Die Landtagswahl in Thüringen sei eine Wutwahl gewesen, sagt der Politologe Lembcke. Öffnet sich die CDU nicht, drohe die Unregierbarkeit. Ein Dilemma.

Die Landtagswahl in Thüringen sei eine Wutwahl gewesen, sagt der Politologe Lembcke. Öffnet sich die CDU nicht, drohe die Unregierbarkeit. Ein Dilemma.

Thüringen stehen politisch schwierige Wochen bevor: Nach der Landtagswahl zeichnen sich keine politisch machbaren Mehrheiten ab. Erstmals ist die AfD in einem Bundesland stärkste Kraft geworden – in Thüringen, ausgerechnet mit Rechtsaußen Björn Höcke an der Spitze. 

Der 52-Jährige träumt vom Regieren und will den anderen Parteien Gespräche anbieten, doch diese dürften diese Einladung wohl ausschlagen, mit der AfD will keine koalieren. Einziger Ausweg könnte ein irgendwie geartetes Bündnis von CDU, BSW und Linke sein, doch Thüringens CDU-Chef Mario Voigt verbietet ein Unvereinbarkeitsbeschluss seiner Partei eine Koalition mit AfD oder Linken. 

Die CDU müsse sich angesichts der schwierigen Situation fragen, ob sie sich in Richtung der Linkspartei öffnet, sagte der Politikwissenschaftler Oliver Lembcke der Deutschen Presse-Agentur. Dies würde aber auch zwangsläufig die Diskussion über die Brandmauer nach rechts, zur AfD, neu entfachen, sagte der Experte von der Ruhr-Universität Bochum. „Wenn man an der einen Brandmauer anfängt zu überlegen, dann wird man an der anderen Brandmauer auch diskutieren müssen.“

Patt-Situation in Thüringen

Die AfD erzielte nach vorläufigem Ergebnis 32,8 Prozent und landete damit deutlich vor der CDU, die 23,6 Prozent erhielt. Auf den dritten Rang kam das neu gegründete Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), das 15,8 Prozent erreichte. 

Die Linke von Ministerpräsident Bodo Ramelow stürzte ab auf Platz vier mit 13,1 Prozent. Die SPD schaffte mit 6,1 Prozent den Einzug in den Landtag, nicht aber die Grünen, die nur 3,2 Prozent erreichten. Auch die FDP von Ex-Kurzzeitministerpräsident Thomas Kemmerich flog mit 1,1 Prozent aus dem Parlament. Die Wahlbeteiligung lag mit 73,6 Prozent deutlich höher als zuletzt.

Zwischenzeitlich hatte es Hoffnungen gegeben, es könnte für eine Koalition aus CDU, BSW und SPD reichen, doch dann ergab sich ein Patt der Sitze im Landtag: 44 für die mögliche Dreierkoalition auf der einen und 44 Sitze für die mögliche Opposition von AfD und Linken auf der anderen Seite.

Thüringens CDU-Chef Mario Voigt habe erkennbar auf eine CDU-geführte Koalition mit dem neuen BSW gesetzt, sagte Lembcke. Dieser Plan sei nun knapp gescheitert. Der Experte wies darauf hin, dass Ramelow länger schon für eine Öffnung der CDU zu seiner Linken geworben hat. 

Ramelow bietet Unterstützung an

Ramelow bot noch am Wahlabend Unterstützung bei der Regierungsbildung an, wenn das von den anderen Parteien gewünscht werde. „Ich werde alles tun, dass es zu einer Mehrheitsregierung kommt“, bekräftigte er. Ob das auch eine Tolerierung einer möglichen Koalition aus CDU, BSW und SPD sein könnte, ließ der Linke-Politiker offen. „Ich muss nicht spekulieren“, sagte er der dpa.

Staatskanzleiminister Benjamin-Immanuel Hoff (Linke) ging weiter als Ramelow. Er forderte die CDU auf, von ihrer bisherigen Weigerung gegenüber einer Zusammenarbeit mit der Linken Abstand zu nehmen, wie er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) sagte. Thüringens Linke-Chef Christian Schaft schloss ein Tolerierungsmodell nicht grundsätzlich aus. Eine Voraussetzung dafür sei, dass die CDU ihren Parteitagsbeschluss überdenke, der ihr jede Zusammenarbeit mit den Linken verbietet. 

Experte sieht Zäsur in Parteienstruktur

Lembcke sagte, Alternativen zu der für die CDU eigentlich verbotenen Koalition mit der Linken wäre eine Unregierbarkeit in dem Bundesland oder eine von der Linken tolerierte Minderheitsregierung. Wählt Voigt die Minderheitsregierung, würde er sich aus Lembckes Sicht noch stärker in eine Abhängigkeit zur Linken begeben – und sich bei Entscheidungen erpressbar machen.

Lembcke, der viele Jahre an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena gearbeitet hat, sieht in den beiden Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen eine Zäsur in der Parteienstruktur Deutschlands. „Diese Wahl war eine Wutwahl gegen eine westdeutsch geprägte Parteienlandschaft und gegen die Ampel“, sagte er.