Die SPD kommt nicht aus dem Umfragetief, dabei wird in knapp fünf Wochen gewählt. Wird das noch was? Worauf Olaf Scholz und seine Partei setzen.  

Die SPD kommt nicht aus dem Umfragetief, dabei wird in knapp fünf Wochen gewählt. Wird das noch was? Worauf Olaf Scholz und seine Partei setzen.  

Mit dem Bruch der unbeliebten Ampel schöpften die Sozialdemokraten neue Hoffnung. Die SPD gab sich befreit, ihr Kanzler Olaf Scholz beschwor die nächste Aufholjagd. Doch auch drei Monate nach dem vermeintlich heilsamen Schock scheint die Kanzlerpartei nicht aus dem Tief zu kommen, scheint zwischen 14 und 16 Umfrageprozent einbetoniert. Die erhoffte Trendwende ist bislang ausgeblieben. 

Wird das noch was?

Im Willy-Brandt-Haus, der Berliner Parteizentrale, hat man die Tage bis zur Bundestagswahl genau im Blick: Es sind noch 37. Wenn sich die Umfragen nicht langsam drehen, dürfte Unruhe in der SPD ausbrechen.

Hilfe für die Ukraine 18:36

Eine Grafik, abgedruckt in einer Art Kampagnenzeitung, soll die Wahlkämpfer motivieren. Es geht um die letzte Bundestagswahl im Jahr 2021: Zu sehen sind die Umfragewerte aller Parteien von Januar bis Oktober, die zunächst kümmerliche Kurve der SPD ist rot hinterlegt. Im August, mit dem offiziellen Kampagnenstart kurz vor der Wahl, schnellt diese nach oben – erst vorbei an den Grünen, dann auch an der CDU. „Heute wissen wir“, steht über der Grafik, „das unbeirrte Festhalten an unserer Strategie hat funktioniert.“

Aber was ist die Strategie der SPD? Und führt sie auch 2025 zum Erfolg? 

Die Ausgangslage ist eine andere als vor dreieinhalb Jahren. Die Ampel-Koalition erweist sich als schwere Hypothek für den ohnehin unpopulären Kanzler(kandidaten) Scholz, seine proklamierte Aufholjagd muss wegen der vorgezogenen Neuwahl schnell statt schleichend glücken – und nicht weniger als spektakulär sein. Die Union liegt mit 30 Prozent in den Umfragen derzeit nicht mal in Schlagdistanz für die SPD. Doch an drei Strohhalme klammern sich die Genossen – trotz allem. 

1. Die Fehler der anderen

Auf der besagten Umfragegrafik ist nicht nur der Kampagnenstart eingezeichnet, sondern auch die „Überflutung in NRW/RLP“. Gemeint ist die Ahrtal-Flut, die Armin Laschet, den damaligen Kanzlerkandidaten der Union, wegen eines Lachers im Hochwassergebiet möglicherweise das Kanzleramt gekostet und den Wahlkampf zugunsten der SPD gewendet hatte. Auch die Patzer im Lebenslauf von Annalena Baerbock, damals Grünen-Spitzenkandidatin, und die Plagiatsvorwürfe gegen sie sind im Kurvenverlauf markiert.

Daraus ziehen die Sozialdemokraten offenbar zwei Schlussfolgerungen. Erstens: Fehler vermeiden. Zweitens: Fehler der anderen herausstellen.  

Feature SPD Parteitag 18.15

Offenbar sieht die SPD darin großes Potenzial. Zahlreiche Spitzengenossen stürzten sich binnen kürzester Zeit auf die Aussagen von Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz, der Zweifel an einem schnellen Wechsel zu grünem Stahl geäußert hatte, und jazzten das Thema mit knackigen Zitaten zur Bedrohung eines ganzen Industriezweiges hoch. Mittlerweile hat Merz seine Aussagen relativiert.

Mit vorsichtiger Zuversicht blickt mancher Genosse daher auf die bevorstehenden TV-Duelle zwischen Scholz und Merz. Letzterer lasse sich schnell reizen, werde im Eifer des Gefechtes möglicherweise fahrlässig. Haut er dann wieder einen raus? Muss gegebenenfalls zurückrudern? Derart exponiert könnten mögliche Ausfälle des Unionskandidaten besonders schwer wiegen und Scholz als souveränen Staatsmann aus dem Zweikampf hervorgehen lassen, so die leise Hoffnung.

