Von Fridays for Future war zuletzt wenig zu sehen oder zu hören. Doch im neuen Jahr meldet sich die Klimagruppe zurück. Sie will den Wahlkampf aufmischen.
Kurz nach dem Jahreswechsel hat die Klimagruppe Fridays for Future zur Pressekonferenz eingeladen. Die Bundestagswahl steht an. Die Wochen davor wollen die Aktivisten nutzen. Der Klimaschutz muss zur Priorität der neuen Regierung werden, fordern sie. Doch wie wollen sie das durchsetzen?
Pit Terjung, einer der Sprecher von Fridays for Future, ist am Tag vor der PK gerade mit der Bahn unterwegs. Die Verbindung ist schlecht, und wenn sie mal gut ist, dröhnen die Geräusche des Zuges durch die Leitung. Terjung redet trotzdem mit dem stern. Er sieht sich auf einer Mission, denn die Klimagruppe startet eine neue Kampagne.
Zuletzt war es sehr still um Fridays for Future. Ist die Luft raus, Herr Terjung?
Die Luft ist definitiv nicht raus. Wir haben in den letzten Jahren wahnsinnig viel erreicht. Und ich bin sicher, dass es uns in diesen Zeiten mehr denn je braucht. Deshalb gehen wir am 14. Februar, eine Woche vor der Bundestagswahl, wieder bundesweit auf die Straßen.Globaler Klimastreik FFF in Hamburg 20.00
2019 marschierten bundesweit 1,4 Millionen Menschen beim globalen Klimastreik mit – 2024 waren es 75.000. Und im Trendbarometer der ARD gaben 75 Prozent der Befragten an, dass die Klimagruppe ihre persönliche Einstellung zu Klima- und Umweltfragen weniger stark oder gar nicht beeinflusst habe. Eine gewisse Ermüdung können Sie nicht leugnen, oder?
Gerade stapelt sich Krise auf Krise. Klar, dass die Menschen auch andere Sorgen haben, etwa die hohen Mieten oder steigende Lebenshaltungskosten. Das bedeutet nicht, dass den Menschen die Klimakrise plötzlich egal ist. Es klingt paradox, aber wir sind auch ein Stück weit Opfer unseres eigenen Erfolgs.
Pit Terjung, 19 Jahre alt, schloss sich 2019 der Klimagruppe Fridays for Future an. „Die Klimademos, aber auch diese unglaublich abschätzige Haltung, mit der die große Koalition jungen Menschen damals begegnet ist“, haben ihn dazu gebracht, erzählt er dem stern. Heute ist Terjung Sprecher der Fridays for Futures und organisiert unter anderem Protestaktionen.
© Pit Terjung
Wie meinen Sie das?
Wir haben in den vergangenen Jahren viel erkämpft – das Klimaschutzgesetz, den Kohleausstieg und den massiven Ausbau der erneuerbaren Energien. Wir vergessen manchmal, dass es auch deshalb aktuell so viel Gegenwind von den Anti-Klimakräften gibt, weil wir sie 2019 mit unseren Erfolgen überrumpelt haben. Aber natürlich gibt es keine zivilgesellschaftliche Bewegung, die dauerhaft auf einem Höhepunkt steht. Protest verläuft in Wellen – das ist normal.
Was hat Fridays for Future dem entgegenzusetzen?
Das Grundrecht auf Klimaschutz! Eine weitere Klimakiller-Koalition können wir uns nicht leisten. Deswegen gehen wir mit sechs Forderungen in diesen Wahlkampf. Wir jungen Menschen haben ein Recht auf Zukunft. Deutschland muss bis 2035 klimaneutral sein. Wir brauchen einen Gasausstieg, wir müssen endlich raus aus allen fossilen Energien. Egal wer regiert, Klimaschutz muss eine absolute Priorität sein. Dafür wollen wir kämpfen.
Auf Massenproteste können Sie sich weiter verlassen.
Radikalisiert Fridays for Future seine Proteste?
Wir wollen in den kommenden Wochen an vielen Orten im Land Spitzenkandidaten konfrontieren und organisieren Podien, auf denen wir mit Politiker:innen konstruktiv ins Gespräch kommen. Wir werden sie fragen: Wie positionieren sie sich zu unseren Forderungen?
Die Massenproteste haben ausgedient?
Der Massenprotest hat nicht ausgedient – das wäre absurd! Er hat die schwarze Bürgerrechtsbewegung oder die friedliche Revolution möglich gemacht. Wie kann man da plötzlich glauben, dass die Aktionsform ausgedient hat? Nein, Proteste bleiben weiterhin unser Kernelement, um Klimaschutz zu erkämpfen. Deshalb organisieren wir eine Woche vor der Wahl einen bundesweiten Klimastreik.
Wie soll es nach der Bundestagswahl weitergehen?
Unsere Forderungen dienen uns dann als Messlatte in den Koalitionsverhandlungen. Uns geht es nicht um Worte, sondern um Taten.
Das soll reichen, um wirksamen Klimaschutz zu erzwingen?
