Soziale Medien erziehen Jugendliche zu Menschen, die nicht mit dem wahren Leben klarkommen. Unsere Kolumnistin fordert: Beendet dieses Experiment!

Soziale Medien erziehen Jugendliche zu Menschen, die nicht mit dem wahren Leben klarkommen. Unsere Kolumnistin fordert: Beendet dieses Experiment!

Es gibt Sätze, die man hört und die es unmöglich machen sollten, danach so zu denken wie vorher. Ein solcher Satz ist für mich folgender über Handys: Das Smartphone ist das größte Experiment, das je am Menschen durchgeführt wurde. Man liest so etwas vermutlich im Handy, recherchiert danach im Handy und sucht ebendort mehr Informationen darüber. Was macht dieses Experiment eigentlich mit jungen Menschen, die eine Welt ohne Handy überhaupt nicht mehr kennen?

Dement durch Mediennutzung

Ich mag jetzt klingen wie eine griesgrämige Cousine des Ulmer Hirnforschers Manfred Spitzer, der in seinem Buch „Digitale Demenz“ warnte, die Mediennutzung lasse das Gehirn verkümmern. Klar, das Netz hat auch schöne, unbedarfte Seiten. Weshalb aber redet kaum jemand mehr über eines der zentralen Probleme der heutigen Zeit: den Geist der Menschen und womit dieser gefüttert wird oder womit er sich angesichts der mobilen Suchtmaschine in den Händen überhaupt noch ernsthaft befassen kann? Bei Erwachsenen lässt sich noch sagen, sie seien selbst verantwortlich, aber weshalb schützt niemand die Jungen, gerade wenn sie in Studien Auskunft darüber geben, dass sie leiden? Sucht ist ja keine Wahl.

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Emojis als Gipfel des Gefühlsausbruchs

Die Bosse der sozialen Medien haben inzwischen unkontrollierte Macht über unsere Demokratien, insbesondere über junge Menschen, die auf der Suche nach sich selbst sind. Sie prägen die Art, wie Menschen miteinander umgehen. Seit Facebook und Instagram gilt es als sozial erstrebenswert, Daumen und Herzchen zu sammeln. Auf Twitter gab es zur Gründungszeit noch goldene Sterne, die waren aber nicht emotional genug. Menschen werden süchtig nach der Zustimmung der anderen, sie imitiert das Verhalten, dem Herzchen zufliegen. Differenzieren ist nicht gefragt, konstruktive Kritik sowie eine Realität zwischen Lovestorm und Shitstorm sind auf diesen Plattformen nicht vorgesehen.

Wird eine Generation programmiert?

Wir müssen über diese Plattformen reden und darüber, wie sie Verhalten programmieren. Wir müssen darüber reden, wie eine Generation, die täglich im Netz einübt, Daumen hoch sei die erwünschte Reaktion, noch konstruktive Auseinandersetzungen führen soll. In den sozialen Medien präsentiert man sich, wie man will, man filtert und züchtet sich Follower; die anderen sind entweder noch nicht Follower, oder sie sind böse. Natürlich gibt es Hate Speech, die dunkle Kehrseite der roten Herzen – das Digitale zwängt uns in Muster von Schwarz-Weiß. Doch Menschen sind fehlbar, lernfähig, komplex. Daher sind Beziehungen mit anderen Menschen, beruflich wie privat, zum Glück voller Widersprüche. Wir brauchen wieder mehr schmutziges Leben und Menschen, die nicht stundenlang über Glas wischen und um fremder Leute Herzen buhlen.