Sicherer Beamtenstatus? Von wegen! Um ihr Gehalt zu sparen, werden angestellte Lehrer in einigen Bundesländern während der Ferien entlassen. Ein Betroffener erzählt.
Einen Arbeitsvertrag hat er noch nicht, aber immerhin die mündliche Zusage, dass man ihn im kommenden Schuljahr wieder beschäftigen will. Den Schlüssel und das dienstliche Tablet durfte Peter gleich behalten. Was er erst einmal nicht weiter bekommt, ist ein Gehalt. Zwischen seinem Referendariat, das mit dem letzten Schultag endete, und der Anstellung als Lehrkraft nach den Sommerferien an derselben Schule ist er arbeitslos.
Peter heißt eigentlich anders. Er möchte hier anonym bleiben, will künftige Anstellungen und eine mögliche Verbeamtung durch seine Kritik am System nicht gefährden. Der Lehrer, Ende zwanzig, hat sein Referendariat an einer weiterführenden Schule gemacht.
Entlassung in den Sommerferien: „Unwürdiger Vorgang“
Die Arbeitslosigkeit in den Sommerferien hat System. Rund 4000 Referendarinnen und Referendare werden in Baden-Württemberg zum Beginn der Sommerferien entlassen, auch wenn sie im nächsten Schuljahr als vollwertige Lehrkräfte wieder angestellt werden sollen. Baden-Württemberg gilt damit als bundesweiter Vorreiter in Sachen Sommerarbeitslosigkeit. Auch in vielen anderen Bundesländern, mit Ausnahme zum Beispiel von Bayern und Sachsen, ist diese Praxis üblich.
Seiteneinsteiger Lehrer Selbstversuch 12:16
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) nennt dieses Vorgehen „unwürdig“ und protestierte mit Betroffenen vor dem Stuttgarter Landtag. „Ich kenne Arbeitgeber, die ihren Auszubildenden am ersten Tag nach ihrer Ausbildung einen Dienstwagen zur Verfügung stellen. Ich kenne Arbeitgeber, die ihren dual Studierenden bereits lange vor Ende ihres Studiums eine gute bezahlte feste Stelle anbieten“, sagte Monika Stein, GEW-Landesvorsitzende in Baden-Württemberg. „Ich kenne nur einen Arbeitgeber in Baden-Württemberg, der nach etwa sieben Jahren Studium und Ausbildung sein gut qualifiziertes Personal in die Arbeitslosigkeit schickt.“
Als Lehrer sechs Wochen ohne Einkommen
Den meisten seiner Kommilitonen gehe es wie ihm, sagt Peter, auch ihnen fehle sechs Wochen lang das Einkommen. Während andere ihren Sommerurlaub am Meer verbringen, blieben die jungen Lehrkräfte eben zu Hause. Obwohl sie anderthalb Jahre lang an Schulen gearbeitet haben, steht ihnen nicht einmal Arbeitslosengeld zu, da ein Referendariat keine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit ist. Ob er wenigstens Bürgergeld bekomme, sei bisher auch noch nicht klar, sagt Peter.
Seine Beiträge für die private Krankenversicherung, in der sich Referendare als „Beamte auf Widerruf“ versichern müssen, liefen dagegen weiter, 300 Euro im August. „Vielleicht muss ich mir noch mehr Geld leihen“, fürchtet er. Um sein Bafög zurückzahlen zu können, habe er bereits einen Kredit aufnehmen müssen. Die Reaktionen aus seinem Umfeld, wenn Peter nach Geld fragt, seien verständnislos. Wie kann das Land Lehrkräfte derart schlecht behandeln? Gerade in Zeiten, in denen sie dringend gebraucht werden?
Befristete Arbeitsverträge sind auch an der Schule zulässig
25.000 Lehrkräfte werden im kommenden Jahr in Deutschland fehlen, schätzt die Kultusministerkonferenz. Trotzdem kommt aus dieser Richtung keine Kritik an der systematischen Sommerarbeitslosigkeit. „Befristete Arbeitsverträge sind grundsätzlich zulässig. Das ist in der Schule nicht anders als in der Privatwirtschaft“, heißt es aus der Pressestelle. „Keinesfalls erfolgen Befristungen willkürlich oder gar zur Entlastung des Staatshaushalts.“
Zehn bis 15 Millionen Euro spart das Land Baden-Württemberg ein, indem es Lehrkräfte während der Sommerferien nicht weiter bezahlt. Das macht etwa ein Tausendstel des Kultushaushalts aus. Es sei in der Politik eben nicht alles finanzierbar „was als Luftschloss wünschenswert wäre“, sagte Nadyne Saint-Cast (Grüne) schon im Sommer 2023. „Wir brauchen Sie alle“, sagte Andreas Schwarz, Fraktionsvorsitzender der Grünen im baden-württembergischen Landtag zu den Protestierenden in Stuttgart im Sommer 2024 und kündigte an, das Thema noch einmal mit ins Parlament zu nehmen.
Michael Hirn, stellvertretender Landesvorsitzender der GEW in Baden-Württemberg, hat wenig Verständnis für das Vorgehen der Landesregierung. Die angehenden Lehrkräfte hätten nach anderthalb Jahren Vorbereitungszeit schlicht einen bezahlten Urlaub verdient, betont er. Zudem arbeiteten die meisten dieser Fachkräfte in Vorbereitung auf ihre Anstellung im folgenden Schuljahr auch in den Ferien weiter, sie nähmen an Konferenzen teil, bereiteten den Unterricht vor und richteten das Klassenzimmer ein – ohne Bezahlung und Versicherungsschutz.
Unbezahlte Vorbereitungszeit fürs Schuljahr
Auch Peter wird zur Gesamtlehrerkonferenz in der Woche vor Schulbeginn gehen, obwohl er da noch gar nicht eingestellt ist. In der Konferenz wird das Schuljahr geplant, werden Stundenpläne besprochen und Räume verteilt. „Wäre man nicht dort, schaut man am ersten Schultag dumm aus der Wäsche“, weiß Peter. „Und vielleicht werde ich da dann meinen Vertrag unterschreiben“, gibt er sich optimistisch. Der werde wahrscheinlich auch wieder bis zu den nächsten Sommerferien befristet sein.
Noch hofft er, sich in nächster Zeit auf eine Beamtenstelle an seinem Wunschort bewerben zu können. Denn Peter wollte immer Lehrer werden, die Arbeit mit den Jugendlichen liegt ihm. Wer weniger Hoffnung auf eine dauerhafte Anstellung hat, wandert in andere Bundesländer oder in die Schweiz ab, wo man den Kampf um die Lehrkräfte ernster nimmt. „Wenn es in den nächsten Jahren so weitergeht, dann gehe ich in die freie Wirtschaft“, sagt Peter. Er hat Informatik studiert, seine Chancen auf eine gut bezahlte Festanstellung außerhalb des Lehrberufs stehen gut.