Große Namen prägen die erste Saison der Ruhrtriennale unter dem neuen Intendanten Ivo van Hove. Die Uraufführung von Kirill Serebrennikows Stück "Legende" wird zum politischen Appell.

Große Namen prägen die erste Saison der Ruhrtriennale unter dem neuen Intendanten Ivo van Hove. Die Uraufführung von Kirill Serebrennikows Stück „Legende“ wird zum politischen Appell.

Mit bejubelten Premieren und großen Namen von Sandra Hüller bis Kirill Serebrennikow ist die Ruhrtriennale in die erste Saison des neuen Intendanten Ivo van Hove gestartet. Die Uraufführung des monumentalen Schauspiels „Legende“ des russischen Exil-Regisseurs Serebrennikow wurde am Samstagabend in Duisburg minutenlang mit Beifall gefeiert. 

Schon am Freitagabend überzeugte die oscarnominierte Schauspielerin Hüller in der Eröffnungspremiere „I want absolute Beauty“ als Rock- und Popsängerin. Inszeniert wurde das Musiktheater nach Songs der britischen Allroundkünstlerin PJ Harvey von Intendant van Hove selbst.

Die skurrile Welt eines verfolgten Regisseurs

Das Besondere an der Ruhrtriennale sind ihre Schauplätze in den einstigen Industrieanlagen des Ruhrgebiets. So entfaltete der kremlkritische Serebrennikow in seinem Stück „Legende“ in der „Kraftzentrale“ des Duisburger Landschaftsparks Nord – einem einstigen Hüttenwerk – die Welt des verfolgten sowjetischen Kult-Filmregisseurs Sergej Paradschanow (1924-1990). Paradschanows Werke inspirierten auch Weltstar Lady Gaga. Am Ende des vierstündigen Schauspiels stand ein politischer Appell: „Free All Political Prisoners“ (Freilassung aller politischen Gefangenen) stand übergroß auf einer Leinwand hinter dem Ensemble. 

Paradschanow wäre in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden. Der 1924 im georgischen Tbilisi (Tiflis) geborene Armenier rebellierte mit seinem exzentrischen Leben und fantastischen Improvisationen gegen das sowjetische Regime. Der Filmemacher verbrachte mehrere Jahre unter anderem wegen angeblicher Propagierung von Homosexualität im Straflager und Gefängnis und bekam Berufsverbot. Kritiker rühmten Paradschanows Ästhetik, seinen Umgang mit Legenden und märchenhaften Stoffen, die dem vorgeschriebenen sozialistischen Kulturideal widersprachen.

Kritik an Putins Russland

Serebrennikow beleuchtet das Leben und Werk Paradschanows in zehn „Legenden“ mit viel Witz, burleskem Klamauk, fantasievollen und farbenfrohen Anspielungen an die kaukasischen Kulturen, aber auch makaber wahnhaften Straflagerszenen. Dabei streut der Regisseur auch Kritik an Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine ein. Eine Szene mit dem alternden König Lear kann als Kritik an der Langzeitherrschaft von Präsident Wladimir Putin verstanden werden. 

Das Schicksal des 54-jährigen Serebrennikow weist Parallelen zu Paradschanow auf. In Russland wurde Serebrennikow 2017 verhaftet und unter dubiosen Beschuldigungen verurteilt, konnte aber nach Deutschland ausreisen. Sein neues Stück ist eine Koproduktion der Ruhrtriennale mit dem Hamburger Thalia Theater und Kirill & Friends Company. 

Immer wieder gab es Szenenapplaus für die Schauspieler, allen voran Karin Neuhäuser als alternde Diva. Umrahmt wurde das Stück von den geheimnisvollen Gesängen des in Tiflis gegründeten Patriarchalchors der Trinity-Kathedrale, der als der wichtigste Chor der georgischen Kirche gilt. 

Erfolgreicher Ruhrtriennale-Start

Das Eröffnungswochenende der Ruhrtriennale war mit weiteren Premieren und Kunst prall gefüllt. Dazu gehört auch die Tanzperformance „Y“ von Anne Teresa De Keersmaeker im Museum Folkwang in Essen. Große Namen prägen auch den weiteren Verlauf des bis zum 15. September dauernden Musik-, Tanz- und Theaterfestivals. Auf dem Programm stehen unter anderem das Musiktheater „Pferd frisst Hut“ mit Musik von Herbert Grönemeyer und ein Solo des französischen Theater- und Kinostars Isabelle Huppert als „Bérénice“ von Jean Racine.