Kennen Sie das? Da kommt eine nette Einladung, erwartet wird Geld als Geschenk, dazu Anreise und Hotelübernachtung. Unser Autor sehnt sich nach mehr unkomplizierter Gastfreundschaft.

Kennen Sie das? Da kommt eine nette Einladung, erwartet wird Geld als Geschenk, dazu Anreise und Hotelübernachtung. Unser Autor sehnt sich nach mehr unkomplizierter Gastfreundschaft.

Über Einladungen freue ich mich. Eine Einladung ist so etwas wie ein Kompliment. Da denkt jemand an mich und will mit mir feiern. Das schmeichelt, auch wenn ich selber nur selten feiere. Meine Geburtstage schon lange nicht mehr. Auch die Einladungen an mich sind im Laufe der Jahre immer seltener geworden. Kein Wunder.

Dennoch freue ich mich jedes Mal. Total überrascht war ich vor ein paar Monaten. Eine E-Mail von einem Peter Schulz (Name geändert) hatte mich erreicht. Peter Schulz? Moment. Kurzes Grübeln. Den kenne ich doch … Klar doch, der Peter, ein alter Freund aus meinem hessischen Heimatdorf, wo ich aufgewachsen bin. Den habe ich seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen. Peter hatte nach meiner E-Mail-Adresse im Internet recherchiert und war fündig geworden. Jetzt er will es richtig krachen lassen. Er hat einen Tanzsaal angemietet. Eine Band soll spielen. Dazu gibt es das volle Küchenprogramm. Denn Peter feiert Geburtstag. Er wird 60 und hat es zu was gebracht.

Einladung: „Finanzielle Beteiligung“ erwünscht

Die große Überraschung kam mit der nächsten E-Mail. Ein hübsch gestaltetes PDF mit schönen Fotos und liebevollem Einladungstext, in dem Peter seinen Gästen davon abrät, Geschenke mitzubringen. Eine angemessene finanzielle Beteiligung an den Eventkosten würde schon ausreichen. Finanzielle Beteiligung? Ich staune. War nicht soeben noch von einer Einladung die Rede? Eine Geburtstagseinladung sogar? Und was für eine finanzielle Beteiligung wird da genauer erwartet? Soll ich nachfragen, welche Summe sich Peter da vorstellt? Besser nicht. So etwas hat man bestimmt zu wissen, befürchte ich. Ich weiß es jedenfalls nicht.

Gewiss würde ich mich mit 20 Euro im Briefumschlag blamieren. 50 Euro wären wohl das Mindeste oder 100 Euro? Keine Ahnung. Zusammen mit den Fahrtkosten plus Hotelübernachtung erwartet mich ein teures Wochenende. Um die 500 Euro dürften dafür draufgehen. Vorsichtshalber sage ich wegen beruflicher Termine ab.

STERN PAID Kolumne Gute Gäste 1615

Ehrlich gesagt, so ganz unbekannt sind mir Einladungen dieser Art nicht mehr. Sie häufen sich seit einiger Zeit sogar. Da war schon im vergangenen Jahr die Grillfeier mit fünf Leuten, zu der ich die Tofu-Würstchen mitbringen sollte, dann die Einladung zu einem Einzugskaffeekränzchen, zu dem jeder etwas Gebäck beisteuern musste. Alles Peanuts.   

Die Sommerparty: kein Schnäppchen

Aber erst im Januar rief mich eine alte Freundin an, die an der Ostsee wohnt, und lud mich ebenfalls ein. Zu ihrer Sommerparty im Juni. Außer mir standen noch 100 andere Gäste auf ihrer Liste. Es war ebenfalls eine Geburtstagsfeier. Und das Geburtstagskind wünschte sich Geld. Wie fantasielos, dachte ich im Stillen. Doch die große Party sollte sich mit den Geldgeschenken finanzieren.

Auch diese bestimmt lieb gemeinte Einladung war kein Schnäppchen. Eine teure Bahnreise, Übernachtung und das Geldgeschenk, dessen erwartete Höhe mir ebenfalls rätselhaft blieb. Außerdem sollten alle Gäste zusätzlich eine Schüssel Salat mitbringen, diese stundenlang in überfüllten Zügen transportieren und frisch halten.

Langsam komme ich ins Zweifeln. Verstehe ich da einiges in meiner kleinen Welt um mich herum nicht mehr oder ist mir etwas entgangen? Eine Freundin von mir findet das alles ebenfalls etwas komisch. „Wenn ich Leute einlade, dann ist es doch klar, dass die nichts bezahlen müssen, sonst ist es doch keine Einladung“, bestätigt sie meine Vermutung. „Entweder ich kann mir das leisten oder ich lasse es sein.“ Zumindest war das früher so. 

Der Trend geht zu pompösen Festen

Früher war es auch üblich, dass nahezu jeder, der andere zu einer Party einludt, ein paar Wochen oder Monate später selber wieder aus dem Kreis seiner Gäste eingeladen wurde. Es gab regelrechte Partyzirkel mit geringer Fluktuation. Ab und zu tauchte einer ab, jemand anderes kam hinzu. Das Grundmodell blieb lange Zeit stabil: Wer eingeladen wird, lädt bei nächster Gelegenheit selber ein. Ein Geben und Nehmen, das sich so Pi mal Daumen ausglich. 

