Die Corona-Variante XEC könnte das Infektionsgeschehen bei uns bald beherrschen. Müssen wir uns so kurz vor dem Winter Sorgen machen?

Die Corona-Variante XEC könnte das Infektionsgeschehen bei uns bald beherrschen. Müssen wir uns so kurz vor dem Winter Sorgen machen?

Wann und wo wurde die neue Variante entdeckt?

Erstmals wurde das Erbgut von XEC Ende Juni in Deutschland identifiziert und in die entsprechenden internationalen Datenbanken eingetragen. Aktuelle Daten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) deuten allerdings darauf hin, dass XEC schon früher im Umlauf war. Denn die WHO gibt den 16. Mai 2024 als den Tag an, von dem die frühesten Proben stammen, und die waren offenbar aus Italien. 

Aber das spielt angesichts der enormen internationalen Vernetzung auch keine große Rolle. Wegen ihrer zunehmenden Verbreitung stellte die WHO die neue Variante jedenfalls am 24. September „unter Beobachtung“. Das ist so etwas wie die unterste Alarmstufe. Letztlich besagt sie nur: Wir behalten diesen Virustyp im Blick, damit es nicht zu bösen Überraschungen kommt. Dass die WHO-Liste mit der höchsten Alarmstufe („Variant of Concern“, also „besorgniserregende Variante“) derzeit leer ist, darf uns aber beruhigen. 

Was zeichnet XEC aus und macht diese Variante „fitter“ als andere?

Der Name signalisiert Insidern bereits die Entstehung dieser Variante. Denn in der international üblichen Nomenklatur steht das „X“ für ein „rekombinantes“ Mitglied der inzwischen riesigen und immer weiter wachsenden Familie von Sars-CoV-2. Denn das ist immer noch das Virus, von dem die Rede ist. Gehen wir tiefer in den Stammbaum, dann finden wir dort seit November 2021 den Omikron-Zweig. Und in den gehört auch XEC wie praktisch alle derzeit umlaufenden Varianten jenes Virus, das Ende 2019 im chinesischen Wuhan erstmals entdeckt worden war. „Rekombinant“ ist XEC, weil es sich aus zwei Bruchstücken verschiedener Vorläufer zusammensetzt: KS.1.1 und KP.3.3. Warum kommt dann kein „K“ in der Virusbezeichnung vor? Weil die Buchstaben „EC“ für Fachleute den Ort im sich immer weiter auffächernden Stammbaum markieren, wo XEC hingehört.

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Zu solchen rekombinanten Verbindungen kann es kommen, wenn sich ein Mensch gleich mit zwei verschiedenen Virusvarianten angesteckt hat. Werden die dann in derselben Zelle vervielfältigt, kann der Aufbau neuer Viren durcheinanderkommen, und es entsteht plötzlich eine Mischvariante. Im Fall von XEC erfolgte der genetische Bruch mitten in jenem Teil des Erbguts, der das in der Pandemie berühmt gewordene Andock-Eiweiß „Spike“ beschreibt. 

Solche Unfälle führen meist zu Virusvarianten, die nicht einmal vermehrungsfähig sind oder aber von besser angepassten Varianten schnell verdrängt werden. Doch der Zufall hat bei XEC offenbar zu einer Variante geführt, die sich nicht nur vermehren kann, sondern wohl sogar etwas ansteckender ist als alles, was sonst noch an Omikron-Subvarianten umgeht.

Droht uns eine neue Corona-Welle?

Zumindest nicht allein wegen XEC. Die Zahl der Atemwegserkrankungen war bei uns schon angestiegen, als XEC noch kaum eine Rolle spielte. Außerdem hätten auch schon die Vorgänger-Varianten völlig genügt, um eine saisonale Corona-Welle auszulösen. Dabei sollte auch klar sein, dass viele Faktoren in den Verlauf des Infektionsgeschehens eingehen. Tiefere Temperaturen und eine niedrigere Luftfeuchtigkeit – kalte Luft kann weniger Wasser aufnehmen als warme – begünstigen Atemwegsinfektionen, egal welcher Erreger dahintersteht. Darum kommt es im Herbst und Winter zu besonders vielen Ansteckungen. 

