Wirtschaftsminister Robert Habeck war lange ein Kritiker von Biogasanlagen. Doch nun will er die die Förderung des Stroms aus Gülle ändern. Ergibt seine Reform Sinn?

Wirtschaftsminister Robert Habeck war lange ein Kritiker von Biogasanlagen. Doch nun will er die die Förderung des Stroms aus Gülle ändern. Ergibt seine Reform Sinn?

Biogas galt einmal als Wunderwaffe gegen den Klimawandel. Wer eine Anlage baute, in der er Biomasse zu Gas (Methan) vergärte und damit Strom und Wärme erzeugte, kassierte eine feste, üppige Einspeisevergütung. Das sicherte ihm seit dem Jahr 2000 das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zu. 

Vor allem Landwirte gerieten geradezu in einen Goldrausch und investierten massiv. Ihre Kraftwerke ließen sie gern rund um die Uhr laufen, egal ob gerade Strom oder Wärme gebraucht wurde – die Kasse klingelte. Dafür bauten sie riesige Mengen Energiemais an, der das Futter für ihre Kraftwerke ist. Die Monokulturen reichten in manchen Gegegenden bis zum Horizont. Doch dann kam Kritik auf, das EEG wurde 2012 geändert: Die Betreiber müssen seitdem ihre Energie direkt vermarkten und erhalten Prämien für Flexibilität. Der Boom endete. 

Nach 20 Jahren läuft nun bei vielen Betreibern die EEG-Förderung aus. Die Biogasbranche macht seit Jahren Druck auf die Bundesregierung, vor allem auf Robert Habecks Wirtschaftsministerium: Nach dem geltenden Vermarktungsverfahren drohe vielen Betreibern das Aus, fürchten sie, dabei seien sie doch so wichtig für Deutschlands Klimaziele. 

Und siehe da. Plötzlich will Habeck die Förderung reformieren. Aber ist das ein richtiger Schritt? Und kann Biogas wirklich helfen, das Klima zu schützen?

Wieviel Energie lieferen Biogasanlagen?

Derzeit sind in Deutschland knapp 10.000 Biogasanlagen in Betrieb. Sie werden mit Gülle, Mist, Holz und anderen nachwachsenden Rohstoffen betrieben. Zusammen leisten sie knapp neun Gigawatt (GW), was dem Output von etwa sechs Atomkraftwerken entspricht. Auf zirka 1,35 Millionen Hektar wird bundesweit Biomasse für die Kraftwerke angebaut, vor allem Mais, aber auch Getreide. 2023 wurden rund 42 Terawattstunden Strom aus Biomasse produziert, was einem Anteil von neun Prozent der gesamten Strommenge entspricht. Rund zehn Milliarden Kilowattstunden (kWh) flossen, aufbereitet zu Biomethan, ins Erdgasnetz. 1,4 Milliarden wurden als Kraftstoff verbraucht, etwa eine Milliarde kWh zur Erzeugung von Heizwärme und Warmwasser.

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Was halten Umweltschützer von Biogas?

Umweltschutzverbände stehen Biogas kritisch gegenüber. Beispiel: der Naturschutzbund (Nabu). Ein Grund ist der hohe Bedarf an Energiepflanzen. Deren Anbau sei per se klimaschädlich, so die Kritiker. Biogasanlagen sollten nur da gebaut werden, wo vor Ort Wärme gebraucht werde. Und wenn überhaupt, sollten sie als Stromquelle nur Reservist sein, falls der Wind mal nicht weht oder die Sonne nicht scheint. Biogas zu Biomethan fürs Erdgasnetz aufzubereiten, hält der Nabu für weitgehend unbrauchbar. Biomethan könne in der Ökobilanz sogar schlechter ausfallen als fossiles Erdgas, wenn man die gesamte Produktionskette betrachte.

Warum sind Biosgasanlagen nicht mehr lukrativ?

Erst einmal: Sie können durchaus lukrativ sein. Doch wer als Biogasanlagenbetreiber keine feste Einspeisevergütung aus dem EEG mehr bekommt, muss seine Energie selbst vermarkten. Das ist nicht einfach. Der Bund hatte für 2023 ein Fördervolumen von 240 Megawatt (MW) Leistung ausgeschrieben, darauf wurden Gebote im Umfang von 742 MW eingereicht. Das Angebot war also dreifach überzeichnet. Jetzt fürchten viele Kraftwerker, auf der Strecke zu bleiben. Die Branche warnt, dass zwei Drittel der Anbieter vor dem Aus stünden.

Was will Habeck ändern?

Der Wirtschaftsminister, der sich noch im Frühjahr gegen Biomasse ausgesprochen hatte, plant nun deutliche Änderungen im reformierten Energiewirtschaftsgesetz. Er schlägt sich damit auf die Seite der Branche und der Umweltschützer. Er will jene Biogasanlagen besonders fördern, die zu einer stabilen grünen Energieversorgung beitragen. Etwa solche, die an ein Wärmenetz angeschlossen sind oder flexibel Strom einspeisen, um sogenannte Dunkelflauten (kein Wind, keine Sonne) auszugleichen. Es gibt also nur noch Geld, wenn Strom gebraucht wird. Das kann finanziell attraktiv sein. Kraftwerksbetreiber sollen daher die Chance bekommen, aus dem alten EEG-Fördersystem in das neue zu wechseln.

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Sind Habecks Pläne sinnvoll?

Die Biogasbranche sowie viele Umweltschutzverbände stützen die Idee im Kern. Richtig ist auf jeden Fall das verstärkte Ansinnen, Förderungen nicht mehr mit der Gießkanne auszuschütten, sondern sie an eine für die Energiewende sinnvolle Leistung zu knüpfen.

Gibt es noch Potenzial für Biogas?

Gegen die Verwendung nachwachsender Rohstoffe, also Mais, Raps oder Getreide, gibt es in der Bevölkerung wie in Fachkreisen große Bedenken. Der Ausbau wäre politisch nicht durchsetzbar. Nach Branchenangaben ließen sich aber noch viel mehr organische Abfälle vergären und als Energiequelle nutzen. Der Fachverband Biogas spricht von knapp zwölf Millionen Tonnen pro Jahr. Fünf Millionen aus den Biotonnen, 5,7 Millionen aus Garten- und Parkabfällen, 1,1 Millionen Tonnen aus Küchen-, Kantinen- und Marktabfällen. Daraus ließe sich in Biogasanlagen laut Verband Strom für über drei Millionen Haushalte herstellen. Neutrale Beobachter halten die Zahlen allerdings für überhöht.

Steht nun ein neuer Biogas-Boom bevor?

Davon ist nicht auszugehen. Im Gegenteil. Laut dem gültigen EEG soll 2030 deutschlandweit Bioenergie mit einer Leistung von 8,6 GW zur Verfügung stehen. Stand heute sind es bereits neun GW. Das Ziel ist also schon überschritten. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass der Zielwert irgendwann nach oben korrigiert wird.