafstörungen sowie psychotischen Schüben geplagt gewesen. Unter anderem habe er befürchtet, der Teufel könnte „ihn holen“. Am Tag der Tat sei er aber nüchtern gewesen, erklärte er.

„Es hört sich dumm an, aber ich hatte halt Angst“, sagte der 26-Jährige zu dem Richter – daher habe er zugestochen. Auf den Bildern der Videokamera aus dem Warteraum ist zu sehen, wie der Mann sich von seinem Sitz erhebt, ausholt und zusticht, wie Panik ausbricht und eine Frau versucht, ihre Enkelin zu schützen, bevor der mutmaßliche Angreifer die Flucht ergreift und über die Treppe hinaus zu den Gleisen flüchtet.

Drogen, Therapien und abgebrochene Ausbildungen

Vor Gericht beschrieb der junge Mann detailreich die von Scheitern, Drogen und Therapien geprägten vergangenen Jahre. Einen Beruf hat er demnach nie erlernt, dennoch feierte er viel und nicht selten im Rausch. Wiederholt brach er Ausbildungen ab, zerstritt sich. „Ich habe immer wieder Scheiße gebaut auf Drogen und hatte schon seit längerem Verfolgungswahn“, sagte er aus. Zuletzt lebte er ohne Wohnsitz und von Sozialleistungen. 

Vor Gericht steht der Mann nicht nur wegen der Messerattacke am Bahnhof. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm auch vor, drei Wochen zuvor zwei dänische Fußballfans bei der Fußball-Europameisterschaft in Stuttgart angegriffen zu haben. Einen der beiden habe er ins Gesicht geschlagen, den anderen verfehlt. 

Das Landgericht will frühestens Anfang April ein Urteil sprechen und muss zuvor sicher auch klären, ob der Angeklagte schuldfähig ist oder behandelt werden muss.