Kaum etwas empfinden Menschen als so beglückend wie einen Orgasmus. Doch bei manchen führt starke Erregung zu heftigen Kopfschmerzen. Wie kommt es dazu? Und was lässt sich tun?
Um 1500 dachten Menschen noch, Kopfschmerzen seien eine Strafe Gottes, auferlegt, um Buße zu tun. Und mancher glaubt vielleicht immer noch, dass Kopfschmerzen eingebildet seien, weil man ja von außen nichts sieht. Heute ist bekannt: Das Stechen, Hämmern und Spannen zwischen den Schläfen kann die unterschiedlichsten Ursachen haben: Mehr als 300 Kopfschmerzarten unterscheidet die Wissenschaft. Darunter auch so exotisch erscheinende Varianten wie den Eispickelkopfschmerz, den Hustenkopfschmerz oder eben: den Sexualkopfschmerz.
Er ist schon deswegen eine bemerkenswerte Erscheinung, weil auf dem Weg zum Höhepunkt in der Regel genau das Gegenteil geschieht: Während Atemfrequenz und Puls auf das Doppelte des Ruhzustands steigen, die Gefäße stärker von Blut durchflossen werden und mehr Sauerstoff in Muskeln und Organe gelangt, sinkt bei den meisten Menschen die Schmerzempfindlichkeit. Als Befreiung von Druck, als berauschend und euphorisierend erleben sie einen Orgasmus.
Bei einigen endet die Ekstase jedoch abrupt mit einem stechenden oder dumpfen, manchmal unerträglichen Kopfschmerz. Etwa einer von hundert Menschen hat dieses Phänomen mindestens einmal erlebt. Zuweilen tritt es auch regelmäßig oder wiederkehrend auf. Männer scheinen zwei bis viermal so oft betroffen zu sein wie Frauen. Als plötzlich und einschneidend beschreiben viele Betroffene die Pein. In seltenen Fällen kann sie auch bereits zu Beginn der Erregung jede Lust durchkreuzen.
Blutgefäße, Muskeln, Hirnaktivität: Die Ursachen für Sexualkopfschmerz sind vielfältig
Wie bei vielen Kopfschmerzarten wirken auch beim Sexualkopfschmerz multiple Faktoren zusammen – seine genaue Ursache ist nicht bekannt. Hinweise können die vielschichtigen Vorgänge im Körper geben, die vor oder während des Orgasmus ablaufen. So führt sexuelle Erregung nicht zuletzt im Bereich des Kopfes und des Nackens zu einer vorübergehenden Erweiterung der Blutgefäße. Bei manchen Menschen hat dies möglicherweise ein unangenehmes Druckgefühl oder eine schmerzhafte Reizung der Gefäßwände zu Folge, ähnlich wie bei einem Belastungskopfschmerz.
STERN PAID Schmerzen beim Sex Interview 20:12
Auch eine Vielzahl von Muskeln, insbesondere in Nacken, Schultern und Rücken, werden beim Sex beansprucht. Die Anspannung dieser Muskeln, kombiniert mit einer oft verkrampften Haltung, kann Verspannungen auslösen, die sich in Form eines dumpfen Kopfschmerzes äußern. Besonders betroffen sind Personen, die bereits zu Spannungskopfschmerzen neigen.
Und nicht zuletzt ist das Gehirn hochaktiv, wenn wir den Gipfel der Lust erklimmen. Neurotransmitter wie Dopamin und Serotonin fluten dann in größeren Mengen unsere Hirnwindungen, was einen plötzlichen Anstieg der Aktivität bestimmter Nervenzellen bewirken kann. Bei Menschen, die zu Migräne oder Clusterkopfschmerzen neigen, könnte diese erhöhte Gehirnaktivität ein Auslöser für den abrupten Kopfschmerz sein. Forschende vermuten, dass Sexualkopfschmerzen in manchen Fällen eine Form von „triggerbedingter Migräne“ sind.
Sexualkopfschmerz bekämpfen: Diese Möglichkeiten gibt es
Eine akute Attacke zu behandeln, ist in der Regel nicht nötig und erfahrungsgemäß wenig erfolgreich. Typischerweise lösen sich die Schmerzen nach einer halben Stunde wieder von allein, maximal dauern sie 24 Stunden an. Seinem Körper eine Pause zu gönnen, sich nach Möglichkeit tief zu entspannen, gilt als Mittel der Wahl. Rund 50 Prozent der Betroffenen berichten, dass eine passivere Rolle beim Sex ihre Beschwerden reduziert. 40 Prozent geben an, eine weitere Zunahme der Kopfschmerzen zu verhindern, wenn sie den Akt nach dem Auftreten erster Symptome abbrechen.
Damit es erst gar nicht so weit kommt, kann bei alle jenen, die regelmäßig starke Schmerzen erleben, auch eine medikamentöse Prophylaxe sinnvoll sein. Dann bietet es sich an, etwa 30 Minuten vor sexuellen Aktivitäten – in Absprache mit einem Arzt – Antirheumatika wie Indometacin oder ein Triptan einzunehmen. Auch mit rezeptfreien Schmerzmitteln wie Ibuprofen oder Paracetamol können Betroffene experimentieren. Eine solche „Pille davor“ macht den Sex zwar zu einer planungsbedürftigen Terminsache. Aber vielleicht erhöht sich damit ja die Wahrscheinlichkeit, dass er überhaupt stattfindet.