Ausgerechnet Jürgen Klopp, der Held nicht nur unseres Kolumnisten, tritt der Brausesekte Red Bull bei. Sein Fall zeigt: Wir sollten vorsichtiger sein, wen wir auf ein Podest heben.
Wenn er uns alle geblendet hat, dann wissen wir bei ihm zumindest womit.
Das strahlende Lachen und die gefletschten Zähne (je nach Spielstand) sehen wir künftig in Logen und Konferenzräumen des Red Bull- Konzerns, anstatt auf der Bank eines Herzensvereins. Eben das war doch Jürgen Klopps angestammtes Habibat: die Tradition, das Erdverbundene, die echte Liebe. Kloppo, das war doch immer der Pöhler! Und nun spielt er mit dem fragilen Gerüst unserer Weltanschauung rüde Dosenwerfen. Diese Authentizitätsbombe, die gleich drei vertrocknete Traditionsclubs in den schillerndsten Farben zum Erblühen gebracht hat: Mainz, Dortmund, Liverpool. Der grüne Daumen im kapitalistischen Steingarten Profifußball.
Als er seinen Abschied von Liverpool verkündete, da weinten wir alle mit. Und klar, wir haben verstanden, dass er von diesem stressigen Business mal eine Pause brauchte. Es ist schließlich ein Schweinegeschäft. Und er war ohne Energy. Dass Red Bull genau diese verleiht, ist eine gern geglaubte Behauptung des Konzerns. Dass Red Bull sich primär für Fußball interessiert und den Sport nicht eben als billiges Vehikel benutzt, um seine Brause zu promoten, ist eine weniger gern geglaubte.kurzbio beisenherz
Für Kuttenträger, Dauerkartenbesitzer oder currywurstfressende Journalisten brach nicht weniger als eine Welt zusammen. Klopp: der Name der Dose. Bange Frage: Sollte sogar der Profifußball teilweise empfänglich für Kommerz sein? Binnen weniger Minuten sackten die Popularitätswerte des eben noch bundeskanzlertauglichen Kult-Coaches bedenklich unterhalb der Nestlé-Schwelle ab. Sogar Uli Hoeneß oder Clemens Tönnies mussten kurz schlucken.
Jürgen Klopp – dem Mann ist alles zuzutrauen
Als er neulich ein Foto mit dem „coolen Typen“ Dieter Bohlen postete, war mir schon klar: Dem Mann ist alles zuzutrauen. Da wurde einer nicht aus dem Paradies vertrieben, weil er vom Apfel genascht hatte. Das war mindestens ein halber Obstsalat! Selbst ein Wechsel zum FC Bayern wäre da eine noch lässliche Sünde gewesen. Ausgerechnet der, dessen vielleicht größte Lebensleistung es war, sich nie anmerken zu lassen, als Schwabe geboren zu sein, entscheidet sich jetzt für das große Geld?
Auch ich empfand ein Störgefühl. In Dortmund haben wir uns bis heute nicht davon erholt, dass der Papa ausgezogen ist.
“You either die a hero or you see yourself become the villain”: So lautet ein Zitat im Batman-Film „The Dark Night“ und beschreibt die Wandlung des ehrenhaften Staatsanwaltes Harvey Dent zum schurkischen Harvey Two-Face. Wenn Helden nicht rechtzeitig sterben, ist es nur eine Frage der Zeit, bis sie zum Schurken taugen. Wo man hinsieht, warten Denkmäler nur darauf, vom Sockel zu faulen. Frag nach bei der einstmals so gefeierten Greta Thunberg, die uns vor rund fünf Jahren als zorniges Mädchen eindringlich ins ökologische Gewissen geredet hatte, dass selbst die Konsumbibel „GQ“ sich im eigenen Blatt verzaubert vom schwedischen Covergirl für das eigene exzessive Luxuspromoten schelten ließ. Übrig geblieben ist nunmehr eine geistig verwirrte Antisemitin von Anfang 20, die bei in Hassreden kippenden Protesten von der Polizei weggeschleppt wird. Patriarchat, Kapitalismus, Israel – Hauptsache, weg damit. So klingt es bei ihr.Kommentar zu Klopps RB-Wechsel 13:34
Gefallene Idole säumen den Pfad der Öffentlichkeit. Da oben, wo wir sie hingehoben haben, hätten sie eh nicht atmen können. Nie haben die Amerikaner der Nationalheiligen Jackie Kennedy vergeben können, den griechischen Reeder Aristoteles Onassis geheiratet zu haben. Hätte unser Boris Becker nicht einfach Steffi Graf ehelichen und ein bisschen aufs Geld achten können? Der letzte Ehrenmann des Rock’n’Roll (neben Bruce Springsteen natürlich), Dave Grohl muss zugeben, ein außereheliches Kind gezeugt zu haben, und wer weiß: Womöglich leistet sich sogar der allseits beliebte Donald Trump irgendwann mal einen moralischen Fehltritt.
