Die AfD erzielt in Thüringen einen historischen Erfolg - doch Koalitionspartner sind nicht in Sicht. Die Regierungsbildung droht, extrem schwierig zu werden.

Die AfD erzielt in Thüringen einen historischen Erfolg – doch Koalitionspartner sind nicht in Sicht. Die Regierungsbildung droht, extrem schwierig zu werden.

Die AfD feiert, die rot-rot-grüne Minderheitsregierung stürzt ab: In Thüringen zeichnet sich nach dem historischen Abschneiden der AfD eine Pattsituation ab. Nach Auszählung aller Stimmen ist klar, dass ohne die Partei von Landeschef Björn Höcke oder die Linke keine Mehrheit im Landtag zustande kommt. Ein Bündnis aus CDU, Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) und SPD, das als mögliche Option gilt, kommt nur auf die Hälfte der Landtagssitze. 

Eine solche Koalition wäre damit absehbar auch auf die Linke angewiesen – diese deutete am Abend an, dass sie eine Duldung nicht ausschließt. Thüringens CDU-Chef Mario Voigt legte sich dagegen nicht fest, ob eine von ihm geführte Regierung sich von der Linken tolerieren lassen würde. Eine Koalition mit der Linken hat die CDU ebenso wie mit der AfD per Beschluss des Bundesparteitags ausgeschlossen.

Die AfD landete erstmals seit ihrer Gründung 2013 bei einer Landtagswahl auf Platz eins. Aussichten auf eine Koalition hat die in Thüringen vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestufte AfD nicht, alle anderen Parteien haben ein Bündnis mit ihr ausgeschlossen. 

Die Linke von Ministerpräsident Bodo Ramelow rutscht mit deutlichen Verlusten auf den vierten Platz. Die SPD schafft den Wiedereinzug in den Landtag, die Grünen verpassen ihn. Auch die FDP fliegt aus dem Parlament.

Alle Stimmen ausgezählt: starke Verluste für die Ampel-Parteien

Nach Auszählung aller Wahlbezirke kommt die AfD auf 32,8 Prozent und steigert ihr Ergebnis im Vergleich zur vergangenen Landtagswahl (2019: 23,4 Prozent) deutlich. Die CDU verbessert sich auf 23,6 Prozent (21,7). Aus dem Stand schafft das BSW 15,8 Prozent – und lässt damit die Linke, von der es sich abgespalten hat, hinter sich. Diese stürzt dramatisch ab und kommt nur noch auf 13,1 Prozent (31,0). 

Starke Verluste verbuchen die Parteien der Berliner Ampel-Regierung: Die SPD liegt mit 6,1 Prozent nur knapp über der Fünf-Prozent-Hürde (8,2) und muss ihr bislang schlechtestes Ergebnis bei einer Landtagswahl überhaupt hinnehmen. Die Grünen, bislang ebenfalls an der Landesregierung beteiligt, verlieren auf 3,2 Prozent (5,2), die FDP stürzt auf nur noch 1,1 Prozent (5,0). 

Die AfD erhält 32 Sitze (22). Die CDU kommt auf 23 Mandate (21), das BSW auf 15. Die Linken haben noch 12 Sitze (29). Die SPD stellt 6 Abgeordnete (8). Damit hätten CDU, BSW und SPD zusammen 44 Sitze – einer weniger als für eine Mehrheit nötig.

Rund 1,66 Millionen Menschen waren zur Abstimmung aufgerufen. Die Wahlbeteiligung lag bei 73,6 Prozent. 2019 waren es 64,9 Prozent.

Ramelow: Werde Regierungsbildung unterstützen

Die bisherige rot-rot-grüne Minderheitskoalition, die auf eine Zusammenarbeit mit der CDU angewiesen war, hat keine Chance auf eine Neuauflage. Ramelow, der den Freistaat seit zehn Jahren regiert, sieht die Aufgabe zur Regierungsbildung nun beim CDU-Spitzenkandidaten Voigt. „Der im demokratischen Spektrum, der die meisten Stimmen hat, der muss die Gespräche beginnen, der muss einladen. Ich werde alle dabei unterstützen, die helfen, dass wir zu einer demokratischen Mehrheit im Parlament bekommen“, sagte der Linken-Politiker in der ARD.

Trotz der einhelligen Ablehnung der anderen Parteien kündigte AfD-Spitzenkandidat Höcke an, zu Gesprächen über mögliche Koalitionen einladen zu wollen. Der 52-Jährige selbst verpasste ein Direktmandat in seinem Wahlkreis Greiz II, ist aber über die Landesliste im Parlament.

BSW könnte maßgeblich sein

Das BSW könnte angesichts der sich abzeichnenden Verhältnisse eine wichtige Rolle einnehmen. Bundes-Parteichefin Wagenknecht, die selbst nicht zur Wahl stand, hatte die Absicht geäußert, an möglichen Koalitionsverhandlungen teilnehmen zu wollen. Sie hoffe, dass das BSW gemeinsam mit der CDU und nach bisherigem Zahlenstand auch mit der SPD eine gute Regierung in Thüringen bilden könne, sagte Wagenknecht am Wahlabend.

Die Parteigründerin war einst SED-Mitglied und galt später als Ikone der kommunistischen Plattform in der Linken – was vor allem CDU-Politikern Bauchschmerzen macht.

Wagenknecht bekräftigte ihre Bedingungen für einen Einstieg ihrer Partei in eine Landesregierung. Viele Menschen bewege das Thema Frieden zutiefst und sie lehnten es ab, US-Mittelstreckenraketen in Deutschland zu stationieren, wie von der Bundesregierung beabsichtigt, sagte sie bei einer Wahlparty in Erfurt. Eine Landesregierung müsse diesen Wunsch der Menschen berücksichtigen und sich auf Bundesebene dafür einsetzen. 

CDU-Bundesgeneralsekretär Carsten Linnemann wies Wagenknechts Forderungen zurück, bei möglichen gemeinsamen Regierungsbildungen in Sachsen und Thüringen die Friedenspolitik zum Thema zu machen. „Ich kann nur sagen, in Erfurt wird nicht die Weltpolitik gemacht, sondern da geht es um Bildungspolitik, um Wirtschaftspolitik, um innere Sicherheit, um die Themen, die die Menschen wirklich betreffen“, sagte er im ZDF. 

CDU-Spitzenkandidat und -Landeschef Voigt kündigte an, auf die SPD und deren Spitzenkandidaten Georg Maier zugehen zu wollen. Zum BSW sagte er: „Wir werden auch dort gesprächsoffen sein.“ Eine mögliche Tolerierung durch die Linken ließ er offen. „Jetzt muss es erstmal darum gehen, dass Thüringen einen stabilen Weg findet, die politischen Mehrheitsverhältnisse im Parlament so zusammenzubringen, dass die Themen angepackt werden können“, sagte Voigt der Deutschen Presse-Agentur am Abend in Erfurt. 

Scharfe Töne im Wahlkampf

Die Stimmung im Wahlkampf war aufgeheizt. Ein Streitpunkt war der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und Deutschlands Rolle als Kiews Verbündeter.

Da die AfD in Thüringen mehr als ein Drittel der Landtagsmandate gewonnen hat, verfügt sie über eine sogenannte Sperrminorität: Entscheidungen und Wahlen, die eine Zweidrittelmehrheit erfordern, müssen ihre Zustimmung finden. So werden etwa die Verfassungsrichter vom Parlament mit Zweidrittelmehrheit gewählt.