Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hat drei Tage nach dem tödlichen Messeranschlag in Solingen umfassende Aufklärung angekündigt. Mit Blick auf die nicht erfolgte Abschiebung des Verdächtigen sei im „konkreten Fall“ zu schauen, „ob alles richtig gelaufen ist“, sagte er am Montag in Solingen. „Wenn etwas schief gelaufen ist, muss das auch klar benannt werden.“ Neben Wüst gedachte am Montag auch Bundeskanzler Olaf Scholz in Solingen der Opfer des Attentats vom Freitag.
Wüst rückte dabei auch die Arbeitsbedingungen der für Asylverfahren und Abschiebungen zuständigen Behörden in den Blick, denen es „unglaublich schwer“ gemacht werde, „auch nur nach Europa abzuschieben“. Wüst verwies auf „Fristen, bürokratische Hemmnisse“ oder „Schlupflöcher“, die ausgenutzt werden könnten. Es sei unter anderem zu schauen, ob die Behörden ausreichend mit Rechten ausgestattet seien, fügte er hinzu.
Der 26-jährige Verdächtige aus Syrien hätte laut Medienberichten aus Deutschland abgeschoben werden sollen. Er soll 2022 über Bulgarien in die EU eingewandert sein und schließlich im nordrhein-westfälischen Bielefeld einen Asylantrag gestellt haben. Ein Abschiebeversuch nach Bulgarien soll gescheitert sein, weil der Mann nicht anzutreffen gewesen sei. Später habe er in einem deutschen Asylverfahren dann subsidiären Schutz erhalten.
Auch Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) sah angesichts der Unklarheit über die Abläufe bei der Abschiebung offene Fragen. „Ich glaube, es liegt nicht an einem einzelnen Vorgang, der da falsch gelaufen ist, sondern man muss auf das System gucken“, sagte Reul am Montag im Deutschlandfunk. Es müsse untersucht werden, „wie funktionieren bei uns Abschiebungen und wie kompliziert ist das in einem Rechtsstaat“.
In dem konkreten Fall seien offenbar Fristen verstrichen, um den Mann innerhalb der EU nach Bulgarien abzuschieben, wo er zuerst europäischen Boden betreten habe, sagte Reul weiter. Die zuständige Behörde habe versucht, ihn abzuholen, er sei aber nicht angetroffen worden. Der Mann sei aber „nicht untergetaucht“, sondern habe sich immer wieder in der Flüchtlingsunterkunft aufgehalten, betonte der Landesinnenminister.
Wüst forderte von der Politik insgesamt „Taten“. Die Menschen hätten nach dem Anschlag in Solingen „zu Recht die Erwartung“, dass nun Antworten gegeben folgten, sagte Wüst. Dabei mahnte er auch ein Umdenken in der Migrationspolitik an. „Es geht um die Frage, ob Menschen, die dauerhaft kein Recht haben, hier zu sein, einfacher dieses Land wieder verlassen können oder am besten erst gar nicht kommen.“ Es müsse zudem möglich sein, wenigstens in Teile von Syrien sowie nach Afghanistan abzuschieben.
Am Freitagabend waren bei der Messerattacke während eines Stadtfestes drei Menschen getötet und acht weitere verletzt worden. Der 26-jährige mutmaßliche Täter stellte sich am Samstag und wurde festgenommen. Der Generalbundesanwalt ermittelt wegen Terrorverdachts, der Beschuldigte soll die Tat als Mitglied der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) verübt haben.