1964 landeten die Beatles in den USA und lösten mit ihrer Musik wie ihrem Humor eine Welle der Begeisterung aus. Der Film „Beatles 64“ zeigt, wie sie Amerika heilten und prägten.
Schon gleich am Anfang wird es lustig, weil da jemand ein Schild hochhält auf dem „Beatles machen Friseure arm“ steht. Und mit den Haaren geht es auch weiter, denn eine der ersten Fragen der Reporter lautet: „Tragt ihr Perücken?“
Es ist Februar 1964, die Beatles kommen zum ersten Mal in die USA und landen in New York auf dem Flughafen, der kurz davor in „JFK“ umbenannt wurde. Das Land steht immer noch unter dem Schock der Kennedy-Ermordung im November 1963. Und die, die so viel Hoffnung in ein neues Amerika mit diesem Präsidenten gesetzt hatten, taumeln und suchen nach Orientierung. „Beatles 64“, der Dokumentarfilm unter der Regie von David Tedeschi, beginnt seine Zeitreise mit genau diesen Szenen, JFK-Airport, hektisch fragenden Reportern, kreischenden Fans und den vier Beatles, die wie eine albernde Boygroup dieses Wunderland Amerika betreten.
Die Beatles entspannen die Amerikaner
Doch die Albernheit, besonders vom Beatles-Clown Ringo Starr, tut beiden gut, dem Publikum und der Band. Denn sie entspannt vom ersten Tag an die Starre und Sinnsuche der vor allen jungen Amerikaner. Der Film zeichnet das mit etlichen Szenen und Schnipseln nach. Selbst 60 Jahre später sieht und spürt man in den Gesichtern der meist weiblichen Fans auf den Straßen New Yorks, wie der Wundschmerz einer traumatisierten Gesellschaft wich, weil John Paul, George und Ringo in der Stadt waren.
„Für die Amerikaner kamen sie ungefähr vom Mars, denn kaum jemand wusste, wo oder was Liverpool ist“, sagt der US-Autor Joe Queenan. Und es gab natürlich auch die Warner und Moralwächter, denen der Hype und die Begeisterung unheimlich und verdächtig waren. „Wie die Röteln sind nun in New York auch die Beatles ausgebrochen“, schrieb eine Zeitung.
Doch der Rausch, den diese vier Liverpooler Jungs auslösten und der zum Beispiel dazu führte, dass vor ihrem Hotel angebliche Fetzen von Handtüchern, die sie benutzt hatten, teuer verkauft wurden, dieser Rausch war nicht mehr einzufangen. Denn sie waren Jungs, von denen sich jeder weibliche Fan ein Idol aussuchen konnte – manche mochten den nachdenklichen George, andere den singenden Paul und wieder andere den lustigen Ringo. Etwas, was man Jahrzehnte später als Boygroup-Konzept erfinden sollte. Und sie waren damals im Unterschied zu Musikern wie dem breitbeinigen Elvis Presley beinahe androgyn, mit Frisuren, die sich komplett vom kantig kurzen US-Männerhaarschnitt unterschieden.
Eine hübsche Zeitreise in die Jahre der analogen Technik
Der Film zeigt dann auch wunderbar, wie sich die immer sehr schnelle Konsumindustrie Amerikas darauf einstellte und versuchte massenhaft Beatles-Perücken und Beatles-Shampoo zu verkaufen. Und überhaupt ist „Beatles 64“ eine hübsche Zeitreise in die Jahre der sehr, sehr analogen Technik. Die Telefone haben Spiralschnüre, Musik wird auf Plattenspielern oder aus kleinen Transistorradios gehört, und in den Plattenläden gab es Hörkabinen, in denen sich manchmal drei, vier Beatles-Fans drängelten, um die neuen Songs zu hören.STERN PAID 24_23 Beatles Fotostrecke 15.30
Doch neben ausführlichen Originalaufnahmen des ersten Auftritts der Band in der damals berühmten „Ed Sullivan“-TV-Show mit über 70 Millionen Zuschauern und Ausschnitten des Beatles-Konzertes in Washington zeigt und erzählt „Beatles 64“ in vielen Szenen die immense Wirkung der Musik und der Band. Jamie Bernstein, Tochter des Komponisten und Dirigenten Leonard Bernstein, erinnert sich an den Abend der Beatles im US-Fernsehen, als bei den Bernsteins erstmals ein kleiner Fernseher an den Dinner-Tisch gebracht wurde und auch Vater Leonard beeindruckt war. Und dann war eine Kamera bei einer Familie Gonzales, Vater und drei Töchter, und beobachtet eines der Mädchen, das mit unbeschreiblichem Glück in den Augen der Band im Fernsehen zusieht und verträumt seufzt: „So toll.“ Es ist ein kleiner, aber einer der stärksten Momente in „Beatles 64“.
Eine Erklärung über die Kraft der Musik
Neben Zeitzeugen wie Smokey Robinson und David Lynch kommen auch die noch lebenden Beatles Paul McCartney und Ringo Starr zu Wort, denen man anmerkt, wie sehr diese Tage in den USA sie damals geprägt haben. Vor allen Ringo Starr, im Gesicht dicht bartbewaldet, erinnert sich da an viele Details und Bühnen, die sich drehten und er dabei seine Band aus den Augen verlor.
Und je länger man dann „Beatles 64“ zuschaut, desto mehr tritt die Zeitreise in den Hintergrund und wird stattdessen zu einer bildreichen Erklärung über das, was Musik konnte und kann. Da ist einmal Paul McCartney, der erzählt, dass die direkte Ansprache an die Fans, die vielen „love you“ und „hold your hand“ das simple Geheimnis der frühen Beatles-Hits waren. Dann erklärt Smokey Robinson, wie sehr die Beatles als weiße Band die Musik der Schwarzen würdigten und es so dazu kam, dass auf Partys und Konzerten Weiße und Schwarze erstmal etwas gemeinsam hatten.
Und dann zitiert der Autor Joe Queenan den Musiker Van Morrison mit den Worten, dass „Musik heilt. Sie stoppt die Blutungen.“ Und genau das war der Moment als die Beatles 1964 nach Amerika kamen und ihre Musik aus jedem Transistorradio, um das sich Menschen versammelt hatten, zu hören war. „Manche unserer Väter“, so Queenan, „hatten sich von der Ermordung Kennedys nicht erholen können. Aber wir schon.“