Sie sollen im Umland sogar 60 km/h und schneller fahren - aber ohne Fahrer auskommen: autonome Kleinbusse sollen noch im Oktober Testpassagiere befördern. Das Land fördert das Projekt mit Millionen.

Sie sollen im Umland sogar 60 km/h und schneller fahren – aber ohne Fahrer auskommen: autonome Kleinbusse sollen noch im Oktober Testpassagiere befördern. Das Land fördert das Projekt mit Millionen.

Mannheim und Friedrichshafen testen ab sofort je zwei sogenannte autonome Kleinbusse für den öffentlichen Personennahverkehr. Jedes Fahrzeug wird als Teil des Projektes „RABus“ bis zu zehn Passagieren Platz bieten, hat zwar einen Sicherheitsfahrer an Bord, kann aber selbstständig fahren, wie das Verkehrsministerium mitteilte. 

Für das Projekt liege eine der bundesweit ersten Erprobungsgenehmigungen für das sogenannte hochautomatisierte Fahren vor. „Damit hebt Baden-Württemberg das autonome Fahren mit Shuttleverkehren auf die nächste Stufe und macht so einen deutlichen technologischen Schritt nach vorne“, sagte Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne). 

Beim hochautomatisiertem Fahren fährt ein Fahrzeug unter vorgegebenen Voraussetzungen selbst, ein Eingreifen des Menschen soll nicht mehr notwendig sein. Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen spricht in Bezug auf RABus von einer „Sonderstellung“ und verweist unter anderem auf eine deutlich fortgeschrittenere Technologie im Vergleich zu ähnlichen Projekten sowie der engen Verknüpfung mit ÖPNV-Betreibern. 

„RABus“ steht für „Reallabors für den Automatisierten Busbetrieb im ÖPNV“. Zunächst sollen die Busse laut Projektpartner ohne Passagiere fahren. Wer ab voraussichtlich Ende Oktober mitfahren will, muss nichts dafür zahlen, sich allerdings vorher anmelden. Das Projekt wird wissenschaftlich unter anderem vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) begleitet. Das Land fördert das Projekt, das bis Dezember läuft, mit knapp 14 Millionen Euro. Die Technik für das autonome Fahren stammt von dem Automobilzulieferer ZF in Friedrichshafen.

Einsatz der Kleinbusse im normalen Verkehr – inklusive Haltestellen

In Friedrichshafen sollen die Kleinbusse laut Verkehrsministerium sowohl innerhalb der Stadt fahren, als auch im Umland – und dort dann mindestens 60 km/h.“Dabei werden die automatisierten Fahrzeuge im Mischverkehr mit allen übrigen Verkehrsmitteln eingesetzt“, sagte eine Sprecherin. Die Strecke umfasst demnach 20 Haltestellen. In Mannheim sollen die Busse im Wohngebiet Franklin auf dem ehemaligen US-Militärgelände eingesetzt werden und acht Haltestellen anfahren. 

Laut Projektleiterin Ulrike Weinrich vom FKFS (Forschungsinstitut für Kraftfahrwesen und Fahrzeugmotoren Stuttgart) ist die Weiterentwicklung der Fahrzeuge auch Teil des Projektes. „Es gibt in Deutschland niemanden, der sagt: Du kannst dieses autonome Shuttle von mir kaufen.“ Die Elektro-Kleinbusse werden laut Verkehrsministerium in Slowenien von dem Unternehmen eVersum produziert, ZF baut seine Technologie selbst in die Fahrzeuge ein. Zu den Kosten äußern sich die Projektpartner nicht.

Die Kleinbusse sind laut ZF mit Lidar-, Radar- und Kamerasystemen für die Erkennung des Umfelds ausgestattet. Lidar-Sensoren funktionieren ähnlich wie Radar, allerdings senden sie keine Radiowellen, sondern Laserstrahlen aus, um Hindernisse zu orten. Ein Hochleistungsrechner verarbeitet die Daten demnach und leitet daraus Fahrstrategien ab. Außerdem können die Kleinbusse demnach über Funksignale mit Ampeln kommunizieren. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die Busse bei Rot halten und bei Grün fahren. Zudem sind die Shuttles per Cloud mit einer Leitstelle verbunden.

Fahrzeuge fahren zu Projektbeginn „defensiv“

„Ziel ist es, zum Projektende einen Betrieb ohne das aktive Eingreifen eines Sicherheitsfahrers gewährleisten zu können“, sagte ein ZF-Sprecher. Allerdings werde während des Projektbetriebes stets ein Fahrzeugbegleiter, der die Funktion des Shuttles überwache, mitfahren – so laute auch die gesetzliche Vorgabe. „Zudem fahren zu Projektbeginn die Fahrzeuge defensiv und reagieren bei jeder potenziellen Gefahrensituation sehr vorsichtig.“

Die Mannheimer Rhein-Neckar-Verkehrsgesellschaft als Projektpartner sieht autonome Busse auf absehbare Zeit nicht als Ersatz für reguläre Busse und Bahnen. „Vielmehr könnten autonom fahrende Fahrzeuge in Zukunft überall dort interessant werden, wo sich ein konventionelles Angebot mit Bussen nicht lohnt oder schlicht überdimensioniert wäre“, sagte ein Sprecher. Dabei gehe es etwa um die sogenannte letzte Meile zwischen Stadtbahnhaltestelle und Reiseziel oder in der Nacht.

Die Stadtverkehr-Friedrichshafen-Gesellschaft verweist zudem auf die Personalfrage. „Vor dem Hintergrund des akuten Fachkräftemangels in der Busbranche bieten die autonom fahrenden Shuttles großes Potenzial, um die angespannte Personalsituation zu entlasten“, sagte ein Sprecher.