Nach 13 Jahren ist der FC St. Pauli wieder zurück in der Bundesliga. Nach dem Aufstieg hat sich einiges geändert. Das liegt auch am neuen Trainer.

Nach 13 Jahren ist der FC St. Pauli wieder zurück in der Bundesliga. Nach dem Aufstieg hat sich einiges geändert. Das liegt auch am neuen Trainer.

Vor der ersten Saison des FC St. Pauli nach 13 Jahren in der Fußball-Bundesliga wird auf dem Kiez über Systeme diskutiert. Bei dem traditionell politisch links verorteten Club geht es in diesem Fall nicht um Gesellschaftssysteme. Stattdessen werden fußballerische Systemfragen gestellt, die der neue Trainer Alexander Blessin vor dem Heimspiel am Sonntag gegen den 1. FC Heidenheim (17.30 Uhr/DAZN) längst für sich und seine Mannschaft beantwortet hat: eher 3-5-2 statt 3-4-3, schnelles Umschalten statt Ballbesitz, hohes Pressing statt Abwarten, zwei Stürmer statt einem. Kurz gesagt: Blessin- statt Hürzeler-Fußball.

Nach der grandiosen Saison mit der Zweitliga-Meisterschaft und dem hochgelobten Ballbesitz-Fußball unter dem nach England gewechselten Aufstiegstrainer Fabian Hürzeler steht Blessin vor ganz anderen Aufgaben als sein Vorgänger. In der Bundesliga muss der FC St. Pauli seiner Ansicht anders spielen und taktisch flexibel bleiben.“Wir haben darüber gesprochen, was passiert ist, und dass es natürlich eine erfolgreiche Saison war“, sagte Blessin zum Trainingsauftakt Anfang Juli. „Aber es gibt nichts Schlimmeres, als in der Vergangenheit zu leben.“ Er und die Mannschaft wollten „ein neues Kapitel aufschlagen“. Und das soll mit dem Verbleib in der Bundesliga enden. 

Seine Spieler folgen Blessin in der Systemfrage. „Das ist ein neuer Style of Football, den wir gemeinsam erst entwickeln müssen“, formuliert Innenverteidiger Hauke Wahl etwas eigenwillig. „Klar ist es ein Stück weit eine Systemumstellung, aber das alte System haben wir nicht komplett verworfen“, sagt Stürmer Johannes Eggestein. „Wir haben immer noch die Möglichkeit, auch im Spiel zu reagieren und den Ball durch unsere eigenen Reihen laufen zu lassen. Wir sind darin nach wie vor sicher.“

In der Bundesliga noch unbekannt 

Jetzt gehe es darum, die Details zu verbessern, sodass jeder Spieler das System versteht, „so wie wir es die letzten anderthalb Jahre gemacht haben. Da haben wir einen Prozess vollzogen und die Dinge immer mehr verfeinert“, sagt Eggestein weiter. 

Die letzten anderthalb Jahren – das war die kurze und erfolgreiche Ära Hürzeler. Mit der Spielweise, die der 31-Jährige spielen ließ, führte er die Mannschaft aus den unteren Tabellenregionen bis zur Zweitliga-Meisterschaft und dem Aufstieg. Und dies mit einer attraktiven und auf Ballbesitz basierenden Art. 

Für Hürzeler war der FC St. Pauli eine Station in seinem Karriereplan. Ihn zog es trotz Vertrags zu Brighton & Hove Albion in die von ihm ersehnte Premier League.

Als St. Pauli-Sportchef Andreas Bornemann dann Alexander Blessin Ende Juni als Nachfolger präsentierte, war dies eine Überraschung. Der 51-Jährige ist in der Bundesliga ein unbekanntes Gesicht, der FC St. Pauli für den gebürtigen Stuttgarter der erste Verein als Cheftrainer im deutschen Profibereich. 

Seine Erfolge feierte er im Ausland. In der vergangenen Saison wurde er mit Union Saint-Gilloise belgischer Pokalsieger und Vizemeister. Seine größte Prägung erhielt Blessin in den acht Jahren als Nachwuchstrainer bei RB Leipzig.  

Blessin ist in Hamburg angekommen

Er ist nach sieben Wochen Vorbereitung in Hamburg angekommen – und er kommt an. Er wirkt zugänglich, hat eine klare Idee, wie er spielen möchte. „Alexander, und das sollte kein Geheimnis bleiben, war auf jeden Fall jemand, der sofort ins Auge stach“, sagte Präsident Oke Göttlich in dieser Woche in einem „Abendblatt“-Podcast. Blessin sei jemand, „der wahnsinnig offen und persönlich einen sehr guten Zugang zu den Menschen im Umfeld unseres Vereins bereits in wenigen Wochen gefunden hat“.

Seinen Pflichtspiel-Einstand hat Blessin schon erlebt – und stieß dabei auch an Systemgrenzen. Beim glücklichen 3:2-Erfolg in der ersten Runde des DFB-Pokals beim Drittliga-Absteiger Hallescher FC taten sich die St. Pauli-Spieler lange Zeit schwer. Gegen den Viertligisten waren die Hamburger wieder als Ballbesitz-Team gefordert. 

Erst als Blessin nach 70 Minuten die Außenstürmer Elias Saad und Oladapo Afolayan – in der vergangenen Saison noch zwei Unterschiedsspieler – einwechselte, kam der Erfolg in Halle. Zweifel an seinem bevorzugten System ließ er aber trotzdem nicht zu: „Ich stelle nicht gleich alles um, wenn mal ein Windchen weht.“