Die Sicherung des havarierten Tankers „Eventin“ mit 99.000 Tonnen Öl an Bord gestaltet sich schwieriger als anfangs gedacht. Grund ist ein Sturm über der Ostsee. Zusätzliche Hilfe wird angefordert.
Ein Sturm macht die Lage rund um den manövrierunfähigen Öltanker „Eventin“ in der Ostsee nördlich von Rügen komplizierter. Am Abend gab es bereits Böen der Stärke sieben und zweieinhalb Meter hohe Wellen, wie das Havariekommando mitteilte. Es werde eine weitere Zunahme des Sturms mit Böen der Stärke neun erwartet.
Zusätzliche Schiffe und ein Expertenteam wurden deshalb zu dem havarierten Tanker beordert. Sie sollen sicherstellen, dass das 274 Meter lange Schiff mit 24 Mann Besatzung an Bord zuverlässig an seiner Position bleibt. Die beiden Schlepper „VB Luca“ und „VB Bremen“ sind bereits eingetroffen, wie ein Sprecher des Havariekommandos am späten Abend sagte. Das Expertenteam wurde ebenfalls erwartet. Es soll von einem Hubschrauber mit einer Winde auf der „Eventin“ abgesetzt werden.
Ein medizinisches Team der Feuerwehr Rostock sichere das Manöver ab. „Die Notschleppspezialisten sollen sicherstellen, dass die Last des 274 Meter langen Tankers sicher und gleichmäßig auf die eingesetzten Schlepper verteilt wird“, erläuterte ein Sprecher des Havariekommandos. Die Experten sollen auch Ersatzfunkgeräte für die Crew an Bord der „Eventin“ bringen.
Blackout auf „Eventin“ seit Freitagnacht
Seit einem Blackout in der Nacht zu Freitag gibt es laut Havariekommando keinen Strom an Bord und die Maschine läuft nicht. Der Tanker trieb manövrierunfähig in der Ostsee, bis es am Freitagnachmittag deutschen Einsatzschiffen gelang, die „Eventin“ mit einem Notfallschlepper zu verbinden und so an ihrer Position zu halten.
Bei dem Havaristen sind den Angaben zufolge auch ein Schiff der Bundespolizei und ein Schiff des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamtes, das auch die Verkehrssicherung übernimmt. Wegen des Stromausfalls an Bord brennen an Bord der „Eventin“ keine Positionslichter, wie es hieß. Ob, wann und auf welche Weise der Tanker in einen Hafen geschleppt werden kann, werde geprüft und sei derzeit nicht klar.
Fast 100.000 Tonnen Öl aus Russland
Die „Eventin“ war mit fast 100.000 Tonnen Öl an Bord von Ust-Luga in Russland nach Port Said in Ägypten unterwegs. Der 2006 gebaute Tanker wird von der Umweltorganisation Greenpeace Russlands sogenannter Schattenflotte zugeordnet.
„Jeden Tag fahren schrottreife Tanker von den russischen Ölhäfen Primorsk und Ust-Luga Richtung Südwesten“, sagte Greenpeace-Meeresbiologe Thilo Maack. Die „Eventin“ sei nur das jüngste Beispiel dafür, wie die Schiffe der russischen Schattenflotte tagtäglich die Ostseeküste bedrohten. Das jüngste Sanktionspaket der EU sei zwar ein wichtiger Schritt, reiche aber längst nicht, um die Ostsee zu schützen.
Schwere Vorwürfe von Baerbock an Putin
Außenministerin Annalena Baerbock warf Russland vor, mit seiner Schattenflotte schwere Umweltschäden in Kauf zu nehmen und zugleich den Tourismus zu gefährden. „Mit dem ruchlosen Einsatz einer Flotte von rostigen Tankern umgeht Putin nicht nur die Sanktionen, sondern nimmt auch billigend in Kauf, dass der Tourismus an der Ostsee zum Erliegen kommt – sei es im Baltikum, in Polen oder bei uns“, sagte die Grünen-Politikerin und bezog sich damit auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin.
„Russland gefährdet unsere europäische Sicherheit nicht nur mit seinem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf die Ukraine, sondern auch mit durchtrennten Kabeln, verschobenen Grenzbojen, Desinformationskampagnen, GPS-Störsendern und eben auch mit maroden Öltankern.“ Genau vor diesem Szenario habe sie gemeinsamen mit ihren Kolleginnen und Kollegen aus dem Ostseeraum immer wieder gewarnt.
Reaktion aus Litauen
Nach dem Vorfall kamen auch Reaktionen aus dem Ausland. Litauens Außenminister Kestutis Budrys sprach sich für ein entschiedeneres Vorgehen und weitere Maßnahmen gegen Russlands Schattenflotte aus. „Die Ostsee ist das wichtigste Tor für Russlands Ölexporte und das müssen wir unterbinden“, sagte er bei einem Besuch in der estnischen Hauptstadt Tallinn. Zugleich sei die Schattenflotte ein „Instrument in den Hybridaktivitäten“ und stelle eine Bedrohung für die Umwelt dar.
Über 2.000 Schiffe täglich auf der Ostsee unterwegs
Die Ostsee gehört zu den am meisten befahrenen Meeren der Welt. Täglich sind auf dem Binnenmeer mehr als 2.000 Schiffe unterwegs, wie das Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) mitteilte.
Erst Mitte Oktober hatte es einen Zwischenfall mit einem Tanker vor Mecklenburg-Vorpommerns Küste gegeben. Das kleine Öltankschiff „Annika“ brannte auf der Ostsee in Sichtweite der Küste. Das Schiff war auf dem Weg von Rostock nach Travemünde, als am 11. Oktober rund 4,5 Kilometer vor dem Ostseebad Heiligendamm an Bord Feuer ausbrach. Nach ersten Löscharbeiten auf See war das 73 Meter lange und 12 Meter breite Schiff von Schleppern in den Rostocker Überseehafen bugsiert worden. Öl trat bei dem Zwischenfall nicht aus.