Wir setzen auf eine ganze Reihe von Instrumenten. Wir ziehen gegen das verwässerte Klimaschutzgesetz noch einmal vor Gericht. Quer durch die Republik wird es weiter bundesweite Aktionen in den großen Städten, und in den kleinen Orten geben. Und auf Massenproteste können Sie sich auch weiter verlassen. Damit wollen wir weiter politischen Druck erzeugen.Stern Kommentar Ökobilanz der Ampel
Wie viele Bundestagswahlen werden noch verstreichen, bis Fridays for Future selbst als Partei antritt?
Es ist ein großes Missverständnis, dass eine zivilgesellschaftliche Bewegung irgendwann zur politischen Partei sedimentieren muss. Sicher brauchen wir besonders junge Leute, die sich im Parlament für den Klimaschutz einsetzen. Die brauchen aber unseren Rückenwind. Die letzten sechs Jahre haben uns gelehrt, dass ohne Druck von der Straße klimapolitisch wenig bis gar nichts passiert.
Was spricht dagegen, dass Fridays for Future den Mut aufbringt, im Parlament für den Klimaschutz einzustehen?
Eine Splitterpartei mehr wird die Klimakrise nicht lösen.
Kritiker würden behaupten: Sie fordern ein und wälzen die Verantwortung ab.
Wenn ich Gesetze erlassen könnte, würde ich das sofort tun. Aber das ist nicht die Aufgabe unserer Bewegung, sondern die von gewählten Politker:innen.
Wir sollten uns aber gut überlegen, ob wir uns von rechten Akteuren die Regeln im Klimadiskurs diktieren lassen wollen.
Wie enttäuscht sind Sie vom Klimakanzler?
Es gibt keinen Klimakanzler, wir kämpfen dafür, dass es endlich einen gibt. Olaf Scholz hat es nie wirklich ernst gemeint. Er war ein fossiler Kanzler und hat eine Lovestory mit dreckigem Erdgas. Das ist bitter. Scholz‘ Regierungsbilanz grenzt an Wählerbetrug, er hat sich schließlich mit dem Klimakanzler-Slogan plakatiert.
Hat die Ampel-Koalition der Klimabewegung geschadet?
Nein, aber sie hat viele enttäuscht. Und wir haben von Parteien, auch aus dem demokratischen Spektrum, systematische Kriminalisierung von Klimaaktivisten erlebt. Statt die Klimakrise anzugehen, haben sie gegen die Klimabewegung geätzt. Das gesellschaftliche Klima ist dadurch rauer geworden. Das hat auch die Anti-Klimarhetorik aus dem rechten Spektrum salonfähig gemacht. Wir sollten uns aber gut überlegen, ob wir uns von rechten Akteuren die Regeln im Klimadiskurs diktieren lassen wollen. Progressive Parteien müssen sich wieder trauen, die Klimakrise anzusprechen. Das Problem verschwindet nicht, wenn man es verschweigt.
Wie meinen Sie das?
In Parteien kursiert dieser Mythos, dass sich mit Klimaschutz keine Wahlen mehr gewinnen lassen. Aber das ist natürlich eine selbsterfüllende Prophezeiung. In dem Moment, in dem man den Mut verliert, ehrlich über die Klimakrise zu sprechen, gerät sie auch im öffentlichen Bewusstsein in den Hintergrund. Die Parteien tragen dafür maßgeblich Verantwortung.IV Konservative Klimapolitik 15.30
Von welchen Parteien sprechen Sie?
SPD und Grüne versuchen, das Klimathema in ihren Wahlprogrammen zu verstecken, weil sie Angst haben, dass Klimaschutz Wähler:innen abschreckt. Die CDU hingegen verkauft den Bürgern in ihrem Wahlprogramm eine heile Welt, während die Welt um uns herum längst in Flammen steht. Das ist weltfremd und zynisch. Ich finde es besorgniserregend, dass sich die Partei einiges bei der AfD abschaut.
Zum Beispiel?
Die CDU verspricht einerseits, das Pariser Klimaabkommen einzuhalten. Aber in ihrem Wahlprogramm steht vor allem, wie sie Klimaschutzmaßnahmen rückgängig machen möchte. Das ist den Wählern gegenüber unfassbar unehrlich. Und daran sehen wir auch, wie es der Anti-Klimaschutz-Lobby gelungen ist, die Haltung gegen den Klimaschutz wieder sagbar zu machen. Das können wir so nicht hinnehmen.
Dass die Klimabewegung ins Abseits geraten ist, hat aber auch andere Gründe – zum Beispiel Greta Thunberg.
Ich würde das nicht einer Einzelperson zuschreiben. Da nimmt man sie außerdem wichtiger, als sie zuletzt für die Bewegung in Deutschland war. Greta hat eine großartige globale Bewegung ins Leben gerufen, aber bei unseren strategischen Entscheidungen in Deutschland hat sie schon länger keine Rolle mehr gespielt.
Mit welchen Gefühlen blicken Sie auf die bevorstehende Bundestagswahl?
Ich habe die Sorge, dass demokratische Parteien den Klimaschutz nicht angemessen thematisieren und den Diskurs den Rechten überlassen. Aber wir sind dem nicht hilflos ausgeliefert. Optimismus oder Hoffnung sind nichts, was man hat. Man tut es. Deshalb organisiere ich ja Klimastreiks. Unsere Erwartungshaltung ist ganz klar: Die nächste Regierung muss Klimaschutz zur Priorität machen.