Ausgerechnet Red Bull
Sensiblere Gemüter nestelten schon vor Jahren nach dem Cognac in der Hausbar, als ihr Bildungsbürgermeister Harald Schmidt ihnen erst einen gewissen Oliver Pocher als Co-Moderator vorstellte, nur, um dann auch noch regelmäßig auf dem Seichtwasserdampfer „Traumschiff“ anzuheuern. Ihr Idol, weisungsgebunden im Organigramm unter Florian Silbereisen? Das ist ja wie ein Seite-eins-Mädchen bei der „FAZ“! Vielleicht wollte Schmidt, der schon lange tödlich gelangweilt schien von der grenzenlos öden Verehrung seines Oberstudienratspublikums, dem kritiklosen Plebs mal etwas zu kauen geben, um sich selbst endlich wieder selber zu spüren. Ob der ebenfalls übernatürlich verehrte Kult-Kloppo eine ähnliche Motivation hatte, entzieht sich meiner Kenntnis. Kein noch so fragwürdiger Werbepartner jedenfalls konnte an seiner Reputation kratzen. Und spätestens bei der deutschen Vermögensberatung zuckt sogar Carsten Maschmeyer nervös mit der Augenbraue.FS Kloppo und die Fans 17:55
Dass es in einem globalen Ballsportwettbewerb mit Schurkenstaaten, Schweinekonzernen und Betriebsmannschaften schurkischer Unternehmen jetzt ausgerechnet Red Bull sein sollen, das den Profifußball und seinen Goldjungen entzaubert, darf man auch etwas verwundert zur Kenntnis nehmen. Während die Geldgeber ausgehöhlter und entkernter Traditionsclubs wie Manchester City und PSG es aus Staatsräson eher nicht mit Menschenrechten, Diversität oder Queerness halten, kann man dies dem Konzern aus Fuschl so nicht nachsagen. Dass Pep Guardiola oder Thomas Tuchel deshalb in ähnlicher Vehemenz kritisiert worden wären, ist mir nicht erinnerlich. Aber da habe ich womöglich übersehen, dass die Brause-Molkerei aus Österreich das Einfallstor für den Faschismus ist.
Am Ende ist Klopp das Opfer unserer Projektionen. Ein Mann, der einen vergleichsweise glanz- wie harmlosen Job als „Head of Global Soccer“ angenommen hat, in dem er mit seiner Frau Ulla ein paar schöne Reisen um die Welt macht und dafür auch noch ein paar Euro bekommt. Und wenn er 2026 gut erholt Bundestrainer wird, ist dieser gut bezahlte Frühstücksdirektorenposten auch vergessen. Bis dahin sollten wir uns daran erinnern, dass die Helden unserer Zeit vor allem eins sind: Menschen. Bei weitem nicht so gut, wie wir sie machen. Aber oft auch nicht so schlimm. Wir selbst waren nur dumm genug, sie in unserem Verehrungsfuror auf ein Podest zu hieven.
Und ärgern uns jetzt, dass uns die Arme weh tun.