Einmal im Jahr sind Neonazis im mecklenburgischen Dorf Jamel eine winzige Minderheit. Dann strömen Tausende zu einem Festival, um Musik und Ministerworte gegen rechts zu hören.

Einmal im Jahr sind Neonazis im mecklenburgischen Dorf Jamel eine winzige Minderheit. Dann strömen Tausende zu einem Festival, um Musik und Ministerworte gegen rechts zu hören.

Ein Auftritt der Fantastischen Vier hat die Besucher des Musikfestivals „Jamel rockt den Förster“ im mecklenburgischen Dorf Jamel begeistert. Die Hip-Hop-Gruppe spielte vor rund 3.500 Fans, die auf das Gelände am ehemaligen Forsthaus im Landkreis Nordwestmecklenburg gekommen waren. Das Festival unter der Schirmherrschaft von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig und Landtagspräsidentin Birgit Hesse war am Freitag von Innenminister Christian Pegel und Kulturministerin Bettina Martin (alle SPD) eröffnet worden. 

Das Musik– und Kulturfestival wurde 2007 vom Ehepaar Birgit und Horst Lohmeyer, die beide aus Hamburg stammen, ins Leben gerufen. Die jährliche Veranstaltung richtet sich gegen Rechtsextremismus. Das Dorf in der Gemeinde Gägelow mit weniger als 40 Bewohnern gilt seit Anfang der 1990 Jahre als Hochburg der Neonazi-Szene. „Vielen Dank an die Familie Lohmeyer, dass sie Liebe verbreiten, in Zeiten der Dunkelheit“, sagte Rapper und Band-Mitglied Michi Beck unter starkem Applaus der Fans.

Demokratiepreis an Schüler-Tanztheater

Kulturministerin Martin besuchte das Festival am Samstag erneut und überreichte den mit 1.000 Euro dotierten „Birgit & Horst Lohmeyer-Demokratiepreis“ an ein Tanztheater des Schweriner Goethe-Gymnasiums. Das seit 1991 bestehende Theater Lysistrate habe sich immer wieder mit der deutschen Geschichte auseinandergesetzt, zuletzt mit einem Stück über eine in Auschwitz inhaftierte jüdische Tänzerin, teilte ein Ministeriumssprecher mit. Im Kampf gegen Extremismus könne die Kultur viel bewirken. „Dieses Festival setzt ein deutliches Zeichen, dass es viele Menschen gibt, die eine offene, tolerante und demokratische Gesellschaft verteidigen“, sagte Martin laut Mitteilung. 

Die Fantastischen Vier erklärten: „Uns berührt sehr, dass es in Deutschland möglich sein kann, dass ein ganzer Landstrich nach rechts-völkischem Ideal besiedelt werden kann.“ Der Auftritt in Jamel habe für die Bandmitglieder eine große politische Bedeutung. „Es geht um nichts weniger als um die persönliche Freiheit, die verloren geht. In Jamel kann man das besichtigen.“

Olli Schulz für Leben ohne Hass

Vor den „Fantas“ standen die Chemnitzer Popband Tränen und der Hamburger Musiker und Songwriter Olli Schulz auf der Bühne. „Ich hoffe, die Kinder der Typen da drüben hören uns hier auch, denn man muss sein Leben nicht mit Hass erfüllen“, sagte der 50-jährige Schulz. Personen, die der rechtsradikalen Szene angehören, haben allerdings keinen Zutritt zum Festivalgelände, wie die Veranstalter in ihren Mitteilungen betonen.

Unbekannte stehlen Fahnen

„Auch am Samstag war das Lineup, die Stimmung und alles drumherum nahezu perfekt“, teilte eine Sprecherin der Veranstalter mit. Es seien unter anderem die Bands Element of Crime und Selig aufgetreten. „Hingegen „glänzten“ die rechtsextremen Nachbarn wieder durch dumme Provokationen und kleinere Straftaten wie Diebstähle“, erklärte die Sprecherin.

Nach Angaben der Polizei verlief das Festival friedlich. Auf dem Gelände hätten Unbekannte vier Fahnen gestohlen, eine davon mit der Aufschrift „Kein Bock auf Nazis“. Zu möglichen Motiven der Diebe konnte eine Polizeisprecherin nichts sagen. Es seien Ermittlungen eingeleitet worden.