Die FDP plante den Koalitionsbruch drehbuchartig – mit dem Begriff "D-Day". Doch die Parteispitze dementierte dieses Vorhaben lange. Das kommt schlecht an in der Presse.

Die FDP plante den Koalitionsbruch drehbuchartig – mit dem Begriff „D-Day“. Doch die Parteispitze dementierte dieses Vorhaben lange. Das kommt schlecht an in der Presse.

Ein detailliertes Papier der FDP zum Ausstieg aus der Ampel-Koalition bringt die Parteiführung in Erklärungsnot und sorgt für Chaos bei den Liberalen: Generalsekretär Bijan Djir-Sarai tritt zurück. 

Für den politischen Gegner ist die Debatte ein gefundenes Fressen. Das „D-Day“-Szenario sorgt auch in der deutschen Presselandschaft für Kopfschütteln. Viele Kommentatoren stören sich daran, dass die Partei ihre Planung für das Ampel-Aus erst öffentlich machte, als es schon an einige Medien durchgesickert war und sehen die Parteiführung nach vorherigen wortreichen Dementis der Lüge überführt.

Presse vermisst Ehrlichkeit bei der FDP

Hier eine Auswahl an Kommentaren aus hiesigen Medien, die Meinungsstücke in voller Länge sind am Ende dieses Artikels verlinkt.

„Wirtschaftswoche“: Allen bürgerlichen Anstand verloren

„Knapp drei Monate vor der Wahl arbeiten die Liberalen hart und fleißig daran, aus dem Bundestag zu fliegen. Sie haben sich selbst erledigt. Das bürgerliche Korrektiv in einer Koalition mit zwei linken Parteien wollten sie immer sein. Nun zeigt sich, dass sie dabei jeglichen bürgerlichen Anstand verloren haben (…) Lügen geht gar nicht. Noch so eine Grundregel der öffentlichen Kommunikation. Die FDP-Führung hat viel Vertrauen zerstört.“ FDP Papier zum D-Day Reaktionen 07.36

„Tagesspiegel“: Unglaubwürdige Erklärungsversuche 

„Es ist geradezu lachhaft. Jetzt den Versuch zu starten, das Ganze als kleines Planungsspiel eines Bundesgeschäftsführers abzutun, von dessen Papier die gesamte Führung nichts gewusst habe, ist absolut unglaubwürdig. Selbst wenn das so wäre, wäre es schlimm genug und würde zeigen, wie wenig der Parteichef seinen Laden im Griff hätte.“

„Augsburger Allgemeine“: Erst Lügen, dann der Offenbarungseid

„Entlarvend schon allein deshalb, weil FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai noch vor wenigen Tagen behauptet hatte, man selbst habe den Begriff „D-Day“ nie verwendet. Damit nicht genug: Bijan Djir-Sarai bezeichnete es sogar eine „Frechheit“, dass die Medien anderes unterstellt hätten. Und FDP-Silberrücken Wolfgang Kubicki nannte die Berichte dazu „Märchen“. Nun also der Offenbarungseid in eigener Sache. Man habe nichts zu verbergen, das sollte wohl die Botschaft sein. Doch das achtseitige Papier zeigt in irritierender Weise, worum es der FDP in Wahrheit ging: allein um sich selbst.

„Handelsblatt“: Ein Shitstorm mit Ansage

„Warum rennt eine Partei sehenden Auges derart in den Shitstorm? Eine mögliche Erklärung: „D-Day“ bezieht sich gar nicht auf die Landung der Alliierten in der Normandie, sondern auf die Hollywood-Schauspielerin Doris Day. Das würde Sinn ergeben, denn auffällig viele von Days Filmerfolgen lassen sich als Anspielung auf das Ampel-Ende lesen: „Mit mir nicht, meine Herren“, „Eine zuviel im Bett“, sowie (leider nicht an der Seite von Olaf Scholz): „Zaubernächte in Rio“

Die wesentlich wahrscheinlichere Erklärung: Die D-Day-Präsentation lag zum Zeitpunkt der Veröffentlichung durch die FDP bereits mehreren Redaktionen vor, darunter dem Handelsblatt. Eine Berichterstattung hätte sich ohnehin nicht mehr verhindern lassen, daher die Flucht nach vorn.“

„Der Spiegel“: Weit entfernt von der Wahrheit

„Bis zuletzt bemühten sich die Verantwortlichen der Partei, die Existenz eines derartigen Dokuments in der Öffentlichkeit zu leugnen. Sie sprachen von „Lügen“ und „Märchen“. Ein Blick auf die jüngsten Äußerungen von Christian Lindner und Co. zeigt, wie weit sich manch einer dabei selbst von der Wahrheit entfernt hat.“

„Rheinische Post“: FDP als Hauptverantwortliche für den Ampel-Bruch

„Dass eine Partei sich entscheidet, nicht mehr Teil einer Regierungskoalition sein zu wollen, ist legitim. Sie darf sich auch auf alle möglichen Szenarien vorbereiten. Mit dem Strategiepapier entsteht nun aber doch der Eindruck, dass die FDP gegenüber den Koalitionspartnern und der Öffentlichkeit zumindest über einen kurzen Zeitraum nicht ganz ehrlich gewesen ist: Während sie sich innerlich von der Ampel bereits verabschiedet hatte, sprach FDP-Chef Christian Lindner etwa beim Wirtschaftsgipfel seiner Partei Ende Oktober noch von Regierungsverantwortung. Ungut auch, dass der Generalsekretär die Verwendung des Begriffs „D-Day“ dementiert hatte, er nun aber schwarz auf weiß nachzulesen ist (…) Die FDP steht als die Hauptverantwortliche für den Ampelbruch da, und die, die ihr ein abgekartetes Spiel vorwerfen, haben jetzt die Oberhand.“

Quellen und Pressestimmen im Wortlaut: „Wirtschaftswoche„, „Der Tagesspiegel„, „Rheinische Post„, „Augsburger Allgemeine„, „Der Spiegel„, „Handelsblatt