Mit dem aufgefrischten EV6 lässt Kia kaum Wünsche offen. Er lädt und fährt schnell – und selbst im Winter ist die Reichweite gut. Die Software ist aber nichts für Anfänger.
Der Kia EV6 ist seit etwa drei Jahren auf dem Markt. Nun hat das Modell ein sogenanntes Facelift, also eine Auffrischungskur bekommen. Und die hat dem Auto durchaus gutgetan. Neben einer neuen Optik gibt’s größere Batterien und ein verändertes Fahrwerk. Da der EV6 bereits zur Markteinführung viele Vorteile gegenüber anderen Herstellern bot, stellt sich also die Frage, ob der Wagen nun ein Angebot geworden ist, das man nur schwerlich ablehnen kann.
Zumindest die Farbe des Testwagens überzeugt schon bei der Anlieferung auf ganzer Linie. Das sogenannte „Yacht Blau Matt“ gibt es exklusiv für die höchste Ausstattungslinie, die sogenannte GT-Line. Ein wirklich toller Farbton, der die sportliche Figur des Wagens gekonnt unterstreicht.
Dabei ist der Kia EV6 kein winziger Stadtflitzer: Mit einer Länge von 4,7 Metern und einer Breite von 1,9 Metern ist er ein ausgewachsenes Crossover-SUV. Natürlich aber längst nicht so gigantisch wie der Kia EV9 (hier im Test). Der Preis für die höchste Serienausstattung mit dem größten Motor liegt bei 62.690 Euro, klickt man im Konfigurator restlos alles an, landet man bei etwas über 70.000 Euro.
Wichtig für ein Elektroauto: gute Reichweite und Top-Ladeleistung
Unter der Haube schlummert von Haus aus eine Menge Technik. Die neuen Batterien bieten wahlweise 63 oder 84 Kilowattstunden. Der Testwagen ist mit dem großen Energiespeicher ausgerüstet. Damit soll das Fahrzeug mit den 20-Zoll-Felgen laut Hersteller 522 Kilometer weit kommen.
Im Test, der bei Temperaturen von etwa fünf bis acht Grad Celsius stattfand, konnte das naturgemäß nicht erreicht werden. Der Kia EV6 genehmigte sich rund 24 Kilowattstunden auf 100 Kilometer, schaffte es mit dem großen Akku also auf rund 350 Kilometer. Je nach Nutzung der Heizung, der Strecke und dem Wetter wären es wohl eher mehr als weniger geworden. Für winterliche Konditionen ein zufriedenstellendes Ergebnis, zumal die Reichweite auch nicht das Ass im Ärmel des Kias ist.
Dank seinem 800-Volt-Batteriesystem ist der Akku des EV6 im Nu wieder voll. Trotz der niedrigen Temperaturen schaffte es der Wagen an einer Schnellladesäule innerhalb von knappen 20 Minuten von zehn auf 80 Prozent. Zeitweise zieht der Kia mehr als 250 Kilowatt in die Batterie, wodurch die Ladepausen stets äußerst kurz ausfallen. In dieser Preisklasse ist das keine Selbstverständlichkeit.
Herkömmlich und zeitraubend ist hingegen die Leistung an der Wechselstromsäule. An solchen lädt der Kia mit gemächlichen elf Kilowatt und braucht daher recht lange, bis der Akku wieder bei Kräften ist. Hier sollte man also nur dann laden, wenn Zeit ohnehin keine Rolle spielt.
Fährt schnell und sicher – aber etwas laut
Was die Fahrleistungen betrifft, kann der Kia EV6 überzeugen. Als GT-Line mit Allradantrieb greift der Wagen auf 325 PS zurück und kommt – besonders im Sportmodus – rasant vom Fleck. Das überarbeitete Fahrwerk ist nun etwas weicher abgestimmt, wodurch die manchmal bemängelte Härte des Vorgängers passé ist. Allerdings ist das Fahrwerk in manchen Situationen etwas laut, auf der Rückbank hört man es schon mal arbeiten.
Generell ist der Kia EV6 trotz des elektrischen Antriebs nicht das leiseste Auto. Bei höheren Geschwindigkeiten wird es schnell etwas lärmig. Apropos Geschwindigkeit: Bei 191 km/h ist laut Tacho Schluss. Wie bei den meisten Elektroautos ergibt Rasen im Kia EV6 aber ohnehin keinen Sinn.