Der zweite wichtige Faktor ist unser eigenes Verhalten. Aus der Pandemie wissen wir noch, wie sehr die Zahl der „Kontakte“ die Zahl der Infektionen beeinflusst. Wir wissen auch, dass bei der Begegnung von Menschen die Gefahr einer Virenübertragung von etlichen Faktoren abhängt, beispielsweise vom Abstand, von der Verweildauer, auch vom Impfstatus der Beteiligten und vom Immunstatus in der Bevölkerung insgesamt. 

Eine alte Bekannte könnte uns auch gute Dienste leisten: die Maske, idealerweise mit einem FFP2-Standard. Sind Mund und Nase zumindest dann damit bedeckt, wenn wir in dicht gedrängte Menschengruppen geraten, muss uns auch XEC nicht schrecken. Dass diese Variante dominierend wird, ist gut möglich. Nach Angaben des Robert Koch-Instituts lag der Anteil von XEC an den derzeit bei uns umlaufenden Coronavarianten in der ersten Oktoberwoche bei gut 39 Prozent gegenüber gut einem Prozent Ende Juni. Auch weltweit ist XEC auf dem Vormarsch und könnte die nächsten Monate dominieren. Aber wer weiß schon, welche vielleicht noch etwas fittere Variante bald irgendwo auf der Welt auftritt.

Unterscheiden sich die Symptome, die von XEC ausgelöst werden, von früheren Varianten?

Nein. Jedenfalls nicht im Vergleich zu den anderen Mitgliedern der großen Omikron-Familie. Es gibt derzeit keine Hinweise auf andere Krankheitszeichen als die schon gewohnten: Fieber also oder auch nur eine erhöhte Temperatur zwischen 37 und 38 Grad, ein allgemeines Krankheitsgefühl mit Schlappheit und Gliederschmerzen, dazu grippeähnliche Symptome wie Halskratzen, Schnupfen, Husten. 

Das alles bewirken auch die schon bekannten Omikron-Varianten, und derzeit gibt es keinen Anlass, eine weitergehende Gefahr zu vermuten. Womöglich setzt sich auch eine Tendenz fort, die seit Beginn der Pandemie beobachtet wurde: Die Varianten werden ansteckender und die Krankheitsbilder leichter. Überraschungen sind natürlich auch bei den Symptomen möglich, aber zumindest derzeit nicht wahrscheinlich.

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Wirken die aktuellen Impfstoffe noch gegen XEC?

Ja, sie wirken, auch wenn die jetzt schon verspritzten Vakzine für so etwas wie die Großeltern-Generation von XEC angepasst wurden, für JN.1 nämlich, von dem jene beiden Varianten KS.1.1 und KP.3.3 abstammen, aus deren Bruchstücken sich XEC zusammensetzte. Die Grundimmunität gegen Sars-CoV-2 ist in der Bevölkerung ja ohnehin inzwischen durch diverse Impfungen und überstandene Erkrankungen gut ausgebildet. 

Es bleibt aber das Problem, dass die neutralisierenden, genetisch genau passenden Antikörper ein paar Monate nach den Impfungen in der Wirkung nachlassen. Darum sind ja für die Gruppen mit besonderem Risiko auch Booster-Impfungen empfohlen, die seit August auch in Deutschland wieder verfügbar sind. Eine noch nicht endgültig geprüfte Studie der Universität Göttingen und der Medizinischen Hochschule Hannover zeigte, dass der JN.1-Impfstoff von Biontech/Pfizer zwar besser gegen JN.1 als gegen XEC und die ebenfalls noch bei uns verbreitete Variante KP.3.1.1 wirkt. Aber in jedem Fall brachte der Booster eine deutlich verbesserte Schutzwirkung. Trotz nicht ganz genau passender Impfstoffe ist ein Booster also sinnvoll.