Freundschaft 10.49

Doch die Zeiten ändern sich. „Die Gemeinschaften sind nicht mehr so stabil“, sagt Gabriele Stefanie Dafft vom LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte in Bonn. „Durch häufigere Umzüge und Jobwechsel gibt es weniger feste Runden. Das ist dann nicht mehr so ausgeglichen wie früher.“ Der Trend gehe in manchen Milieus zu immer größeren und pompöseren Feiern. Hinzu komme ein Rückgang des Gemeinschaftssinns. Das Feiern werde zu einem Akt der sozialen Distinktion. Man grenzt sich ab, indem man etwas Besonderes bietet, seinen eigenen Stil zelebriert, den anderen seine Individualität präsentiert. Und das geht schnell ins Geld.

Limo und Torte reichen nicht mehr beim Kindergeburtstag

Selbst bei einer Einladung meines zehnjährigen Sohnes zu einem Kindergeburtstag vor wenigen Wochen musste ich mich beherrschen. Fast schon hätte ich „Nein, schon wieder …“ geschrien. Denn gefeiert werden sollte nicht bei Limo und Torte im heimischen Kleingarten, sondern im Heidepark Soltau. Eintritt: 44 Euro auf Kosten der Gäste. Hinzu kam wieder mal der Wunsch nach einem Geldgeschenk in unbekannter Höhe. Macht zusammen um die 60 Euro. Zähneknirschend willigte ich ein. Zum Glück konnte mein Sohn noch einen Rabatt auftreiben, so dass sich die Kosten am Ende auf 43 Euro begrenzen ließen. 43 Euro für die Teilnahme an einem Kindergeburtstag? Meine Eltern hätten mir früher, als ich klein war, den Vogel gezeigt.

Klar, Kindergeburtstage sind für achtsame Helikoptereltern eine Mutprobe. Und ich kann verstehen, wenn Eltern keinen Bock mehr haben, eine johlende Rasselbande mit zehn Kindern zu bewirten, ständig umgekippte Getränke aufzuwischen und am Ende die zertretenen Kirschen vom Kuchen aus dem Teppichboden zu befreien. Dass man solche Events auslagert, ist verständlich.

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Getränke und Speisen zahlen die Mitarbeiter

Kein Verständnis hingegen habe ich für meinen ehemaligen Arbeitgeber, bei dem ich als Sozialpädagoge gearbeitet habe. Es ist schon ein paar Jahre her und ich freute mich damals noch auf Weihnachten, besonders auf die betrieblichen Weihnachtsfeiern. Auf die vollen Büfetts, den leckeren Sekt, auf das Schlemmen ohne Reue. Die Ernüchterung kam dann schneller als der Wirt. Gleich zu Beginn machte uns die Teamleiterin klar, dass die Firma nur die Getränke spendiert. Und zwar für jeden nur ein Getränk. Alle weiteren sowie alle Speisen seien von den Mitarbeitern selber zu zahlen. Mit nur fünf Euro in der Tasche, in Erwartung einer großen Bescherung, war für mich jener Abend rasch gelaufen.

Ich lade euch ein zum Selberzahlen. Die neoliberale Sparvariante, die unter jeden Kostendeckel passt, ist betriebswirtschaftlich rentabel. Aber ob man damit auch Freunde gewinnt? Das wollte ich wissen: In einem Flirtportal lud ich eine Dame zum Essen ein. Am Ende des recht unterhaltsamen Dates fragte ich sie höflich, in welcher Höhe sie sich eine finanzielle Kostenbeteiligung vorstellen könne. Ich war auf jeden Tumult gefasst. Doch meine Datepartnerin hatte Niveau, stand wortlos auf, eilte zur Theke und bezahlte kurzerhand die gesamte Rechnung selbst. Seitdem habe ich nichts mehr von ihr gehört. Meine Mails an sie landeten ungeöffnet im Müll.

Wo bleibt die Großzügigkeit?

Auch das war früher anders. Als Student lud ich nie eine Kommilitonin im Restaurant zum Essen ein. Das galt als altmodisch, war zu teuer und zu spießig. Dennoch waren die Dates mit getrennter Rechnung nicht die schlechtesten. Die gelungensten Partys waren jene, zu denen unbekannte Gäste plötzlich vor der Tür standen, die WG-Räume füllten und die Biervorräte leerten. Wurde dann Nachschub gebraucht, ging irgendjemand zur nächsten Tanke und holte ein paar Sixpacks. Irgendwie finanzierte sich das alles wie von Zauberhand. Niemand musste mit Geldscheinen gefüllte Briefumschläge überreichen, teure Eintritte zahlen oder sich nach Partyschluss ein Hotelzimmer suchen. Matratzen lagen genug herum.

Irgendwann kehrt Ordnung ein ins Partyleben. Irgendwann fängt man an zu planen und zu rechnen, wen lohnt es zu bewirten und wen nicht? Und will man wirklich jeden Loser mit köstlichen Veggie-Steaks verwöhnen, wenn man längst weiß, dass es auf seinen Partys nur billigen Faber Sekt und tütenweise Aldi-Chips gibt? Die Kostenbeteiligung schafft ein Stück weit Gerechtigkeit und bietet eine gewisse Bilanzabsicherung nach unten. Aber muss wirklich jede kleine Grillparty ein ausgeglichenes Konto garantieren? Wo bleiben die Gastfreundschaft, die Großzügigkeit, die freudige Unvernunft?