Bei einer Anti-AfD-Demonstration wurde ein Linke-Abgeordneter des sächsischen Landtags Opfer eines Polizeieinsatzes. Im Interview schildert Nam Duy Nguyen, was passiert ist.  

Bei einer Anti-AfD-Demonstration wurde ein Linke-Abgeordneter des sächsischen Landtags Opfer eines Polizeieinsatzes. Im Interview schildert Nam Duy Nguyen, was passiert ist.
 

Wie geht es Ihnen, Herr Nguyen?
Den Umständen entsprechend gut. Ich habe Schmerzen im Mund- und Kieferbereich und werde nachher zum Arzt gehen.

In welcher Funktion waren Sie heute in Riesa?
Ich bin linker Abgeordneter im sächsischen Landtag und war als parlamentarischer Beobachter im Einsatz.

Können Sie uns schildern, was heute genau passiert ist?
Ich begleitete einen Teil der Demonstration vom Hauptbahnhof aus. Ich trug stets meinen Abgeordnetenausweis vor mir her und mein Mitarbeiter trug eine Warnweste, damit klar erkennbar ist, dass wir nicht Teilnehmer, sondern Beobachter sind.

Reportage AfD Riesa Samstag 18.24

Mitten in der Demonstration stoppt die Polizei den Aufmarsch. Zwei Stunden stehen die Teilnehmer in der Kälte – ohne Informationen der Polizei, ob und wann es weiter geht. Die Stimmung wird angespannt, Demonstrierende rütteln an Polizeibussen, versuchen aus der Polizeiabsperrung auszubrechen, ein Wasserwerfer der Polizei steht bereit. Dann die erlösende Nachricht: Es geht weiter, die Polizeifahrzeuge, die den Weg versperrten, fahren weg.

Was genau ist passiert, nachdem die Demonstration weiter gegangen war?
Es wurde unruhig – Menschen sind nach vorne gerannt. Irgendwann kam dann eine Einheit der Polizei Niedersachsen angestürmt. Mein Mitarbeiter wurde trotz seiner Weste umgeschubst. 

Und Sie? 
Ich habe lautstark und mit meinem Ausweis darauf hingewiesen, dass ich parlamentarischer Beobachter bin. Trotzdem hat mir ein Polizist ins Gesicht geschlagen. Das war eine Frontalattacke, wie ich sie noch nie erlebt habe. Ich habe für einen Moment schwarzgesehen, bis ich von umstehenden Menschen hochgezogen wurde. 

Woran erinnern Sie sich als Erstes, nachdem sie wieder zu Bewusstsein gekommen waren?
Meine Knie haben geschlottert. Ich war richtig unter Schock. Zum Glück wurde ich von Ersthelfern versorgt. Ein Kommunikationsteam der Polizei hatte die Situation anscheinend mitverfolgt und die Kriminalpolizei eingeschaltet. Für uns ist klar: Wir werden Strafanzeige gegen die verantwortlichen Beamten erstatten. 

Woher wussten Sie, dass eine niedersächsische Einheit angestürmt kam?
Sie waren als solche ausgewiesen und klar zu erkennen. 

Haben Sie mit den Polizisten danach nochmal gesprochen?
Nein. Ich hatte davor über zwei Stunden regelmäßigen und deeskalierenden Kontakt mit der Polizei. Nach dem Vorfall musste ich meine Arbeit als Beobachter beenden.

Wie haben Sie die Polizei insgesamt wahrgenommen?
An dieser Stelle muss sich definitiv die niedersächsische Polizei verantworten. Es bleibt mein Eindruck von dem Tag total überschattet. Eigentlich war es ein Punktsieg gegen den Rechtsextremismus – und das finde ich wirklich schade.

Was erwarten Sie von der sächsischen Landesregierung nach diesem Vorfall?
Ich erwarte eine vollständige Aufarbeitung, nicht nur meines Falls. Es geht hier um mehr, nämlich darum, dass alle Fälle von Polizeigewalt umfassend untersucht werden. Es muss klar werden, dass solche Vorfälle Konsequenzen haben und Grundrechte wie Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit für alle Menschen gleichermaßen gelten müssen.