Kevin Costner spricht über sein Western-Epos "Horizon“, warum Waffen ein Teil der amerikanischen Identität sind und eine Begegnung mit Walt Disney.

Kevin Costner spricht über sein Western-Epos „Horizon“, warum Waffen ein Teil der amerikanischen Identität sind und eine Begegnung mit Walt Disney.

Herr Costner, es hätte durchaus passieren können, dass die Costners heute eine reiche und mächtige Rancherfamilie in Oklahoma wäre, ähnlich den Duttons aus Ihrer Erfolgsserie „Yellowstone“?
Ja, vielleicht, das hätte sein können.

Ihr Großvater hieß Walter Madison Costner und war in den 30er Jahren ein Ranch- und Farmbesitzer in Oklahoma und brachte eines Tages sein ganzes erspartes Geld in eine Bank, damit es sicher sei. Eine Stunde später schloss die Bank und öffnete nie wieder. Es war Weltwirtschaftskrise und alles Ersparte war weg.
Ja, hinzu kam, dass es die Zeit der Dürre war, die „Dust Bowl“, es stürmte jahrelang nur und es regnete nicht. Wenn etwas von den Ernten übrig war, war es vernichtet. Meine Familie verlor damals alles und musste nach Kalifornien ziehen, um Arbeit zu finden. Es gibt über diese Zeit den großartigen Film „Die Früchte des Zorns“ von John Ford mit Henry Fonda. Der Film ist auch die Geschichte meiner Familie.

Wie hat der Verlust des ganzen Vermögens und die Suche nach Arbeit Ihre Familie geprägt?
Ganz unterschiedlich. Mein Vater musste in Kalifornien einen neuen Beruf lernen, er wurde Elektriker. Und ein sehr vorsichtiger Mensch, er scheute jedes Risiko. Ich wurde 1955 geboren, und schon als ich jung war, wagte ich sehr viel, ich war ein Risikosucher, was meinem Vater und meiner Mutter viele Sorgen machte.

„Mein Vater scheute jedes Risiko“: Kevin Costner mit seinen Eltern Shannon und William bei der Premiere von „Thirteen Days“ am 19. Dezember 2000 in Los Angeles
© Vince Bucci / Newsmakers

Wie äußerte sich das?
Ich war schwer zu bremsen, ich liebte die Freiheit und fühlte mich nie als Stadtmensch. Meine Mutter wusste, dass sie mich nicht stoppen konnte, schon mit sieben Jahren war ich mit einem Pferd und mit einer Waffe den ganzen Tag unterwegs.

Mit fünf Jahren begegneten sie einmal Walt Disney. Wie kam es dazu?
Das war ungefähr 1960, ich war mit meiner Mutter und meinem Bruder zum ersten Mal in Disneyland. Dort konnte man auf Eseln durch das „Frontierland“ reiten. Das gefiel mir, am Ende der Tour stellte ich mich immer wieder an, um nochmal zu reiten. Irgendwann zogen sie aber so eine Absperrung davor, weil sie VIPs erwarteten. Ich schlich mich drunter durch und rempelte einen der VIPs, einen großen Mann, an. Der lächelte aber und fragte mich, ob es mir gefallen würde. Erst hinterher sagte meine Mutter, dass es Walt Disney war.

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Sie sagten eben, dass Sie schon mit sieben Jahren eine Waffe dabeihatten. Schaut man sich Ihre Filme wie jetzt „Horizon“, aber auch die Serie „Yellowstone“ an, wird dort die Freiheit einer Gesellschaft beschrieben, die auf Gewalt und Waffen basiert. Ist Amerika bis heute so geblieben?
Ja, das ist so. Die Gewalt kommt mit Waffen. Wobei, nur eine Waffe zu besitzen heißt nicht, gleich jemanden damit umzubringen. Sie ist dazu da, dich zu verteidigen, wenn du bedroht wirst. Waffen sind nicht dazu da, auf Menschen Jagd zu machen und auch nicht, um Gewalt auszuüben sondern im Gegenteil, sie von dir fern zu halten.

Western-Pate: Costner als mächtiger Rancher John Dutton mit Kelly Reilly als seine Tochter Beth in der Serie „Yellowstone“
© Danno Nell

Das ist aber heute anders, es wird jeden Tag geschossen und Menschen sterben, die niemanden bedroht haben.
Ja, und das ist ein großes Problem. Man muss dazu die amerikanische Geschichte verstehen. Amerika ist als sehr junge Siedlernation plötzlich industrialisiert worden und hat als junges Land in zwei Weltkriegen gekämpft, in einem davon an zwei Fronten, in Europa gegen die Nazis und im Pazifik gegen die Japaner. Dadurch wurden Waffen ein Teil der amerikanischen Identität gegen das Böse. Das Problem heute ist, dass sie das da schwer herausbekommen und es auch schwer ist, das irgendwie zu bändigen.

