Der Streit um mögliche Entlassungen, Werkschließungen und Lohnkürzungen überschattet die zweite Tarifrunde bei VW. Die Fronten sind verhärtet, der Konzern steckt in der Krise.

Der Streit um mögliche Entlassungen, Werkschließungen und Lohnkürzungen überschattet die zweite Tarifrunde bei VW. Die Fronten sind verhärtet, der Konzern steckt in der Krise.

Volkswagen hat bei der zweiten Tarifrunde in Wolfsburg erstmals konkrete Details zu seinen Sparplänen genannt. Darin bestätigte VW-Verhandlungsführer und Marken-Personalvorstand Arne Meiswinkel unter anderem die Forderung, die Tariflöhne um zehn Prozent zu senken, wie beide Seiten nach gut sechs Stunden Verhandlung in Wolfsburg mitteilten. Zu möglichen Werksschließungen und Personalabbau machte Meiswinkel keine näheren Angaben. Das Unternehmen meldete unterdessen schwache Zahlen.

Von Juli bis September gab es demnach einen massiven Gewinneinbruch. Der Konzernüberschuss nach Steuern sackte verglichen mit dem Vorjahreszeitraum um 64 Prozent auf 1,58 Milliarden Euro ab, das Ergebnis im laufenden Geschäft schmolz um 42 Prozent auf 2,86 Milliarden Euro zusammen. Der Umsatz lag dagegen nur knapp unter Vorjahresniveau, trotz eines Absatzschwunds von sieben Prozent.

Sorge um Werke und Arbeitsplätze

Im Verhandlungssaal habe VW noch zahlreiche weitere Punkte genannt, darunter die Senkung der Zahl der Ausbildungsplätze, sagte IG-Metall-Verhandlungsführer Thorsten Gröger. „Diese Giftliste, die Volkswagen uns da vorgelegt hat, die ist relativ lang.“ Mit Blick auf die von VW geforderte Lohnsenkung sagte er: „Was Volkswagen hier präsentiert, wäre natürlich ein dreister Griff in den Geldbeutel der Beschäftigten und kein gangbarer Weg. Das sind keine Linien, die wir mitgehen können.“Vor Ort: VW Dresden 16.00

Zugleich begrüßte er, dass sich VW nun bereit zeige, über eine Zukunft aller Standorte ohne Werksschließungen und Massenentlassungen zu verhandeln. „Dieses grundsätzliche, wenn auch schwache Signal ist die Mindestbedingung gewesen, die das Unternehmen erfüllen musste, damit die IG Metall überhaupt noch am Verhandlungstisch bleibt. Anderenfalls hätten wir die Gespräche abgebrochen!“ Ab 1. Dezember wären dann auch Warnstreiks bei Volkswagen möglich.

Volkswagen sei „offen für jegliche zielführende Diskussion zur Erreichung des finanziellen Ziels», sagte VW-Verhandlungsführer Meiswinkel. Voraussetzung sei aber, dass die von VW gesteckten Einsparziele insgesamt erreicht würden. «Nur wenn wir gemeinsam Lösungen finden, unsere finanziellen Ziele zu erreichen, dann können wir uns auch konkrete Perspektiven für die deutschen Standorte und eine mögliche Beschäftigungssicherung vorstellen.» Details sollen zunächst in drei Kommissionen besprochen werden. Am 21. November wollen VW und Gewerkschaft zur nächsten Tarifrunde zusammenkommen.

VW verteidigt geplante Einsparungen

Zugleich verteidigte Meiswinkel den harten Sparkurs. „Die Lage spitzt sich weiter zu“, sagte er vor dem Beginn der Gespräche. „In der Konsequenz müssen wir unsere Effizienz steigern und unsere Kosten senken.“ Denn, so Meiswinkel: „Nur wer erfolgreich wirtschaftet, kann auch sichere Arbeitsplätze bieten.“

Die angeschlagene Kernmarke VW machte zwar im dritten Quartal mehr Umsatz als ein Jahr zuvor, der operative Gewinn fiel jedoch deutlich. „Dies zeigt den dringenden Bedarf von erheblichen Kostensenkungen und Effizienzsteigerungen“, sagte Finanzchef Arno Antlitz mit Blick auf die schwache Umsatzrendite von nur noch 1,8 Prozent bei der Marke.VW_Kommentar_Beschäftigte 18.05

Betriebsratschefin Daniela Cavallo, die für die IG Metall mit am Verhandlungstisch sitzt, dämpfte die Hoffnungen auf eine schnelle Einigung am Verhandlungstisch. Werkschließungen und Massenentlassungen seien nach wie vor nicht vom Tisch. „Dementsprechend warne ich auch davor, das als eine erste Annäherung zu interpretieren“, sagte sie. „Denn heute ist allenfalls der Startschuss für einen Marathon gefallen, bei dem nun endlich beide Seiten verstanden haben, dass sie gemeinsam durchs Ziel müssen.“ Doch, so Cavallo weiter: „Jetzt liegt wenigstens etwas auf dem Verhandlungstisch – auch wenn das meilenweit von unseren Vorstellungen entfernt ist.“

Milliardeneinsparungen beim Lohn

Cavallo hatte am Montag über Pläne von VW berichtet, mindestens drei Werke in Deutschland zu schließen und Zehntausende Arbeitsplätze abzubauen. Der Konzern selbst hat die Angaben bisher nicht bestätigt. Der VW-Haustarif gilt für rund 120.000 Mitarbeiter an den sechs großen westdeutschen VW-Standorten.

Den Konzern fordert Cavallo auf, gemeinsam ein Zukunftskonzept für den Konzern zu erarbeiten. „Jede Krise ist immer gemeinsam mit dem Betriebsrat und der IG Metall gemeistert worden. Und genau diesen Weg möchten wir einschlagen.“ Auch der Betriebsrat verkenne nicht, „dass wir in einer schwierigen Lage sind“. Dieser Situation wolle man auch Rechnung tragen. Cavallo fügte jedoch hinzu: „Da gehört sehr viel mehr dazu, als über Arbeitskosten und Fabrikkosten zu sprechen.“ Dazu sei der Konzern bisher aber nicht bereit.

Laut „Handelsblatt“ soll allein der von VW geplante Lohnverzicht zwei Milliarden Euro an Einsparungen bringen. Knapp 800 Millionen bringe demnach die Gehaltssenkung um zehn Prozent, weitere 1,2 Milliarden kämen durch das Streichen verschiedener Bonuszahlungen und Zuschläge sowie Nullrunden in den kommenden Jahren zusammen. Damit solle mehr als die Hälfte der insgesamt geplanten Einsparungen von knapp 3,6 Milliarden Euro allein über Lohnverzicht erzielen werden. Das Unternehmen äußerte sich bisher nicht dazu.