Auf dem Highfield-Festival bei Leipzig brannte am Wochenende ein Riesenrad, 65 Menschen sind verletzt. Sind Fahrgeschäfte in Deutschland sicher? Ein Prüfer gibt Antworten.
Herr Krah, sie arbeiten als Inspektionsleiter für fliegende Bauten beim Tüv Nord. Was geht einem als Prüfer von Fahrgeschäften durch den Kopf, wenn auf einem deutschen Festival ein Riesenrad brennt?
Als erstes denkt man natürlich an die Verletzen. Wie es ihnen geht, ist das Wichtigste. Und man fragt sich, was die Ursache war und ob der Brand hätte verhindert werden können. Dann denkt man an seinen eigenen Job: Was können wir besser machen und müssen wir die eigenen Prüfungen vielleicht anpassen?
Wie wahrscheinlich ist es, dass so ein Unfall passiert?
Wir wissen nicht, was den Brand verursacht hat, deshalb kann ich dazu nichts sagen. Grundsätzlich sind Fahrgeschäfte in Deutschland aber sehr sicher. Es gibt hier mehrere Kontrollinstitutionen, alle Bauten werden in einem mehrstufigen Prozess geprüft.
Wie sieht der aus?
Wir als Tüv begleiten zunächst den Herstellungsprozess: Dafür schauen wir, ob auf dem Papier alles den Vorgaben entspricht und kontrollieren die Umsetzung, zum Beispiel ob richtig geschweißt wird. Nachdem das Geschäft gebaut ist, gibt es eine erste Abnahmeprüfung und die Betreiber erhalten ein Prüf-Buch. Sobald es in Betrieb ist, kontrollieren wir je nach Fahrgeschäft alle ein bis fünf Jahre.
Worauf achten Sie da?
Wir schauen uns den Stahlbau an und machen Fahrversuche mit Teilbeladungen. Je nach Sensorik bauen wir auch aktiv Fehler ein und testen, ob die vom Geschäft erkannt werden.
Michael Krah ist Elektroingenieur und Inspektionsleiter für fliegende Bauten beim TÜV NORD in Essen. Sein Job ist es zu kontrollieren, dass Fahrgeschäfte wie das Riesenrad sicher sind.
© privat
Welche Fahrgeschäfte müssen denn häufig kontrolliert werden?
Mein Inspektionsbereich sind sogenannte fliegende Bauten, also mobile Anlagen, die immer wieder auf- und abgebaut werden. Dazu zählen Fahrgeschäfte, aber auch Bühnen, Bühnen und Zelte. Ein Kinderkarussell müssen wir uns vielleicht so alle drei bis vier Jahre genau anschauen. Bei einer Überschlagsschaukel kontrollieren wir jährlich.
Welche Fehler entdecken Sie am häufigsten?
Das ist sehr unterschiedlich und es sind in der Regel nur Kleinigkeiten: Mal ist eine Kabelisolierung kaputt oder irgendwas verbogen, mal eine Schraube nicht vorhanden. Deswegen sind die Fahrgeschäfte aber nicht unsicher, richtig krasse Fehler gibt es ohnehin selten. Die Hersteller sind sehr erfahren und wir begleiten ja auch schon die Herstellung. Und auch die deutschen Betreiber sind sehr bemüht, ihre Anlagen in Schuss zu halten.
Haben Sie das Gefühl, eine hohe Verantwortung zu tragen?
Ja, mit den Anlagen, die wir testen fahren Menschen. Dass das eine riesige Verantwortung ist müssen alle Mitarbeiter wissen, darauf achten wir auch bei Einstellungsgesprächen.
Wie wird man Prüfer von Fahrgeschäften?
Ich selbst habe Elektrotechnik studiert, dann bei einem Hersteller gearbeitet und bin irgendwann zum Tüv gewechselt. Alle Prüfer sind hier studierte Ingenieure, wir haben Maschinenbauingenieure, Bauingenieure und Elektroingenieure angestellt, so dass alle Bereiche abdeckt sind. Wer anfängt, durchläuft dann nochmal eine Ausbildung beim Tüv und muss mindestens ein Jahr mit erfahrenen Prüfern mitlaufen.
19: Riesenrad brennt auf Festival 16 Verletzte in Klinik – a50f8f3004d136a1
Testen Sie die Fahrgeschäfte auch selber?
Ich bin mittlerweile aus dem Alter raus und fahre nicht mehr jedes Fahrgeschäft. Das macht mein Magen nicht mehr mit. Aber bevor wir eine Anlage freigeben, testet sie ein Mitarbeiter von uns im letzten Schritt immer selbst. Wir nennen das „Popobarometer“.
Den „Popobarometer“ müssen Sie genauer erklären.
Wenn man in einem Gerät drinnen sitzt, merkt man schon am besten, wie es sich verhält. Wir prüfen ja mit allen Sinnen: Zunächst natürlich auf Papier, aber dann schauen wir eben auch wie sich die Anlage bewegt. Man hört das, wenn ein Reifen nachzieht und spürt an Vibrationen, ob irgendwo im Betriebe ein Schaden ist.
Das klingt, als wäre Ihr Job keine eindeutige Wissenschaft, sondern ein Bauchgefühl.
Die Erfahrung ist vor allem in der Prüfung von fliegenden Bauten sehr wichtig. Man hört, dass etwas nicht stimmt, wenn man oft genug gehört hat, wie die normalen Geräusche klingen. Das ist eigentlich auch mit Autofahren vergleichbar. Der Fahrer merkt schon, wenn ein Rad schlägt.
Haben Sie selbst manchmal ein bisschen Angst, wenn Sie ein Fahrgeschäft testen?
Nein. Die Testfahrt machen wir immer ganz zum Schluss, da ist die Prüfung im Grunde schon abgeschlossen. Wenn es nicht sicher wäre, dann würden wir nicht einsteigen.
Was gefällt Ihnen an Ihrem Beruf als Fahrgeschäft-Prüfer?
Die Vielseitigkeit. Man hat im Herstellungsprozess eigentlich immer mit Prototypen zu tun und ist an modernster Technik dran. Und wir können in unserem Job viel reisen, weil wir weltweit baurechtliche Prüfungen für Fahrgeschäfte in Freizeitparks übernehmen. Ich war als Inspektor zum Beispiel schon in Südafrika oder in Australien.
Wie kommt es, dass Betreiber in Südafrika den Tüv Nord anfragen?
Meistens haben wir über die Hersteller Kontakte oder lernen Betreiber auf Messen kennen. Grundsätzlich ist die deutsche Prüfung in der Welt hoch angesehen, in Deutschland gibt es auf dem Gebiet sehr viel Erfahrung.
Als Spezialist für Achterbahnen: Was ist Ihr Lieblingsfahrgeschäft?
Das wandelt sich mit dem Alter, das kann ich inzwischen gar nicht mehr sagen. Aber was ich sagen kann: ich würde mich in allen sicher fühlen.