Haben Sie selbst auch Waffen im Schrank?
Ja, einige. Und irgendwann werden die meine Kinder erben. Aber glauben Sie mir, ich kenne sehr viele Amerikaner, die diese Kultur der Waffen ändern wollen. Dazu brauchen wir viel schärfere Gesetze und Kontrollen. Es ist bisher viel zu wenig passiert, Waffen sind immer noch zu sehr embedded, weil es die Politik und die Lobby so will.

Sie erzählen im ersten Teil von „Horizon“ auch die Geschichte europäischer Siedler, die in Amerika ihre Freiheit und die Erfüllungs ihres Glücksversprechens suchten. War denen eigentlich bewusst, dass ihnen das Land gar nicht gehört?
Nein, sie wussten das nicht oder wollten es nicht wissen. Und sie wussten auch nicht, dass es ein Land aus 500 verschiedenen Indianer-Nationen war, die verschiedene Sprachen hatten und ihre eigenen Grenzen gezogen hatten. Sie dachten es sei eine, die Indianer-Nation. Und der sagten sie, sie solle jetzt verschwinden. Wir haben sie weggewischt.

In „Horizon“ gibt es Siedler, die zu Indianer-Jägern werden und Prämien für deren Skalpe kassieren. Was ist mit den Siedlern, die versuchten in friedlicher Koexistenz zu leben?
Die gab es, es gab gute Leute. Und es gab vor allem gute und starke Frauen, wie in meinem Film. Aber die Sache war die, dass, je weniger das Land schon besiedelt war, es kein Recht und keine Gesetze gab, auf die man sich verlassen und berufen konnte. In den Siedlungen und frühen Städten war das Recht das Recht der reichen Leute, wie immer.

Als Sie sieben oder acht Jahre alt waren, haben Sie in Los Angeles in einem Cinerama-Breitwand-Kino „Das war der Wilde Westen“ mit Gregory Peck und John Wayne und vielen anderen Hollywood-Stars gesehen. Der Film habe etwas in Ihnen ausgelöst, sagten Sie mal.
Es war die Weite und die Schönheit des Landes, die sich da auf der Leinwand auftat, und es war das Gefühl dieser Freiheit, in diesem Land einfach das zu machen was man wollte. Bei mir als kleiner Junge. An Schauspielerei oder in Filmen mitzumachen habe ich damals noch nicht gedacht.

Gregory Peck, Thelma Ritter, Robert Preston und Debbie Reynolds (v.l.) im Western-Epos „Das war der Wilde Westen“ (1962). Costner sah den Film als kleiner Junge und war begeistert
© Ronald Grant

Als Sie jung waren und auch Jahre später waren Cowboys und Indianer die Heldenfiguren fast jedes Kinderspiels. Ist das heute noch so?
Nein, überhaupt nicht, die sind völlig verschwunden. Heute sind die Figuren aus Marvel-Filmen die Helden. So ist die Zeit.

Folgt man in Ihren Filmen Ihrer Passion des Wilden Westens, gibt es schon Momente, die nach einem einfacheren Leben als heute aussehen. Ein Mann, ein Pferd, Sternenhimmel, Lagerfeuer und die Freiheit in jede Himmelsrichtung weiterreiten zu können. War es einfacher?
Nein, ganz sicher nicht. Es war viel komplizierter, denn es ging jeden Tag darum, zu überleben. Das Pferd musste gepflegt und gefüttert werden, man selbst musste irgendwas essen und das auch erstmal finden. Und heute? Wenn ein Restaurant geschlossen ist, gehen Sie ins nächste. Wenn ein Hotel kein Zimmer hat, nehmen Sie ein anderes. Und bei jedem Menschen, der Ihnen damals über den Weg lief, wussten Sie nicht, ob Freund oder Feind. Es war gefährlich.STERN PAID 34_24 Kevin Costner Western 15.20

Dennoch, wenn es eine Zeitmaschine gäbe, würden Sie in ein Jahr wie 1870 zurückreisen, nur um mal zu sehen, ob es wirklich so war wie in ihren Filmen?
Ja, das würde ich gerne, aber nur eine bestimmte kurze Zeit, weil ich wieder zurück zu meinen Kindern wollen würde.

Aber ein Kevin Costner wüsste, wie man überlebt?
Das weiß ich nicht, weil es so regellose Zeiten waren, auf die man sich auch als wachsamste Person schlecht vorbereiten kann. Es gab eben keine Gesetze, man war schnell in schlechter Gesellschaft und fand sich schnell in Kämpfen wieder.