An den Mai 1982 denken Hoeneß und Rummenigge nicht gerne zurück. Damals gewinnt Aston Villa den Europapokal. Besonders wird das nächste Bayern-Spiel gegen die Engländer für Trainer und Torjäger.
Vor seiner emotionalen Rückkehr auf die Insel musste sich Harry Kane noch einmal kurz vor dem Rasensprenger wegducken. Vor dem geschichtsträchtigen Champions-League-Duell des FC Bayern München bei Aston Villa schleppte sich der 31-Jährige mit den schmerzhaften Folgen des Bundesliga-Spitzenspiels herum, seine Teilnahme am Abschlusstraining der Münchner zerstreute aber die Sorgen um einen möglicherweise drohenden Ausfall des englischen Goalgetters.
Kane wich der Beregnung an der Säbener Straße entspannt aus und absolvierte nach einem kurzen Plausch mit Assistenztrainer Rene Maric das für Medien einsehbare Programm. Das klare Zeichen: Der Villa-Experte lässt sich bei der ersten Münchner Europapokalreise für Trainer Vincent Kompany von der Blessur am linken Knöchel keineswegs stoppen.
Bei Kane sieht es „gut aus“
„Er hat getroffen im Training, es sieht gut aus“, sagte Sportvorstand Max Eberl lachend vor dem Abflug der Münchner nach Birmingham. „Er ist dabei auf jeden Fall.“ Er sei aber kein Arzt, man müsse bei Kane die Nacht noch abwarten. „Es fühlt sich gerade sehr gut an.“
Ähnlich dürfte es bei dem Goalgetter sein. „Immer, wenn ich nach Großbritannien zurückkehre, freue ich mich, dort zu spielen“, sagte Kane, die langjährige Galionsfigur von Tottenham Hotspur. „Natürlich wird es eine tolle Atmosphäre sein, denn es ist das erste Heimspiel für sie in der Champions League seit langer, langer Zeit.“
Das hob auch Kompany hervor, der als langjähriger Profi bei Manchester City und kurzzeitiger Coach beim FC Burnley reichlich Premier-League-Expertise hat. „Aston Villa hat 20 oder 30 Jahre lang keine Champions League mehr gespielt. Das wird besonders sein“, sagte der 38 Jahre alte Belgier mit Blick auf die Partie am Mittwoch (21.00 Uhr/DAZN). Um genau zu sein, ist das sogar schon mehr als vier Jahrzehnte her (1982/83).
Bayern-Schreck auf Trainerbank
Als Aston Villa und der FC Bayern das einzige Mal im Europapokal aufeinandertrafen, war Kompany noch nicht auf der Welt. Im Endspiel des Europapokals der Landesmeister im Mai 1982 unterlagen die überlegenen Münchner mit 0:1. In den Jahrzehnten danach ging es für den Traditionsclub aus der zweitgrößten Stadt des Vereinigten Königreiches zwischenzeitlich auch in die zweite Liga runter.
Unter Trainer Unai Emery, der die Bayern vor zwei Jahren mit dem FC Villarreal im Viertelfinale der Champions League überraschend aus dem Wettbewerb warf, erlebt Villa eine neue Glanzzeit. „Aston Villa ist, wenn man die letzten zwei Jahre verfolgt hat, ein bisschen die Überraschungsmannschaft, die in die Phalanx der ganz großen Vereine in der Premier League reingestoßen ist“, sagte Sportvorstand Max Eberl. „Deswegen gibt es keinen, der Aston Villa unterschätzt.“
„Sie spielen einen sehr intensiven Fußball und es wird, glaube ich, ein richtig packendes Fußballspiel werden“, sagte Bayern-Sportdirektor Christoph Freund. Für Coach Kompany werde es ein besonderer Abend. „Er ist ewig in der Premier League Spieler gewesen, Trainer. Das wird sicher ein spezielles Spiel“, sagte Freund. Als Trainer verlor Kompany in zwei Spielen zweimal gegen Villa, die Spielerbilanz fällt deutlich zu seinen Gunsten aus. „Der Trainer wird sie besser kennen als jeder andere von uns“, sagte Kapitän Manuel Neuer und hob den Leistungsanstieg unter Kompany hervor. „Wir haben das Vertrauen zurück.“
Kimmich: Trainer kennt die Spieler-Gedanken
Nicht einmal 100 Tage ist der als Überraschungslösung präsentierte Kompany im Amt – seine Handschrift ist schon deutlich erkennbar. Dominanz, beeindruckendes (Gegen-)Pressing, variables Offensivspiel – der frühere Spitzenspieler begeistert seine Stars. „Ein Trainer, der selbst auf diesem Niveau gespielt hat, kann das sehr gut vermitteln mit seiner Erfahrung“, sagte Joshua Kimmich. „Er weiß, wie wir uns fühlen, was für Gedankengänge wir haben.“
Das goutiert auch Kane, der sein Final-Trauma von der Europameisterschaft längst verarbeitet hat. Englands Nationalmannschaftskapitän profitiert von der Flexibilität unter Kompany im Angriff besonders. Wenngleich er beim 1:1 gegen Bayer Leverkusen erstmals in dieser Saison ohne Torbeteiligung blieb. Zehn Tore in sieben Pflichtspielen, als Höhepunkt der Viererpack vor zwei Wochen beim 9:2 gegen Zagreb, was die Tabellenspitze im neuen Königsklassen-Format bedeutete.
„Ich hoffe, dass wir eine großartige Leistung zeigen und dort weitermachen können, wo wir in der Champions League begonnen haben“, sagte Kane vor dem Stürmer-Duell mit Englands Held aus dem EM-Halbfinale, Ollie Watkins.
Kane mit Top-Bilanz im Villa-Park
In seinen sechs Pflichtspielen im Villa Park, auf den sich auch der frühere Crystal-Palace-Profi Michael Olise bei seiner ersten Insel-Rückkehr freut, war Kane an sieben Toren beteiligt (fünf Tore, zwei Assists). Zweimal gelang dem im Vorjahr für rund 100 Millionen Euro verpflichteten Kane im Stadion der Villans sogar der Siegtreffer: Im November 2014 traf er in der 90. Minute zum entscheidenden 2:1, im März 2016 erzielte der Angreifer beim 2:0-Erfolg der Spurs beide Treffer. Glückt das auch gegen Argentiniens Weltmeister-Torwart Emiliano Martínez?
„In Birmingham, da wird schon sehr, sehr hohe Intensität gespielt. Da wird schon sehr, sehr aktiv Fußball gespielt“, sagte Sportvorstand Max Eberl. Aber er hat ja nicht nur Kane als Experten dabei. „Vinny und sein Trainerstab kennen die Premier League wahrscheinlich noch mal ein Stück besser, als wir sie alle kennen.“