Berlins Schulklassen sind oft ziemlich voll. Ob sich daran im neuen Schuljahr etwas ändert, erläutert wenige Tage vor dem Start die zuständige Senatorin Günther-Wünsch.

Berlins Schulklassen sind oft ziemlich voll. Ob sich daran im neuen Schuljahr etwas ändert, erläutert wenige Tage vor dem Start die zuständige Senatorin Günther-Wünsch.

Berlins Schulen verzeichnen im neuen Schuljahr einen deutlichen Anstieg der Schülerzahl. Nach vorläufigen Daten der Bildungsverwaltung lernen an den allgemeinbildenden Schulen nach Ende der Sommerferien etwa 404.000 Schüler, rund 9.000 mehr als im vergangenen Schuljahr. Damit werde erstmals seit 25 Jahren wieder die Marke von 400 000 an den öffentlichen und freien Schulen der Hauptstadt geknackt. An den Berufsschulen drücken zudem mehr als 78.000 Jugendliche die Schulbank nach 77.900 vor Jahresfrist. 

„Das heißt, unsere Klassen bleiben voll“, sagte Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) der Deutschen Presse-Agentur. „Das hat etwas damit zu tun, dass Berlin eine wachsende Stadt ist. Und das hat auch etwas damit zu tun, dass Berlin weiterhin ein Hotspot für Zuwanderung ist.“ Geflüchtete Kinder und Jugendliche werden in Willkommenklassen und auch in regulären Klassen unterrichtet, zuletzt waren es mehr als 14.000.

Lücke bei Lehrkräften 

Bei den Lehrkräften – der Bedarf liegt bei gut 32.000 Vollzeitstellen – tut sich wie in den vergangenen Jahren vor dem Start des neuen Schuljahres am 2. September eine Lücke auf. Günther-Wünsch bezifferte sie ähnlich wie schon im Mai auf etwa 690 offene Stellen. Die Zahl werde sich in den kommenden Wochen noch ändern, da Einstellungsverfahren noch liefen. 

„Im Vergleich zum letzten Jahr, wo wir zunächst von 1.500 offenen Stellen ausgegangen sind, ist das eine Zahl, die zumindest erahnen lässt, dass die ersten von uns eingeleiteten Maßnahmen greifen“, sagte die Senatorin. Als Beispiele nannte sie längere Einstellungskorridore oder die Möglichkeit an Schulen, Lehrerstellen in Stellen für pädagogische Assistenzen oder andere Professionen umzuwandeln.

Problem bei den Einstellungen: „Wir haben leider immer wieder die Situation, dass bereits zugesagte Arbeitsverhältnisse nicht angetreten werden, weil sich in den Sommerferien für den einen oder anderen Kollegen doch noch was anderes ergeben hat“, so Günther-Wünsch. Auch deshalb sei noch unklar, wie viele offene Stellen am Ende besetzt werden können. Wirklich belastbare Zahlen lägen erst durch die übliche Schnellabfrage nach Schuljahresbeginn und dann nach einer statistischen Erhebung im November vor. 

Quer- und Seiteneinsteiger unverzichtbar

Unter den neuen Lehrkräften – in den vergangenen Jahren waren es jeweils mehr als 3000 – sind erneut viele Quer- und Seiteneinsteiger. Insbesondere Seiteneinsteiger haben keine pädagogische Ausbildung in jeweils zwei Fächern der Berliner Schule, aber eine fachliche Qualifikation. „Es bleibt angesichts des bundesweiten Lehrkräftemangels dabei, dass wir nicht ausschließlich grundständig qualifizierte Lehrkräfte einstellen, sondern auch Quer- und Seiteneinsteiger“, sagte Günther-Wünsch. Zuletzt habe deren Anteil bei den Neueinstellungen etwa bei 50 Prozent gelegen – Tendenz steigend. 

Auch diese Menschen mit ihrem vielfältigen Know-how seien ein Gewinn für Schulen. „Wir sollten das deshalb nicht verteufeln. Wir werden auch über die nächsten Jahre nicht ohne Quer- und Seiteneinsteiger auskommen.“ Denn der Ausbau der Lehrkräfteausbildung an den Universitäten schlage sich nicht innerhalb kurzer Zeit an den Schulen nieder. „Es dauert sieben Jahre, bis die Studierenden fertig sind. Ich gehe davon aus, dass wir in den nächsten fünf bis acht Jahren auch wieder vermehrt grundständig qualifizierte Pädagogen haben mit zwei Fächern.“

Sogenannte Einfachlehrer sollen dauerhaft bleiben

Ein neues Vorhaben der Senatorin ist, sogenannten Ein-Fach-Lehrkräften eine langfristige Perspektive an Schulen zu geben. Das sind zum Beispiel Diplom-Geografen oder Diplom-Mathematiker, die also nur ein Schulfach studiert haben und deshalb als Seiteneinsteiger oft mit befristeten Verträgen an Schulen arbeiten. Um einen regulären Vertrag zu bekommen mit einem Referendariat zum Start, müssen sie bisher ein zweites oder drittes Schulfach studieren. 

„Wir wollen die Ein-Fach-Lehrer, die ja schon im System sind, halten, ihnen eine Perspektive geben und verlässlich an die Schule binden“, erläuterte Günther-Wünsch. „Der Stand der Gespräche mit der Senatswissenschaftsverwaltung und den Universitäten ist so, dass ich zuversichtlich bin, dass wir zum Sommer 2025 die ersten Ein-Fach-Lehrer an den Universitäten ausbilden können.“ Dabei handelt es sich nicht um ein komplettes Studium, sondern um eine pädagogische Weiterbildung und Qualifizierung.

Genügend Lehrkräfte auch für Brennpunktschulen als Ziel 

Angehen will die Senatorin auch das Ungleichgewicht bei der Verteilung. „Das Lehrkräftedefizit verteilt sich nicht hundertprozentig gleichmäßig über die Stadt. Wir haben Schulen, die kämpfen mit dem Defizit einfach stärker als andere Schulen“, sagte sie. 

„Unsere Aufgabe ist es, gemeinsam mit den zwölf regionalen Schulaufsichten dafür zu sorgen, dass an jeder Schule die Stundentafel, also der reguläre Stundenplan, abgedeckt ist.“ Unter anderem habe sich dazu ein Runder Tisch mit Schulleitungsverbänden etabliert, um die sogenannte Zumessungsrichtlinie zu ändern, um Lehrkräfte den Schulen stärker nach dem Bedarf zuzuweisen. 

„Ziel ist es, bis Ende des Jahres an dieser Zumessungsrichtlinie mit allen Akteuren aus der Praxis so gearbeitet zu haben, dass dort zum kommenden Schuljahr eine gezieltere Steuerung wirksam werden kann“, sagte Günther-Wünsch. 

Zur Einordnung: Schulen an sozialen Brennpunkten haben es schwerer als andere Schulen, genügend Lehrkräfte zu finden. Einsteiger möchten mitunter eher an Schulen arbeiten, an denen potenziell weniger Probleme oder Konflikte zu bewältigen sind.