Am Sonntag finden die Wahlen zum Nationalrat in Österreich statt. Erstmals könnte die rechtspopulistische FPÖ stärkste Partei werden – was Sie zur Wahl wissen müssen.

Am Sonntag finden die Wahlen zum Nationalrat in Österreich statt. Erstmals könnte die rechtspopulistische FPÖ stärkste Partei werden – was Sie zur Wahl wissen müssen.

Wie viele Wahlberechtigte dürfen ihre Stimme abgeben?

Knapp 6,4 Millionen Österreicher sind am Sonntag zur Wahl aufgerufen. Das Besondere: Österreich ist das einzige europäische Land, in dem ab 16 Jahren auf allen Ebenen gewählt werden darf. In Griechenland ist das ebenfalls möglich, wenn man im Wahljahr das 17. Lebensjahr vollendet. Im österreichischen Parlament, dem Nationalrat, sind 183 Sitze zu vergeben. Es herrscht eine Vier-Prozent-Sperrklausel.

Wer regiert aktuell in Österreich?

In den vergangenen fünf Jahren hat eine Koalition aus Österreichischer Volkspartei (ÖVP) und Grünen regiert. Bundeskanzler ist der ÖVP-Politiker Karl Nehammer, der das Amt Ende 2021 vom zurückgetretenen Sebastian Kurz übernahm. Zuvor war er Innenminister in der Regierung Kurz. Eine Neuauflage der schwarz-grünen Koalition wird es nicht geben, weil es diesmal rechnerisch nicht reichen wird und sich die Partner entfremdet haben.

Welche Parteien stehen zur Wahl?

Die bürgerlich-konservative ÖVP gehört neben der rechtspopulistischen FPÖ und den Sozialdemokraten von der SPÖ zu den drei großen Parteien des Landes. Außerdem sind die liberalen Neos und die Grünen im Nationalrat vertreten und werden das vermutlich auch nach der Wahl sein. Die satirische Bierpartei wie auch die österreichischen Kommunisten (KPÖ) werden wahrscheinlich an der Vier-Prozent-Hürde scheitern.Analyse Gewessler 16.58

Wie sagen die Umfragen?

Es wird spannend: Die FPÖ führte die Umfragen lange mit großem Vorsprung an, der ist jüngst aber geschrumpft. Aktuell liegen die Rechtspopulisten bei 27 Prozent und erreichen damit ihr früheres Niveau. Der ÖVP gelang zuletzt eine Aufholjagd. Die Partei von Kanzler Nehammer liegt bei 25 Prozent und hat noch Chancen auf einen knappen Wahlsieg. Der SPÖ werden 21 Prozent vorhergesagt, sie könnte aber zulegen, wenn Wähler von der KPÖ oder der Bierpartei abwandern. Die Neos liegen bei zehn Prozent und damit knapp vor den Grünen mit neun Prozent. 

2019 hatte die ÖVP mit mehr als 37 Prozent einen überragenden Sieg eingefahren und wird nun mit großen Verlusten leben müssen. Die vom Ibiza-Skandal geschwächte FPÖ kam auf 16 Prozent, die Grünen holten damals 13 Prozent.

Welche Koalitionen sind denkbar?

Aufgrund der Wahlergebnisse und politischen Festlegungen erscheint im Moment eine Koalition aus ÖVP und SPÖ am wahrscheinlichsten, auch wenn die Sozialdemokraten unter ihrem Vorsitzenden Andreas Babler nach links gerückt sind. Schwarz-Rot regierte bereits von 2006 bis 2017 und ist seit 1945 das häufigste Regierungsbündnis bei unseren Nachbarn. Denkbar ist auch eine Dreierkoalition aus ÖVP, SPÖ und Neos. Die Grünen werden sich wohl mit der Opposition begnügen müssen.

Wie wahrscheinlich ist ein rechter FPÖ-Kanzler Herbert Kickl?

Ziemlich unwahrscheinlich. FPÖ und ÖVP haben zwar inhaltlich in der Wirtschafts-, Migrations- und Klimapolitik große Übereinstimmungen. Inhaltlich läge eine blau-schwarze Koalition nahe. Das Problem ist der FPÖ-Vorsitzende Herbert Kickl. Kanzler Nehammer schließt ein Bündnis mit der FPÖ unter Kickl, den er als Rechtsextremisten bezeichnet, kategorisch aus. Ohne Kickl wäre ein Bündnis möglich, aber darauf wird sich die FPÖ nicht einlassen. Kickl ist ihr unumschränkter Chef. 

Zuletzt haben die beiden Parteien von 2017 bis 2019 zusammen regiert. Kickl war damals Innenminister und sorgte für einen Skandal, als Polizisten beim Verfassungsschutz massenhaft Dateien zu Ermittlungen gegen Rechtsextremisten beschlagnahmten. Der leitende Direktor des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) sprach damals von einem „Überfall“. Die Razzia beschädigte das Ansehen der österreichischen Sicherheitsbehörden massiv, internationale Geheimdienste stellten sogar die Zusammenarbeit mit dem BVT ein.

Quellen: DPA, AFP, „Standard„, „Spiegel„, „Frankfurter Allgemeine Zeitung„, „Tagesschau