Marburg ist zufrieden, Frankfurt spricht von einem Erfolg. Die Städte wollen Bürgerinnen und Bürger zu einem autofreien Leben bewegen. Darmstadt stoppte ein Projekt auch mangels Zuspruch.

Marburg ist zufrieden, Frankfurt spricht von einem Erfolg. Die Städte wollen Bürgerinnen und Bürger zu einem autofreien Leben bewegen. Darmstadt stoppte ein Projekt auch mangels Zuspruch.

Mit Anreizprogrammen wollen Frankfurt und Marburg Einwohnerinnen und Einwohner zur Abmeldung ihrer Autos animieren. Frankfurt lockt seit Anfang Juli mit freier Fahrt im öffentlichen Nahverkehr für ein Jahr. Bisher gingen mehr als 100 Anträge zu der Umweltprämie ein, wie das Mobilitätsdezernat mitteilt. 

„Das ist ein Erfolg“, sagt der Leiter strategische Verkehrsplanung, Heiko Nickel. Es gehe darum, Anreize zu schaffen. 75 Prozent der Autos in den inneren Stadtteilen würden unter der Woche nicht bewegt, seien für die Alltagsmobilität also nicht nötig. 

Das Deutschlandticket für ein Jahr, das die Stadt ausgibt, hat den Gegenwert von 588 Euro. Für die Antragstellung ist ein Auszug aus dem Fahrzeug-Register beim Kraftfahrtbundesamt nötig. Hier habe es anfangs aufgrund hoher Nachfrage Verzögerungen gegeben, mittlerweile habe sich das Verfahren aber eingespielt und die Zahl der Anträge steige. Ab Sommer 2025 soll geprüft werden, ob die Aktion fortgeführt wird. Insgesamt steht eine halbe Million Euro Budget zur Verfügung.

Platzprobleme in der Innenstadt

Die Prämie gehört zum Masterplan Mobilität, einer Leitlinie für die künftige Verkehrspolitik in Frankfurt. Diese sieht insgesamt elf Schlüsselmaßnahmen vor, darunter mehr Förderung für den Rad- und Fußverkehr sowie von Bus und Bahn. Der Autoverkehr in der Stadt könne nicht weiter wachsen, da der Platz fehle, sagt Nickel: „Wir brauchen eine Verkehrswende, damit die Stadt überhaupt funktioniert.“

Angesichts des angestrebten weiteren Baus von Hochhäusern in der Stadt müsse die Nutzung effizienterer Verkehrsmittel steigen, wie etwa des öffentlichen Nahverkehrs (ÖPNV). Dieser soll ausgebaut und beschleunigt werden. Auch ein Park-and-Ride-Konzept entstehe gerade, unter anderem soll zudem das Carsharing-Angebot erweitert werden.

Der Masterplan soll nach der Sommerpause ins Stadtparlament eingebracht werden. Trotz Diskussionen darüber sagt Nickel, er sei angesichts der großen Bürgerbeteiligung, mit der der Plan erarbeitet worden sei, zuversichtlich, dass er beschlossen werde. Widerstand kommt unter anderem von der in Frankfurt mitregierenden FDP. 

Topf rasch ausgeschöpft 

In Marburg war Mitte Juni ein noch üppigeres Anreizprogramm gestartet, das rasch die angepeilte Resonanz fand: Einwohnerinnen und Einwohner, die für ein Jahr ihr privates Auto abmelden oder abschaffen, erhalten eine Prämie im Wert von 1.250 Euro – wie in Frankfurt ist es egal, ob es um den Erst-, Zweit- oder Drittwagen geht. Die Prämie kann für Carsharing, den ÖPNV oder für Geschäfte und Gastronomie genutzt werden. Binnen knapp zwei Monaten waren die angestrebten 50 Antragsteller gefunden. 

Einige Antragsteller gaben freiwillig Auskunft über ihre Beweggründe, erklärt eine Stadtsprecherin: Ältere Menschen, die schon lange darüber nachdenken, das Auto abzuschaffen und auf Bus und Bahn umzusteigen, Einwohner aus der Innenstadt, deren Auto mehr stehe, als dass es gefahren werde, Zweitwagen, die abgemeldet wurden.

Bis Ende des Jahres würden nun die Erfahrungen ausgewertet und entschieden, wie es weitergeht, erklärt die Stadtsprecherin. Die Prämie soll ein Baustein sein, damit die Stadt möglichst bis 2030 klimaneutral wird. Bei einem Bürgerentscheid hatten die Marburger Wahlberechtigten allerdings eines der Kernziele des Verkehrskonzeptes „MoVe 35“, den Autoverkehr in der Stadt bis 2035 zu halbieren, mehrheitlich abgelehnt.

Keine Prämie in Kassel geplant

In Kassel ist eine solche Prämie kein Thema. Der Ansatz einer kommunalen Abmeldeprämie sei nicht geprüft worden und werde auch nicht in Erwägung gezogen, teilte ein Sprecher der Stadt mit. „Zur Erreichung ihrer verkehrspolitischen Ziele konzentriert sich die Stadt darauf, die realen Angebote im Fuß- und Radverkehr sowie im Öffentlichen Personennahverkehr zu verbessern und zu erweitern.“ An entsprechenden Umsetzungskonzepten werde gearbeitet.

Projekt in Darmstadt ausgelaufen

Darmstadt hatte vorübergehend eine ähnliche Prämie. Wer sein Auto verkaufte oder außer Betrieb setzte, erhielt, ebenso wie Neubürgerinnen und Neubürger, ein Klimaticket. „Damit konnte der ÖPNV in Darmstadt und im angrenzenden Umland drei Monate lang genutzt und getestet werden“, teilt die Pressestelle mit. Ende Januar 2024 wurde das Angebot beendet, Grund seien „Notwendigkeiten zur Haushaltskonsolidierung“ gewesen. 

Auch seien die Fallzahlen bei der Pkw-Abmeldung zuletzt immer niedriger gewesen: „Während im Zeitraum von September 2022 bis Januar 2024 ein Klimaticket an 3.820 Neubürgerinnen und Neubürger herausgegeben wurde, wurde es lediglich an 192 Bürgerinnen und Bürger aufgrund von Pkw-Abmeldungen herausgegeben. Nach Einführung des Deutschlandtickets im Mai 2023 ging die monatliche Zahl der Anträge deutlich zurück auf zuletzt zwei bis drei“, teilt die Stadt mit.

Nun erhalten Neu-Darmstädter einen 50-Euro-Gutschein für den ÖPNV. Insgesamt sind im Klimaschutzplan, den sich die südhessische Stadt vorgenommen hat, 50 Maßnahmen enthalten. Im Bereich Mobilität gehören dazu neben Pilotprojekten zur Reduzierung des Autoverkehrs auch die Stärkung von Fuß- und Radverkehr sowie des ÖPNV.