Für Gerhard Schröder müsse Raum in der SPD sein, sagte Generalsekretär Matthias Miersch im stern-Interview. Das sorgt für heftige Kritik – aber auch Zuspruch.
Diese Aussage sorgt für Gesprächsstoff im politischen Berlin, Irritationen und teils heftige Kritik: Auch für Altkanzler Gerhard Schröder müsse Raum in der SPD sein, erklärte der neue Generalsekretär Matthias Miersch im stern-Interview.
Der Altkanzler war wegen seiner Freundschaft zum russischen Präsidenten in Ungnade gefallen, nicht zuletzt in der SPD – und soll nun wieder ein Teil der Partei sein? Mierschs Argumentation wird kontrovers diskutiert, findet bei einigen Sozialdemokraten aber auch Zuspruch.
SPD-Politiker stützen Generalsekretär Miersch
„Man muss nicht alle Positionen teilen, um Respekt gegenüber denen zu haben, die früher Verantwortung für unsere SPD getragen haben“, sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner dem stern. So sei ein „bleibender Verdienst“ Schröders, das Land aus dem Irak-Krieg herausgehalten zu haben, auch progressive Reformen habe er als Kanzler durchgesetzt.
„Bei der Agenda 2010 hatte ich dagegen eine andere Meinung, zu manch anderem, was er als Ruheständler gemacht hat, auch“, sagte Stegner, „aber das gilt ja wahrscheinlich auch umgekehrt“. In der SPD dürfe man sich engagiert streiten, das sei gut so. „Das geht auch solidarisch und ohne öffentliche Beschimpfung des eigenen Vereins.“ Die Gegner seien nicht in den eigenen Reihen sondern in anderen Parteien, das habe Miersch deutlich gemacht.
Interview Matthias Miersch 05.40
So hatte Miersch dafür geworben, Schröders politische Leistungen zu würdigen und nicht in „Schwarz-Weiß-Kategorien“ zu denken. „Wir haben zwei Schiedsgerichtsverfahren gegen Gerhard Schröder gehabt. Beide haben ihm bescheinigt, dass er sich nicht parteischädigend verhalten hat“, sagte der neue SPD-Generalsekretär. Auf die Frage, ob in der SPD Raum für Schröder sein müsse, antwortete er: „Ja. Sonst hätte Gerhard Schröder aus der Partei ausgeschlossen werden müssen, das haben die Schiedsgerichte aber nicht getan.“ Als Jurist stehe Miersch „für diese rechtliche Klarheit, auch innerparteilich“.
Weiter sagte er: „Ich kann seine Lebensleistung, gerade als Vorsitzender des Bezirks Hannover, insgesamt würdigen, auch wenn ich eine fundamental andere Auffassung in Sachen Putin und Angriff auf die Ukraine habe“. Der Altkanzler habe viel für Deutschland geleistet, dazu gehöre etwa das Heraushalten aus dem Irakkrieg, der Automausstieg, das Ganztagsschulprogramm oder das Erlauben gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften. „Wir haben nie zusammen Politik gemacht, aber ich konnte wie viele andere auf seiner Arbeit aufbauen.“
Ähnlich sieht es Michael Müller, früherer SPD-Regierungschef in Berlin. „Ich teile die Ansicht von Generalsekretär Miersch“, sagte Müller dem stern. Die „verklärte Sicht“ des Altkanzlers auf Putin sei „indiskutabel“, doch Schröder habe nicht nur für die SPD sondern auch für das Land viel geleistet. „Das ist nicht nur eine juristische Frage, wie man mit dieser Lebensleistung umgeht.“
Kritik an Aussagen zu Gerhard Schröder
Deutlich schärfer reagierte die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann. „Der neue Generalsekretär der SPD, Matthias Miersch, ist schon jetzt ein Totalausfall und markiert das finale Scheitern der Zeitenwende in der SPD“, schrieb die Verteidigungsexpertin der Liberalen bei X, vormals Twitter. „Ausgerechnet Gazprom-Gerd will er rehabilitieren. Für ihn habe Schröder sich nicht parteischädigend verhalten, er gehöre mit seiner Meinung weiter zur SPD. Damit ist dann auch alles gesagt. Beschämend.“
Auch CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen übte deutliche Kritik. „Die Rehabilitation Schröders ist das Vorspiel zur Rehabilitation Russlands in der SPD“, meint Röttgen. „Unglaublich und würdelos für eine Partei, die unter Helmut Schmidt und unter höchstem persönlichen Einsatz für Sicherheit in Europa gekämpft hat.“
Der Satiriker Jan Böhmermann fand für Mierschs Aussagen zum Altkanzler nur ein Wort: „Ekelhaft.“
Der von 1998 bis 2005 amtierende Kanzler Gerhard Schröder war in den vergangenen Jahren wegen seiner Nähe zum russischen Präsidenten Putin mehr und mehr in die Kritik geraten. Auch nach Annexion der Krim und dem Überfall Russlands auf die Ukraine rückte der Altkanzler nicht von Putin ab. In einem stern-Interview wenige Monate nach der Invasion sagte Schröder: „Ich halte diesen Krieg für einen Fehler der russischen Regierung. Das habe ich auch öffentlich gesagt. Aber ich muss deswegen nicht ständig den Empörer spielen, das können andere tun.“ Weiter forderte er nach dem völkerrechtswidrigen Angriff seinerzeit „Zugeständnisse auf beiden Seiten“ und fragte „Würde eine persönliche Distanzierung von Wladimir Putin wirklich irgendjemandem etwas bringen?“ Mehrere Parteiausschlussverfahren gegen Schröder waren danach ohne Erfolg geblieben.