Wittenberg steht für die Stätten der Reformation. Ein „Haus der Alltagsgeschichte“ zeigt etwas ganz anderes: wie die Menschen in der DDR wohnten.
Die DDR-Alltagsgeschichte lebendig zu erhalten, das ist seit rund 30 Jahren das Ziel eines Vereins in Wittenberg. In einem Haus nahe der berühmten Schlosskirche führt auf mehreren Etagen eine Zeitreise zurück in das Wohnmilieu der 40er bis 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts.
20 originalgetreu gestaltete Wohnräume, Küchen, Schlaf- und Kinderzimmer laden ein zu einem Besuch in die einstige DDR-Lebenswelt von Eltern und Großeltern. Jedes Stück der Ausstattung ist ein Original.
„Die Wohnungen wirken so lebensecht, es scheint, als wären deren Bewohner nur kurz mal abwesend und kämen gleich zurück, bekommen wir oft von Besuchern zu hören“, berichtete Christel Panzig bei einem Rundgang durch das „Haus der Alltagsgeschichte“.
Panzig ist Leiterin des Trägervereins PFLUG (Projektgemeinschaft Frauen, Landwirtschaft, Umwelt und Gesellschaft), der sich seit seiner Gründung in den 1990er Jahren mit dem Alltagsleben der Menschen im Osten Deutschlands beschäftigt.
Aktuell steht noch die festliche Dekoration in den Räumen: „In jedem der Wohnzimmer haben wir im Advent einen Weihnachtsbaum aufgestellt“, sagte Panzig. Die Dekoration bleibt auch noch nach den Feiertagen. Die davor liegenden Geschenke, von Puppenbett bis zum Stabilbaukasten, passen zum jeweiligen Zeitabschnitt. „Im Frühjahr wird selbstverständlich neu dekoriert. Für Ostern liegt bereits alles griffbereit im großen Depot.“
Umfangreiches Archiv mit Zeitzeugen-Interviews
Über Details informieren Audioguides, auch Touchscreens in den Museumsfluren ermöglichen tiefere Einblicke. Rund 9.000 Besucher werden es in diesem Jahr gewesen sein, die in Wittenberg in die Vergangenheit eintauchten, berichtet Panzig. Politische Strukturen sollen nach dem Willen der Gestalter in dem Haus nur eine untergeordnete Rolle spielen. Persönliches Erleben ostdeutscher Geschichte in allen Facetten indessen findet sich in dem umfangreichen Archiv, das Tausende Interviews von regionalen Zeitzeugen, Originalfotos und Dokumente enthält.
Auch bei den Vorbereitungen für die zum Mai 2025 geplante Ausstellung „Neuanfang in Sachsen-Anhalt nach Flucht und Vertreibung“ können sich Christel Panzig und ihr Team auf seit Mitte der 1990er Jahre gesammeltes Archivmaterial stützen.
Zusammenarbeit mit der Uni Halle
Das Interesse an diesem einzigartigen Schatz aus der Region wachse. Leider sei die Unterstützung der Stadt Wittenberg nicht ausreichend. „Wir stehen vor großen finanziellen Herausforderungen und brauchen deutlich mehr Förderung, um den Betrieb aufrechtzuerhalten“, sagte die promovierte Historikerin Panzig und verweist auf eine Archivierungsvereinbarung mit dem Historischen Datenzentrum Sachsen-Anhalt der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.
Karina Austermann, Sprecherin der Stadt Wittenberg, entgegnet: „Wir fördern die Einrichtung im Rahmen unserer Möglichkeiten, ebenso wie andere Vereine.“ Austermann sprach von einem guten Verhältnis zu dem Verein.