Am wohlsten fühlt der Wagen sich bei 120 oder 130 km/h und mit eingeschaltetem Fahrassistenten. Der Abstandstempomat mit Spurwechselhilfe arbeitet absolut zuverlässig. Zwar kann man die Hände nicht vom Lenkrad nehmen, aber viel machen muss man auf der Autobahn eigentlich nicht.
Software erfordert zu viele Klicks
Wo die Fahrzeugtechnik schon überzeugt, werden vom Infotainment und der Software natürlich auch Höchstleistungen erwartet. So viel steht fest: Schnell ist das System rund um das große Display in der Mittelkonsole und den digitalen Tacho allemal. Aber Kia ist in etwa vergleichbar mit einem Android-Smartphone. Manche Menüs sind doch arg verschachtelt, die Struktur des Betriebssystems und aller Funktionen erschließt sich nicht unbedingt auf Anhieb. Der Kia kann fast alles und bietet eine enorme Funktionsvielfalt, versteckt diese aber gerne hinter viel zu vielen Klicks.
Doch keine Sorge: Es ist erlernbar. Es dauert eben nur eine Weile. Man gewöhnt sich auch daran, den nervigen (aber gesetzlich vorgeschriebenen) Geschwindigkeitswarner über die programmierbaren Schnellzugriff-Tasten abzuwürgen, bevor die Fahrt losgeht. Schön ist das nicht, aber das Problem haben alle Neuwagen.
An der Software fiel lediglich die automatische Ladeplanung des Navis negativ auf. Maximal sind nur vier Ladepunkte möglich und das Auto rechnet äußerst konservativ. Bei einer Fahrt von rund 400 Kilometern wollte der Kia unbedingt zweimal aufladen, jedoch reichte bei Hin- und Rückfahrt ein Ladestopp locker aus. Es ließ sich auch nicht einstellen, mit welcher Restreichweite man ankommen möchte – wer zu Hause eine Ladesäule hat, wird auch mit einstelligen Prozenten leben können. Hier muss der Mensch sich über die Wünsche der Maschine hinwegsetzen, sonst führt das oft zu unnötigen Pausen.
Als Fahrer, Beifahrer oder Passagier im Fond gibt es eigentlich nichts zu meckern. Im Gegenteil: Sogar voll besetzt haben im Kia EV6 alle Personen ausreichend Platz und Kopffreiheit, selbst die Lehnen der Rückbank sind individuell verstellbar. Ist es mal kälter, darf sich auch die hintere Reihe über eine Sitzheizung freuen. Für die vorderen Sitze gibt es die natürlich auch, eine Lenkradheizung wird ebenso geboten. Einzig Massagesitze, ein gerne verbautes Gimmick bei Elektroautos, fehlen dem Kia EV6.
Ablagemöglichkeiten gibt es genug, die Mittelkonsole bietet im Fußraum obendrein eine große Ablage. Die, so hat es der Test gezeigt, eignet sich hervorragend für Wollknäuel, die sich darin bestens abrollen, wenn der Beifahrer während der Fahrt einen Schal oder Socken stricken möchte.
Für das Handy einer Person steht obendrein eine kabellose Ladeschale zur Verfügung, alle weiteren Geräte müssen ans Kabel. Dafür gibt es sowohl vorne als auch hinten ausreichend Anschlüsse. Die kabellose Ladeschale fiel im Test durch einen etwas zu lauten Lüfter negativ auf. Das hört man aber nur im Stand bei absoluter Stille.
Wichtiger ist, dass im Kia EV6 nichts wackelt oder knarzt, die Verarbeitung ist auf einem durchweg hohen Niveau.
Fazit: Kia EV6 im Test
Wer einen optisch ansprechenden und technisch gut gerüsteten Wagen für die Mittel- und Langstrecke sucht, ist beim Kia EV6 goldrichtig. Die Reichweite, gepaart mit der sehr guten Ladeleistung, lassen kaum Wünsche offen. Wer allerdings möglichst weit kommen will, sollte die kleinen Felgen wählen. Die großen 20-Zoll-Räder schlucken merklich Kilometer.
Für die Software sollte man zumindest eine gewisse Lernbereitschaft mitbringen, belohnt wird man mit einem wirklich durchdachten Allrounder zu Preisen ab 45.000 Euro.
Gute Alternativen für den Kia EV6 wären wohl der VW ID.7 (hier im Test) oder auch ein Smart 3 Brabus (hier im Test).