2. Die SPD als Programmpartei

Doch auch Spitzengenossen machen sich keine Illusionen: Olaf Scholz ist unbeliebt. Ihr Wahlprogramm, selbstbewusst mit „Regierungsprogramm“ überschrieben, soll daher im Mittelpunkt der Kampagne stehen – zumal auch die anderen Kanzlerkandidaten unbeliebt seien. 

„Der Wahlkampf hat gerade erst begonnen“, sagte Generalsekretär Matthias Miersch kürzlich im stern zur unerquicklichen Umfragelage seiner Partei. „In den nächsten Wochen werden sich die Menschen mit den Programmen beschäftigen und die großen Unterschiede zwischen SPD und CDU/CSU erkennen, nicht nur beim Personal.“ 

Interview SPD-Generalsekretär Miersch 6.10

Die Annahme, wie schon 2021: Die Wähler beschäftigen sich erst kurz vor dem Termin mit der Wahl – und mit den Inhalten, die zur Wahl stehen. Die SPD beschwört vorauseilend eine „Richtungsentscheidung“ und versucht die Union als gestrige Partei für die oberen Zehntausend einzurahmen. „Friedrich Merz steht für eine Politik des Gestern“, sagte Miersch, die SPD hingegen kämpfe für ein Wirtschaftswachstum, von dem auch „bei den normalen Leuten“ etwas ankomme.

Diese „ganz normalen Leute“, erklärte Kanzler Scholz auf dem SPD-Parteitag wenige Tage zuvor, zahlten oftmals die Zeche. Im SPD-Programm stünden daher keine Steuersenkungen für Spitzenverdiener. „Wer das wirklich will, muss CDU wählen. Oder FDP“, betonte Scholz in kaum verhohlener Klassenkampfrhetorik. Seine SPD setzt hingegen auf (altbekannte) Rezepte wie eine Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro und höhere Steuern für Superreiche, um untere Einkommensgruppen zu entlasten.

Der Programmschwerpunkt spiegelt sich auch auf den SPD-Plakaten wider, die neben Scholz auch andere Spitzengenossen wie Beliebtheitsminister Boris Pistorius oder Arbeitsminister Hubertus Heil zeigen und jeweils mit politischen Forderungen flankiert sind. Es ist das indirekte Eingeständnis: Der Kanzler allein taugt auch aus Sicht der SPD nicht als Zugpferd für den Wahlkampf.

3. Trump, der Politproll aus Übersee

Olaf Scholz hätte den Auftritt von Donald Trump unkommentiert lassen können, nach der Devise: Das wertet den Quatsch nur auf, verpufft mit der nächsten Entgleisung sowieso wieder. Stattdessen maßregelte er den ehemaligen und künftigen US-Präsidenten, die „Unverletzlichkeit von Grenzen“ zu respektieren, nachdem Trump angedeutet hatte, dass die USA Grönland, Kanada und den Panamakanal eingemeinden könnten.

Scholz maßregelt Trump 20.05

Ein erratisch agierender Politproll wie Trump kommt dem Kanzler und der SPD gerade gelegen. Scholz will sich im kurzen Winterwahlkampf als entschlossener und besonnener Staatsmann positionieren, der auch auf internationaler Bühne einen kühlen Kopf bewahrt. Auch gegen Trumps Vertrauten Elon Musk, der auf seinem Kurznachrichtendienst X für die AfD trommelt, versucht sich Scholz zu profilieren – als Bollwerk gegen Rechtspopulisten und -extreme. „Er unterstützt die extreme Rechte“, sagte Scholz ungewöhnlich deutlich über Musk, das sei „völlig unakzeptabel“ und gefährde die demokratische Entwicklung Europas. Der Kampf gegen Rechts gehört zur DNA der Sozialdemokratie und dürfte die eigenen Reihen mobilisieren.

Das Risiko: Den transatlantischen Beziehungen dürfte die offene Kritik an Trump und seiner Entourage nicht zuträglich sein, der US-Präsident hat in der Vergangenheit mehrmals unter Beweis gestellt, dass er sehr nachtragend sein kann. Wenn der Kanzler aber nicht in die Offensive geht, führt bald Merz die Geschäfte im Kanzleramt.